Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie:Ökoflaute trotz Rekordgewinnen

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Die deutschen Autobauer machen kräftige Gewinne. Beste Voraussetzungen also, um endlich mehr Geld in nachhaltige Antriebe und Mobilitätskonzepte von morgen zu investieren. Doch Audi, BMW und Co. wollen sich nicht festnageln lassen. Die Politik schaut zu.

Sascha Gorhau

Die Hersteller überbieten sich mit spektakulären Gewinnen und Rekordabsätzen. Die Daimler AG beispielsweise erklärte jüngst das erste Quartal 2012 zum absatzträchtigsten der Firmengeschichte, 340.000 Fahrzeuge wurden von Januar bis März diesen Jahres verkauft. Das entspricht einer Steigerung von zwölf Prozent. BMW konnte 2011 einen Gewinn von fast fünf Milliarden Euro erzielen. Auch der kleine Sportwagenbauer Porsche vermeldete ein Rekordergebnis von zwei Milliarden Euro.

Genügend Geld wäre also vorhanden, um Deutschland schnellstmöglich zum von der Bundesregierung ausgerufenen Leitmarkt für Elektromobilität umzugestalten. Damit allerdings verdienen gerade die deutschen Hersteller momentan kaum Geld. Knapp 2000 Elektroautos wurden im vergangenen Jahr in Deutschland neu zugelassen, die wenigsten davon für Privatkunden - etwas mehr als 200 Stück. Davon abgesehen befinden sich kaum Stromfahrzeuge im Programm der deutschen Hersteller. Sie sind auf große, leistungsstarke Autos spezialisiert. Die Rekordgewinne könnten als Kapital für die Umstellung auf alternative Antriebsquellen dienen, weg von ölbasierten Kraftstoffen.

"Hersteller und Zulieferer haben sich dazu bekannt, in den kommenden drei bis vier Jahren Jahren zehn bis zwölf Milliarden Euro in die Mobilität der Zukunft zu stecken," sagt Alexander von Gersdorff vom Verband der Automobilindustrie (VDA). Das würde einem jährlichen Budget von 2,5 bis 4 Milliarden Euro entsprechen.

Die Zulieferer sind federführend

Allerdings sind es nicht die Produzenten, sondern Zulieferer wie Bosch und Continental, die dabei eine federführende Rolle übernommen, und sich "längst eine technologische Avantgarde-Position erarbeitet" haben, wie Frank Giese in der Automobilwoche schreibt. Sie sollen von den bis zu zwölf Milliarden Euro einen beträchtlichen Anteil stemmen. Genaue Zahlen hierzu liegen aber nicht vor.

Überhaupt ist unsicher, ob die von der Industrie in Aussicht gestellten Gelder tatsächlich in die Entwicklung nachhaltiger Antriebe fließen werden. "Niemand kennt die genaue Aufschlüsselung, wann wer welche Kosten übernimmt. Man bekommt zu diesem Thema auch immer sehr unterschiedliche Signale", sagt Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland (VCD).

Dieses Bild bestätigt sich, wenn man die Autobauer nach konkreten Summen, Terminen und Fördervorhaben fragt. "5,5 Prozent des Gewinns sollen in zukunftsträchtige Forschungsprojekte fließen. Dazu gehört unter anderem der Ausbau der elektrischen i-Serien und die Entwicklung von neuen Motorkonzepten", heißt es aus der Pressestelle von BMW. 4,9 Milliarden Euro Gewinn wies BMW-Chef Reithofer auf der jüngsten Bilanzpressekonferenz aus. 5,5 Prozent davon wären knapp 270 Millionen Euro. In welchem Zeitraum die Gelder ausgegeben werden, bleibt unklar.

Ähnlich vage ist der Ausblick, den Volkswagen geben kann: 8,3 Milliarden Euro wollen die Wolfsburger bis 2016 jährlich investieren. Auch hier ist unklar, was genau mit diesem Geld geschehen soll. Der Konzern will damit "direkt und indirekt immer effizientere Fahrzeuge, Antriebe und Technologien sowie die umweltschonende Produktion in unseren Werken" fördern, so VW in einer Pressemitteilung. Das kann also auch den Bau von Abwasserfilteranlagen in chinesischen Produktionsstätten bedeuten.

Daimler plant 2011/2012 mit insgesamt knapp 5,5 Milliarden Euro für die Forschung und Entwicklung grüner Technologien. Audi schließlich will 10,5 Milliarden Euro bis 2016 für die "Entwicklung neuer Modelle sowie in Zukunftstechnologien wie den Elektro- oder Hybridantrieb" ausgeben. 2,1 Milliarden Euro wären das pro Jahr.

"Insgesamt sind die Summen, welche die Hersteller investieren wollen, nennenswert, aber nicht überwältigend," sagt Gerd Lottsiepen vom VCD. Die Bundesregierung sieht sich nicht der Pflicht, den Herstellern Vorgaben zu liefern. Matthias Schmoll vom Bundesverkehrsministerium: "Es gibt keine verbindlichen Absprachen seitens der Industrie. Der Markt soll zudem nicht außer Kraft gesetzt werden."

Die Regierung begnügt sich damit, einzelne Forschungsprojekte mit den Schwerpunkten Batterie, Ladeinfrastruktur und induktive Ladung zu fördern. Dabei stellt die Politik von 2010 bis 2013 pro Jahr 250 Millionen Euro zur Verfügung. Sich selbst sieht das Ministerium dabei eher in einer vermittelnden Rolle, sagt Matthias Schmoll: "Wir arbeiten mit indirekten Anreizen."

Keine bindenden Zielvorgaben

Die Angaben von Politik, Autobauern und Experten liefern kein stimmiges Bild. Alle Beteiligten nennen unterschiedliche Zahlen, meist bleibt unklar, was mit welchen Geldern wirklich passieren soll. Die Kommunikation wirkt unkoordiniert.

Die Politik sieht sich nicht in einer Führungsrolle. Sie ist es allerdings, die Deutschland zum Leitmarkt für Elektroenergie ausgerufen hat. Die schwammigen Angaben der deutschen Autobauer und nicht vorhandene Beschlüsse und bindende Zielvereinbarungen lassen diese Vision allerdings mehr als zweifelhaft erscheinen - auch wenn die deutschen Automobilbranche derzeit genug Geld zur Verfügung hätte.

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