Škoda und Seat:Erfolgreiche Trittbrettfahrer

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Škoda soll die Absatzzahlen in den kommenden Jahren verdoppeln. (Foto: imago/CTK Photo)
  • VW versteht sich immer mehr als Technologieführer, der auch die Preise höher positioniert und auf die Premiumliga abzielt.
  • Das kostet die Kernmarke viel Geld, schafft aber auch Vorteile für die Konzernschwestern Seat und Škoda, die von der Technik profitieren.
  • Während Seat noch nicht rentabel ist, hat sich Škoda freigeschwommen und will in den kommenden zehn Jahren seinen Absatz verdoppeln.

Von Georg Kacher

Volkswagen - ist der Name noch Programm? Wenn man heute solide und erschwingliche Autos ohne Lifestyle-Schnickschnack sucht, dann kommen solche Modelle eher aus Mlada Boleslav und Martorell als aus Wolfsburg. VW versteht sich als Technologieführer, der auch die Preise höher positioniert und nicht erst mit dem neuen Passat auf die Premiumliga abzielt. Die ambitionierten Inhalte und die hohen Qualitätsansprüche kosten die Kernmarke viel Geld, schaffen aber gleichzeitig für Seat und Škoda einen soliden Vorsprung durch Technik, der aus eigener Kraft kaum erschwinglich wäre. Kommen sich die Mutter und ihre Kinder da nicht automatisch in die Quere? "Keineswegs", glaubt der Seat-Chef Jürgen Stackmann. "Im Markt gibt es fast keine Überschneidungen. Damit das so bleibt, leisten wir intensive Strategiearbeit mit dem Konzernvorstand. Natürlich ist Volkswagen unser Hauptpartner, aber auch mit Škoda klappt die Zusammenarbeit. Die preisliche Positionierung mag ähnlich sein, doch die Markenwerte unterscheiden sich deutlich."

Seat will Funktion und Emotion verschmelzen, Škoda setzt auf die Symbiose aus Emotion und Qualität. "Gute Autos bauen allein reicht nicht", weiß der Škoda-Vorstandsvorsitzende Winfried Vahland. "Wenn wir weiter wachsen wollen, müssen wir die Leute mit unseren Modellen begeistern. Das funktioniert nicht nur durch rationale Tugenden wie Qualität, Präzision und Effizienz, sondern auch durch expressives Design und herausragende Handwerklichkeit."

Zehn Prozent Wachstum in Europa

Eine schrecklich nette Familie: Im Halbkreis die Škoda-Modellpalette. Vorne die jüngst vorgestellte SUV-Studie von Seat. (Foto: Hersteller)

Während Seat sich noch nicht komplett freigeschwommen hat, fährt Škoda längst auf der Überholspur. In spätestens zehn Jahren will die tschechische VW-Tochter ihren Absatz auf zwei Millionen Einheiten verdoppeln. Die Spanier sind deutlich bescheidener und kommen derzeit inklusive der Auftragsfertigung des Audi Q3 auf rund 430 000 Stück. Das Wachstumsziel von knapp zehn Prozent muss der europäische Markt ganz allein stemmen, denn Seat hat sich aus China zurückgezogen, die USA nie ernsthaft in Erwägung gezogen und den südamerikanischen Markt als abgeschottet und wenig rentabel hintangestellt.

Bis 2018 will die Truppe um Stackmann und seinen Technik-Vorstand Rabe das Portfolio komplett überarbeiten. Noch in diesem Jahr werden Ibiza, Alhambra und Toledo aufgefrischt. 2016 startet dann mit dem SUV im Tiguan-Format der erste Crossover. Es folgen ein kompakteres Schwestermodell im Ibiza-Stil und ein Derivat in Leon-Größe. Intern heißt das SUV-Trio Charles (groß), William (mittel) und Harry (klein). Für den Altea ist in dieser Konstellation kein Platz mehr, doch auf den Alhambra wollen die Vertriebsstrategen (noch?) nicht verzichten.

In China von Erfolg zu Erfolg

Um die Programmerweiterung auf ein möglichst breites Stückzahlgerüst zu stellen, sind Synergien mit VW und Škoda unerlässlich. Die Marke mit dem geflügelten Pfeil bringt 2016 das Gegenstück zum großen Seat SUV und zum Tiguan-Nachfolger. Ein Jahr später debütiert die mit dem Golf Crossover verwandte zweite Generation des Yeti. 2018 oder 2019 sieht der Spielplan SUV-Varianten von Polo, Fabia und Ibiza vor, von denen nur der VW auch mit Allradantrieb zu haben sein soll. Mit diesem Sechserpack wollen vor allem Seat und Škoda von Europas größten Wachstumssegmenten profitieren, die in Summe längst die Sechs-Millionen-Marke geknackt haben.

Anders als Seat eilt Škoda in China von Erfolg zu Erfolg. Für 2018 stehen dort bereits 500 000 Fahrzeuge auf der Marschtabelle - fast doppelt so viele wie 2014. "Unsere DNA funktioniert in China besonders gut, denn wir sind inzwischen eine international etablierte Marke, die ein jüngeres Publikum anspricht", erklärt Winfried Vahland. Warum ist Seat in China gescheitert, Herr Stackmann? "Weil wir das Thema anders angehen müssen. Zum Beispiel durch lokale Fertigung statt Import, Aufbau einer gesunden Vertriebsstruktur und intensive Markenpflege. Das braucht Zeit, kostet Geld und steht deshalb erst mittelfristig auf der Agenda." Was Vahland und Stackmann nicht sagen: Für einen Markenauftritt, der in China Erfolg haben will, müssen spezielle Modelle entwickelt werden - kleine Crossover, geräumige Limousinen, siebensitzige Vans, dazu vielleicht noch ein zwei- oder viertüriges Coupé. Ganz zu schweigen vom Must-have Plug-in-Hybrid mit 50 Kilometer Reichweite. Der kommt zwar 2018 auf Superb-Basis, bis auf Weiteres aber nicht im Zeichen des Seat-S.

