Automarkt in den USA:Der Klimawandel ist amerikanischen Autokäufern egal

Ford F-150 Raptor

Der Ford F-150 ist das beliebteste Fahrzeug der USA. die Raptor-Version (Foto) leistet 456 PS. Aber bald soll es auch einen sparsamen Hybrid geben.

(Foto: Ford)
  • Die Zeiten eines boomenden Automarktes in den USA sind vorbei. Der Wettbewerb nimmt an Härte zu.
  • Ford, General Motors und Fiat/Chrysler sind nur schlecht für das Zeitalter der Elektromobilität und des autonomen Fahrens gewappnet.
  • Derzeit haben die großen drei abseits von Pick-ups, SUVs und fahrdynamisch verkrüppelten Limousinen im biederen Mietwagen-Look wenig zu bieten.

Von Georg Kacher

Die Flitterwochen sind vorbei. Bei den amerikanischen Autohändlern stapelt sich die Ware, die Nachfrage sank im traditionell starken April um 5,7 Prozent, die notwendigen Kaufanreize kommen die Hersteller immer teurer zu stehen. Gleichzeitig nimmt der Wettbewerb an Härte zu: Die großen Drei, also General Motors (GM), Ford und Fiat/Chrysler, werden von Japanern und Koreanern in die Zange genommen, das Premiumsegment ist in der Hand der Europäer, über allem schwebt Tesla als Überflieger.

Doch man muss schon ziemlich reich sein, um sich im noblen Null-Emissionen-Status sonnen zu können. Einfache Arbeiter kurven dagegen meist mit in die Jahre gekommenen Dreckschleudern durchs Land. Daran wird sich mittelfristig wenig ändern, denn erschwingliche E-Autos mit für Amerika akzeptabler Reichweite sind eine Schimäre - Ausnahme Chevrolet Bolt, der aber von der schwarzen Null mindestens so weit weg ist wie von der nächsten Ladesäule.

Fiat/Chrysler (FCA) fährt unter Sergio Marchionne eine ganz andere Strategie als die Mitbewerber. Die Börse liebt den italo-kanadischen Vabanque-Spieler, der bislang nur wenig Geld in moderne Technik investiert hat und stattdessen mit der durstigen Jeep/Dodge/Ram-Flotte fette Gewinne einfährt, so lange die Benzinpreise im Keller sind. Der SUV-Boom hat die FCA-Rendite mehr als sieben Prozent getrieben, doch bei alternativen Antrieben und dem autonomen Fahren ist der US-Ableger von Fiat Auto nahezu blank. Kein Wunder, dass Marchionne seit geraumer Zeit GM-Chefin Mary Barra und VW-Boss Matthias Müller schöne Augen macht. Plan A rückt Fiat in Europa unter das Dach von Opel und PSA, gliedert Chrysler in das US-Geschäft von GM ein, fusioniert die Marken Ram und GMC. Plan B ist auf die USA beschränkt, wo VW zum Preis eines Know-how-Transfers in Sachen Elektromobilität das FCA-Händlernetz nutzen könnte. Alles nur Spekulation? Man wird sehen.

GM und Ford wollen sich durch Zukäufe für den anstehenden Paradigmenwechsel wappnen. Die Nachfahren des Henry Ford haben unter anderem in Chariot (Mitfahr-Start-up), Argo (künstliche Intelligenz) und Velodyne (Sensoren) investiert. Dem General war eine Minderheitsbeteiligung an Lyft (ein Uber-Gegner) 500 Millionen Dollar wert. Der Einstieg bei Cruise Automation soll die Entwicklung selbstfahrender Autos unterstützen.

Am Niedergang der Limousine sind die Hersteller selbst schuld

Neben der Langzeitplanung müssen die Wünsche der Kunden im Hier und Jetzt erfüllt werden. An der Spitze der Verkaufs-Hitparade stehen auch 2017 wieder altbekannte Lowtech-Klassiker: drei Pick-ups, zwei SUVs, erst danach die Pkw-Gähner von Honda und Toyota. Am Niedergang der Limousine in Amerika sind GM & Co. auch selbst schuld: Chevy Malibu, Ford Fusion und Chrysler 300 sind fahrdynamisch verkrüppelte Antiquitäten im biederen Mietwagen-Look. Das nackte Grauen setzt sich in der Oberklasse fort. Der nächste Cadillac ATS soll die Gene des Opel Astra übernehmen, der neue Lincoln Continental ist ein Jaguar-Imitat ohne Pfiff.

Seit die Trump-Administration die CO₂-Zügel schleifen lässt, darf wieder geklotzt werden. Die neuen Pick-ups können gar nicht groß und bedrohlich genug sein, die SUVs machen - wie der 707 PS starke Jeep Trackhawk - ungeniert auf dicke Hose, die bollernden Achtzylinder feiern in Dodge Demon, Corvette ZR-1 und Shelby Mustang ihr lautstarkes Comeback. Klar, auf breiter Front macht der V8 Platz für den V6, während der Sechszylinder gegen den aufgeladenen Vierzylinder stetig an Boden verliert.

