Automobildesign der Gegenwart:Geschwätzige Zeichenstifte

Aufgeblähte Nüstern, Glas-Zipfel an den Leuchten und die Gefahr, elegante Kraft mit Protz zu verwechseln: eine Design-Betrachtung am Beispiel wichtiger Modelle, die 2013 auf den Markt kommen.

Von Hans-Ulrich von Mende

Oben und unten zeichnen Designer im Automobilbau oft diszipliniert. Auf den Flächen dazwischen machen ihre Zeichenstifte dagegen selten gerade Linien. Ihre elektronisch aufgeladenen Stifte verzichten auf Radiergummis, dafür zaubern sie für den Betrachter perfekte Bildillusionen. Verleitet das zu einem Zuviel auf dem Zuwenig einer Mittelklassekarosserie? Sieht man sich den Autojahrgang 2013 genauer an, zeigt sich, wer am besten gestaltet.

Bei Audi warten wir ab, wie der geplante A3 mit Stufenheck die Klarheit größerer Modelle wahrt. Dabei ist jetzt schon klar, dass wie bei jeder A-Nummer zahlreiche Varianten folgen werden, nicht zuletzt ein dringend erwartetes Cabrio als Ersatz für den wenig attraktiven Vorgänger. Bei BMW wiederum wird der neue Vierer, bisher nur als Conceptcar gezeigt, die aufgeblähten Nüstern im Bug und das formale Pendant im Heck verlieren, dann wird es ein sauber gezeichnetes Coupé. Freudige Erwartung wecken außerdem der elektrische i3 in Pologröße und der i8 im Porsche-Format. Beide werden sich wenig an die üblichen Design-Rezepturen halten.

Wer das vernünftig einhält, so weit bei Supersportlern überhaupt machbar, ist die Corvette Stingray. Was Cadillac seit Jahren kennt, nämlich scharf definierte Flächen, hier dürfen sie fast brachial den Willen zur Sportlichkeit zeigen. Allein vier runde zentral liegende Endrohre machen das klar, passend zu den klassischen runden Heckleuchten. Den Fahrer erwartet ein Cockpit im klassischen Schwung der Corvette von 1966. Schade, dass ein anderer Sportler, der Toyota GT86, trotz guter Testberichte, so uninspiriert sein Wollen im Blech widerspiegelt, dabei hat sein formales Konzept ja sportliche Ansätze. Die hat sich dagegen der Porsche Cayman erhalten. Seine Überarbeitung zeigt klare Designsprache in allen Details. Dankbar akzeptiert: die nun kräftiger gewölbte Dachlinie. Sein Gesamteindruck entspricht einem 911 in allen Qualitäten.

Das Meisterstück für jeden Designer

Einer Ikone einen Nachfolger zu geben, ist das Meisterstück für jeden Designer. Jaguar hat es beim Roadster F-Type hinbekommen, sogar ohne endlos lange Haube à la E-Type. Getröstet wird das Auge mit klassischer Grillform und scharfer Heckkante. Etwas störend sind die zweifachen Kiemen in der Bugschürze - kein wahres Jaguargesicht. Wer sich ans Volant setzt, könnte sich mehr britische Detailstrenge wünschen.

Die gibt es in Perfektion beim Range Rover. Dieser Souverän im Gelände zeigt zeitlose Präzision von Linien und Flächen. Gerne sieht man die Glas-Zipfel an den vier Leuchten und die gelochten Grillstege, ähnlich dem Scherkopf von Rasierapparaten. Innen herrscht die Eleganz eines Anzuges aus der Savile Row. Wer mehr Geld hat und sich britische Noblesse wünscht: Rolls-Royce wird in zwei Wochen in Genf ein Coupé präsentieren, das mit Chromeinfassungen der Seitenfenster zeigt, dass elegante Kraft nicht mit Protz verwechselt wird.

Dieser Gefahr entgeht der Mini Paceman kaum. Weil von allem zu viel, wurde das Dach einem Range Rover Evoque nachäffend flach gemacht. Zu viel sind auch der aufgepustete Kotflügel über den Hinterrädern und die Variante des klassischen Mini-Grilles mit hängenden Mundwinkeln. Wie lächelt da der Mazda6, als Limousine und Kombi preisidentisch. Wo der BMW Dreier kräftig Chrom zwischen Lichtern und Niere als Trennung zwängt, beim Mazda ist es die grazile Linie, fast zu schwach für eine Idee, am Heck wiederkehrend. Um so bauchiger dagegen die Kotflügel über den vorderen Radhäusern. Wo ist die Eleganz früherer Studien? Die hat sich Kia etwas bewahrt, als man Rio und Cee'd neu formte. Verantwortlich dafür ist der Deutsche Peter Schreyer, Ex-Audi-Designer und jetzt einer von drei Markendirektoren. Kia-Mutter Hyundai vergisst zum Glück langsam die alten Gesichter mit Maulsperre und übt verfeinerte Gesichter wie am SUV Sante Fe zu sehen ist.