Während VW mit dem neuen VR6-Motor, einem maßgeschneiderten Elektroauto, dem großen Passat CC und dem Phaeton-Nachfolger nach Höherem strebt, beschränken sich die bescheidenen Töchter auf die pragmatische Evolution des Status quo. Das heißt im Klartext: nur Drei- und Vierzylinder, keine Nischenmodelle wie Sportwagen oder Cabrios, weder leichte Nutzfahrzeuge noch europäische Budget Cars nach Dacia-Art. Vor allem Seat muss bis auf Weiteres kleine Brötchen backen. "Sobald der Tag erreicht ist, an dem wir profitabel sind, darf es keinen Rückfall mehr geben", betont der Firmenlenker. "Wir brauchen relevantes Volumen und Wachstum. Wenn ein Auto in die Marke einzahlt, darf es sportlich-spitz ausgelegt sein - aber nicht zu extrem."

Während Ibiza und Leon vom Vertrieb als perfekte Punktlandungen gelobt werden, verkauft sich der Toledo unter Soll. Deshalb wird der Nachfolger neu definiert, und zwar mehr in Richtung viertüriges Coupé. Ebenfalls auf der Kippe steht dem Vernehmen nach der Ibiza-Kombi. Obwohl kein direkter Nachfolger für den vom Audi A4 abgeleiteten Exeo geplant ist, denken die Spanier über eine größere Leon-Variante nach, die ab 2019 als Stufenheck, Fastback oder viertüriges Coupé an den Start rollen könnte. Das perfekte Auto für einen Neustart in China.

Bezahlbarer Luxus

Auch Škoda profitiert von VW-Entwicklungen wie dem modularen Querbaukasten (MQB), von den Skaleneffekten bei Beschaffung und Fertigung sowie vom niedrigen Lohnniveau, das im Vergleich zu Opel einen Kostenvorteil von knapp 1000 Euro pro Auto verspricht. Kein Wunder, dass die Tschechen so ziemlich jeden Preis-Leistungs-Vergleich für sich entscheiden. Was bringt die Zukunft, Herr Vahland? "Wir werden weiter wachsen, im Volumen und in der Breite. Der Trend geht zu mehr Ausstattung und stärkerer Individualisierung. Deshalb bringt Škoda den Superb nicht nur als Laurin & Klement, sondern auch als RS. Den größten Stückzahlsprung wird die Marke natürlich mit den neuen Crossover-Modellen machen. Aber es gibt auch klare Grenzen. Škoda plant kein Amarok-Derivat, keinen T6-Klon und auch keinen abgespeckten Phaeton."

Die wichtigsten Werte, die sich die Marke auf ihre Fahnen geschrieben hat, sind bezahlbarer Luxus, intelligente Raumausnutzung und nachhaltige Effizienz. Seat setzt auf technische Kompetenz, überdurchschnittliche Qualität und frisches Design. Diese Eigenschaften ergänzen sich, aber sie lassen genug Spielraum für die notwendige Differenzierung. O-Ton Spanien: "Die Strategie steht, die Mannschaft leistet gute Arbeit, der Konzern unterstützt uns. Wir haben Kontinuität, Zuversicht und die richtigen Produkte." Eine weitere Klammer im Mehrmarken-Verbund ist die New Small Family, besser bekannt als VW Up, Seat Mii und Škoda Citigo.

Keine Autos, die sich nicht rechnen

2018 debütiert die zweite Generation, möglicherweise auf der alten Plattform, möglicherweise bereits auf MQB. Das Design soll weniger nüchtern ausfallen, die markentypische Ausprägung hat hohe Priorität, die Technik wird in einer konzertierten Aktion auf Stand gebracht. Der besonders bei weiblichen Kunden beliebte Kleinwagen soll in den unterschiedlichsten Ausprägungen vom Band laufen: als sportlicher Mii FR, als Up Ecofuel und als lautloser Škoda Cityflitzer: Leistung (60 PS) und Reichweite (150-200 km) empfehlen den Elektro-Škoda nicht für das Buch der Rekorde - wohl aber der Preis, der bei 15 000 Euro liegen soll. Der aktuelle E-Up steht mit 26 900 Euro in der Liste.

An der Rendite-Front gewinnt Škoda gegen VW mit 3:1, doch über die Strategie wird immer noch in Wolfsburg entschieden. So bleibt der Rapid - im Gegensatz zum Toledo - auch auf längere Sicht wie er ist, die Vision-Studie wandert zum Schutz des Passat CC in die Asservatenkammer, die Fingerübung zum Thema zweitüriger Superb wird nicht weiter verfolgt. Mittelfristig will sich die Marke allenfalls ein großes Crossover Coupé leisten, das weniger kosten und mehr Platz bieten soll als der bereits beschlossene Tiguan CC. Am VW-Traum eines günstigen kompakten Sportwagens - egal, ob Motor vorne oder in der Mitte - wollen sich die Herren Vahland und Stackmann jedenfalls nicht beteiligen. Aus gutem Grund, wie sie unisono betonen: "Wir haben gelernt, keine Autos zu machen, die sich nicht rechnen."

© SZ vom 25.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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