Einen E-Auto-Boom verkraften die Stromnetze nicht

Diesel und Hybrid spielen nur eine Nebenrolle, und das Elektroauto muss schon Tesla heißen, um nicht an der miserablen Ladeinfrastruktur zu scheitern. Das dürfte zumindest in gewachsenen Metropolen wie New York auch so bleiben, denn die maroden Stromnetze würden einen E-Auto-Boom nicht verkraften. Noch kritischer ist die Situation auf dem Land, wo ein Stromer unter widrigen Bedingungen große Distanzen zu bewältigen hätte.

Der Durchschnittspreis für einen Neuwagen lag 2016 in Amerika bei 31 000 Dollar. Dafür bekommt man einen SUV, einen wenig gefahrenen Pick-up, ein Sportcoupé, aber kein Elektroauto. Warum? Weil die Batterien immer noch zu teuer sind, und weil in kleine Fahrzeuge nicht genug Akkus passen, um Reichweiten von 450 Kilometern und mehr darzustellen. Dieses Dilemma macht das E-Auto in den nächsten Jahren für die großen Drei zum Nischenmodell. Ähnliches gilt für Autos, die keinen Fahrer mehr brauchen. Auch hier müssen die Volumenhersteller noch warten, bis das Regelwerk steht, die Technik zu akzeptablen Preisen verkauft wird und Sicherheitsfragen gelöst sind.

Die Geschäftsmodelle sind unverständlich

Trotz SUV-Sause und Pick-up-Höhenflug geht die Angst um in den Konzernzentralen. Zu unberechenbar sind die Folgen des Wechsels vom Verbrenner zum E-Auto, vom eigenen Fahrzeug zu Mitfahrdiensten und Kurzzeitmietwagen. Was, wenn die Stückzahlen wegbrechen, sich die Fertigungstiefe radikal ändert, plötzlich Seiteneinsteiger den Ton angeben, das teure Entwicklungs- und Produktionsnetzwerk nicht mehr zu halten ist? Dann, so glaubt man bei Ford und GM, müssen Connectivity, Daten und Mobilitätsdienstleistungen die Löcher stopfen. Das klingt logisch, ist aber nur schwer umsetzbar, denn entweder sind die Pfründe schon verteilt oder die vermeintliche Einnahmequelle entpuppt sich als Fata Morgana.

Ford sieht sich auf dem besten Weg zum Automobil- und Mobilitätsunternehmen, das mit Diensten am Kunden Milliarden umsetzen will und dabei eine Gewinnmarge von 20 Prozent in Aussicht stellt. GM verbrennt einen wachsenden Teil seiner Ressourcen im Kampf gegen das Silicon Valley. FCA hortet dagegen seine Gewinne, um Marchionne 2019 einen möglichst glanzvollen Abgang zu bereiten. Mit ihrem Engagement bei den Fahrdiensten Chariot und Lyft wollen Ford und GM gegen Uber mobil machen. Dabei steckt Uber tief in den roten Zahlen, verzettelt sich im Kleinkrieg gegen Gesetzgeber und fahrerlose Mobilitätsanbieter wie Waymo. Diese Strategie verstehe, wer will. In ganz Amerika gibt es aktuell etwa 260 Millionen Pkw, aber nur 400 000 Taxis. Mit dem Debüt der komplexen Robotertaxis dürften sich die Margen noch weiter von den erhofften 20 Prozent entfernen.

Die großen drei gehen neue Wege - aber ganz sachte

Auch beim Geschäft mit den Daten klafft eine Lücke zwischen Traum und Wirklichkeit. GM und Ford wollen mit Kundendaten Milliardenerlöse erzielen - nur, wer kauft diese Daten? Google, Apple oder Microsoft sind über Smartphones und Smartwatches bereits bestens versorgt, und das nahezu ohne finanzielle Eigenleistung, rund um die Uhr, im Dauerkontakt mit potenziellen Kunden aus dem Netz.

Das große Geld müssen The Big Three wohl bis auf Weiteres mit möglichst attraktiver Hardware verdienen. Im Kerngeschäft verfolgen alle drei Anbieter neue Wege: Ford hat den F 150-Truck von Schwermetall auf eine deutlich leichtere Alu-Karosserie umgestellt und schiebt demnächst einen sparsamen Full-Hybrid nach. Während der Parallelhybrid SUVs wie Kuga und Edge gesellschaftsfähig machen soll, sind von Fiesta und Focus sogar sortenreine Ableger mit E-Motor in Vorbereitung.

Chevrolet plant nach Bolt und Volt Null-Emissionen-Derivate von Equinox (SUV), S10 (Pick-up), Sail (China) und Spark (Korea). Doch die GM-Truppe kann auch anders, etwa einen Corvette-Nachfolger mit Mittelmotor nach Ferrari-Art, einen kompakten Cadillac-SUV (XT2) auf Basis des Opel Crossland oder einen 355 PS starken Silverado-Pick-up mit Zehngang-Automatik. Jeep bietet demnächst zwar im Cherokee einen V6-Plug-in-Hybrid an, aber die Herzen der Offroad-Fans schlagen für den über 100 000 Euro teuren Grand Wagoneer (kommt 2019) und die nächste Wrangler-Generation (ab 2018). Von wegen Sparspaß - in der neuen Welt darf weiter maßlos Sprit verbrannt werden, Ozonloch hin, Erderwärmung her.

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