Auch verfeinert hat Peugeot den 2008, der als SUV allerdings nicht auf tumbe Spiele an allen vier Lichtern oder auf die hüpfende Gürtellinie an den vorderen Fenstern verzichtet. Albern ist die korrekte Beschreibung für die Formgebung der bei uns glücklosen Marke Lexus. Das mag am Grill liegen, der das Profil eines Nachtgeschirres hat. Auch fehlt den Modellen jene Eleganz, die hochpreisige Autos haben sollten. Dieses Problem hat Mercedes offenbar inzwischen erkannt. Was die A-Klasse zu viel hat, wird bei gleicher Technik beim neuen CLA aufgeräumt. Wüste Blechkurven in den Flanken werden zu sanften Bögen. Mutig die Modellgröße: haarscharf an der Kannibalisierung der C-Klasse vorbei. Ist der CLA der kleine Bruder des CLS, ein "Stil-Rebell", wie Designchef Gorden Wagener behauptet? Uns klingt das zu geschwätzig. Ein Stil-Rebell ist auch der CLS Shooting Brake nicht. Der wird hecklastig durch die schießschartenschmalen Fenster in Kombination mit den Pausbacken über den Hinterrädern.

Darauf verzichtet die neue E-Klasse, nicht aber das überarbeitete E-Coupé, dem die hinteren Türen fehlen, um die Peinlichkeit der alten E-Klasse zu kassieren. Gönnt sich das Coupé den Sportgrill, so hat die Limousine den Kühlerumriss so verändert, als wolle sie bald dem Singleframe von Audi ähneln. Mercedes muss aufpassen, im Design nicht den Anschluss an Audi und BMW zu verlieren.

Schönheitsfehler beim Maserati Quattroporte

Anschluss hält dafür der Maserati Quattroporte. Schönheitsfehler: 526 Zentimeter Länge verlangen größere dritte Seitenfenster, Lichter müssen klare Umrisse zeigen, das Heck muss eine elegantere Abrisskante haben. Landsmann Lancia Thema verkappter Ami alias Chrysler C 300, provoziert die Frage, ob so eine Umfirmierung gut gehen kann, formal wie markenmoralisch. Bei Opel geht es, wo ein Astra auch ein Vauxhall ist und nun als Cascada Cabrio gute Figur macht - speziell offen. Der kleine Bruder Adam hat zusammengemixt, was der Jugend schmeckt: farbig lackierte Armaturen à la Fiat 500, Motorhaubenform des Porsche Cayenne, Dachsäulen kaschiert wie beim Citroën DS3, LED-Sternenhimmel wie beim Rolls-Royce. Nun ja, wer's mag.

Gemocht wird das Ford-Design, einst kinetisch genannt. Es bringt endlich Ruhe in die Fiesta- und Mondeo-Fronten. Sie sind durch Luftschlitz oder zweifachen Grill unterteilt und haben nun den trapezförmigen Mund angenehm vergittert. Beide Karosserien wollen beruhigen, was der Mondeo besser macht als der Fiesta, der noch dem aufgeregten Stil der Armaturen frönt.

Uneingeschränkt ist das Lob für VW. Der Golf VII, die Geschwister Rapid und Oktavia von Škoda, die Verwandten Seat Leon und Toledo, profitieren vom Talent des Konzerndesignchefs Walter de'Silva. Ihm sind Fugenverläufe, präzis definierte Flächen, angenehme Proportionen frontgetriebener Autos ohne kopflastige Überhänge und ausgewogene Glas- und Blechflächen genau so wichtig wie Innenräume mit klarer Instrumentierung und Verkleidungen. Familienzuwachs wie der Golf Kombi, der in Genf steht, wird ähnlich gut.

Wann ist Toyota so weit? Zu zaghaft wirkt der Versuch beim neuen Auris, geschwätzig die Hecklichter, wenig tröstlich die Seitenansicht. Schon besser ist der Renault Clio mit gesichtsprägendem Rhombus-Logo, das aufgeschnittene Blech über dem Schweller sieht aber wie eine Wunde aus. Geschwätzig am Clio wirkt das winzige dritte Seitenfenster des Viertürers.

Was bleibt: öfter noch die elektronischen Stifte spitzen. VW hat's gelernt - ganz ohne Geschwätz.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: