Automobilausstellung in Detroit:Große Autos trotz Krise hoch im Kurs

North American International Auto Show

Pick-ups zählen zu den Topsellern auf dem amerikanischen Automarkt. Mit dem Raptor zeigt Ford das neueste Mitglied seiner F150-Familie.

(Foto: dpa)

VW steht in den USA am Umwelt-Pranger. Autokäufer scheint der Schadstoffausstoß wenig zu interessieren. Auf der Messe in Detroit sind ihre Lieblinge zu sehen: groß, stark, durstig.

Von Michael Specht

Manchmal gehört auch etwas Glück dazu. Wie oft ist es passiert, dass eine Weltpremiere auf einer Automesse medial im Trubel unterging? Dieses Mal stand der Stern günstig - für Mercedes. Unter den deutschen Autobauern sind es einzig die Schwaben, die mit einer wirklichen Neuheit zur Motorshow in Detroit (11. bis 24. Januar) reisten.

Bereits am Vorabend der Messe zog Mercedes nicht nur das Tuch von seiner neuen E-Klasse, sondern verkündete für den US-Markt auch neue Absatzrekorde. Die neue E-Klasse, intern W 213 genannt, dürfte diese Entwicklung weiter begünstigen. Gegenüber dem Vorgänger macht die Baureihe einen riesigen Sprung in Sachen Komfort, Qualität, Bedienung, Konnektivität und Effizienz und ist so intelligent, dass sie fast von alleine fährt (SZ berichtete). BMW und Audi ziehen erst 2017 mit den Neuauflagen von Fünfer und A6 nach.

SUV und Pick-ups mit starkem Absatz auf US-Automarkt

Der amerikanische Automarkt brummt wie nie. Wen wundert's? Der Ölpreis liegt unter dem Zehnjahrestief, entsprechend günstig ist der Treibstoff an der Zapfsäule. Mit den Zinsen für Kredite ist es ähnlich. Beides bildet einen idealen Nährboden, um Kunden in die Showrooms zu locken. Gut 17,5 Millionen Autos wurden im vergangenen Jahr erstmals zugelassen. Analysten erwarten für dieses Jahr rund 18 Millionen. Wie eh und je kaufen die Amis am liebsten durstige SUVs und Pick-Ups. Über allem steht Ford. Dessen Baureihe F150 ist seit nunmehr 39 Jahren ununterbrochen Bestseller unter den bulligen Pritschen-Lastern und war mehrfach sogar bestverkauftes Auto in den USA. 2015 fand der F150 mehr als 700 000 Käufer. Das sind mehr als doppelt so viele, wie VW mit seiner gesamten Produktpalette schafft.

Dabei hatten die Wolfsburger für 2018 in den USA unlängst noch 800 000 Verkäufe angepeilt. Doch das war vor "Dieselgate". Jetzt gibt man sich bescheidener. Der Schummel-Skandal kostet Vertrauen - und Stückzahlen. Trotzig verkündete Markenchef Herbert Diess: "Wir bauen ein neues Volkswagen." Einen Vorgeschmack lieferte Europas größter Autobauer bereits eine Woche zuvor auf der Consumer Electronic Show CES in Las Vegas in Form des Budd-e. Der kleine Elektro-Van fungiert als Botschafter für weitere E-Mobile, die der Konzern in den nächsten Jahren lancieren will.

Warum man aber den Budd-e als Blickfang nicht nach Detroit geschafft hat, bleibt ein Geheimnis von VW. Angeblich war die Zeit zwischen den Messen zu knapp. Als Entschädigung fuhr man dort den Tiguan GTE Active Concept auf die Bühne, ein SUV mit etwas überzogener Offroad-Aufmachung. Ob es eine Serienversion geben wird? Eher nicht. Auch was den Antrieb angeht, steht eine Entscheidung aus. Unter dem Blech steckt erstmals ein Allrad-Plug-in-Hybrid.

2017 will Audi auf den Mond

Konzernschwester Audi scheint im Abgas-Skandal bislang mit ein paar Kratzern im Lack davonzukommen. Die Marke feierte trotz leichter Rückgänge zum Jahresende einen US-Absatzrekord. Und will ganz hoch hinaus. Zwei kleine Allradroboter mit dem Namen Audi Lunar Quattro sollen Ende 2017 auf dem Mond landen und dort das letzte Gefährt von Apollo 17 inspizieren, das seit 43 Jahren hier steht.

Eher erdnah darf man die Crossover-Studie H-Tron interpretieren. Sie soll das Engagement zu den Themen Brennstoffzelle und Pilotiertes Fahren untermauern. Letzteres wird laut Rupert Stadler ab 2017 Debüt im nächsten A8 feiern (siehe vorige Seite). Auch ein reines Batterie-Elektroauto (2018) sowie weitere Plug-in-Hybride (A6, A7, Q8) kündigt der Audi-Chef an und präsentiert gleich noch den rustikalen A4 Allroad Quattro.

Mercedes kündigt Plug-in-Offensive an

Auch bei anderen Herstellern scheint unterdessen eine Art Plug-in-Fieber ausgebrochen zu sein. Mercedes legt mit C-, E-, S-, GLE- und GLC-Klasse gleich fünf PHEV-Modelle an die Steckdose. "Weitere fünf werden in den nächsten 24 Monaten folgen", kündigt Entwicklungschef Thomas Weber an.

Und selbst die US-Hersteller setzen auf die Teilzeit-Stromer. Chrysler bringt mit dem Pacifica den ersten Van als Plug-in-Hybrid. Ford schickt seinen modellgepflegten Fusion (das ist bei uns der Mondeo) ebenfalls als Steckdosen-Hybrid auf die Straße. Und Chevrolet macht Ernst mit dem vor genau einem Jahr am selben Ort angekündigten "bezahlbaren" Elektroauto. Der Bolt EV ist einer der Messe-Stars, soll in den USA nach Abzug der staatlichen Förderung weniger als 30 000 Dollar kosten und eine Reichweite von mehr als 300 Kilometern haben. 2017 wird die GM-Tochter Opel den nett gestylten Stromer leicht modifiziert und unter eigenem Namen bei uns anbieten - als Konkurrenten des teuren BMW i3.

365 PS starkes BMW M2 Coupé feiert Premiere

BMW-Vertriebsvorstand Ian Robertson kündigte in Detroit bereits an, dass in diesem Sommer der Siebener und schon im März der Dreier als Plug-in-Hybrid in Serie gehen werden. Gleichzeitig lassen es die Bayern eine Klasse tiefer krachen. Premiere in Detroit feiert das extrovertierte M2 Coupé mit einem 365 PS starken Sechszylinder (SZ berichtete). Den kompakten Flitzer sieht BMW als legitimen Nachkommen des 2002 Turbo aus den Siebzigern, dem seinerzeit die Ölkrise den Garaus machte. Er verkörpert laut Robertson, der mit dem Klassiker auf die Bühne fuhr, "die Seele der Marke". BMW ist seit 1975 in den USA vertreten.

Gäbe es einen Preis für die "Schönste Serienlimousine" auf der Messe, Volvo wäre mit dem S90 ganz vorn dabei. Das Design ist kühl, klar, reduziert und trotzdem elegant. Anbieten wird man die Oberklasse-Limousine in Amerika nur als Benziner und als Plug-in-Hybrid, in Europa auch mit Vierzylinder-Diesel.

US-Hersteller zeigen sich wenig zukunftsorientiert

Glänzten früher auf der Detroit Auto Show die amerikanischen "Big Three", General Motors, Ford und Chrysler mit Concept Cars, so spielt heuer nur noch eine Marke mit der Zukunft: Buick. Der Avista, ein Coupé im Tesla-Look, sei nur eine Fingerübung, so heißt es offiziell. Dennoch kamen schnell Gerüchte auf, der Avista könnte als Vorlage für einen nächsten Opel Calibra dienen. Schon heute bieten Buick und Opel das Cabriolet Cascada an.

Auffällig beim Rundgang durch die Cobo-Halle ist zudem, dass asiatische wie amerikanische Hersteller sich Stücke vom lukrativen Premium-Kuchen sichern wollen. Hyundai versucht dies über seine neue Luxus-Marke Genesis und präsentiert die Fünfmeter-Limousine G90 (nicht für Westeuropa gedacht). Gleiches will die Ford-Tochter Lincoln, die in Detroit endlich die Serienversion des Continental zeigt.

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