Süddeutsche Zeitung

Autoindustrie im Wandel:Diät für Benziner

Moderne Hybridantriebe zeichnen sich durch geringen Verbrauch und eine hohe Leistung aus. Für den Massenmarkt sind die spritsparenden Fahrzeuge aber noch zu teuer.

Von Joachim Becker

Umweltschutz ist schick. Jeder vierte Kunde sei bereit, ein Auto mit Hybridantrieb zu kaufen und bis zu 3000 Euro mehr dafür auszugeben, heißt es in einer aktuellen Studie des Reifenherstellers Continental. Auch DaimlerChrysler-Chef Dieter Zetsche hat das "premium-ökologische Segment" als neuen Trend ausgemacht.

Der Beweis für den grünen Bewusstseinswandel steht allerdings noch aus. Momentan sind deutsche Autokäufer weder mit großzügigen Rabatten noch mit spritsparenden Modellen zu locken. Hybrid-Fahrzeuge verkaufen sich in homöopathischen Mengen von einigen Tausend Stück, auch vom Passat Blue Motion plant VW jährlich nur 10.000 Verkäufe. Spritsparen und Umweltschutz findet jeder gut, nur verzichten möchte halt keiner. Tatsächlich ließe sich manche persönliche CO2-Bilanz mit dem Kauf eines neuen Wagens verbessern - ohne beim Spaß auf die Bremse treten zu müssen.

Der Beweis für den grünen Bewusstseinswandel steht noch aus

"Leute, kauft Hybrid-Autos von Toyota!", hat Grünen-Fraktionschefin Renate Künast gefordert. Doch dem Klima ist kein bisschen geholfen, wenn potentielle Dieselkunden auf Hybrid-Autos umsteigen. In den Vergleichstests diverser Fachzeitschriften schneiden neue Dieselfahrzeuge bei den Verbrauchswerten besser ab als Hybrid-Benziner. Moderne Selbstzünder haben in allen Leistungsklassen entscheidend dazu beigetragen, dass der Gesamtverbrauch deutscher Neuwagen heute 25 Prozent geringer ist als 1990. Richtig ist aber auch, dass der Dieselboom nicht dauerhaft anhalten wird. Experten zufolge wird der Anteil von Selbstzündern an der europäischen Neuwagenflotte bei 50 bis 60 Prozent stagnieren. Folglich brauchen die Ottomotoren eine Diät - noch verbrauchen sie mindestens ein Viertel mehr als Dieselantriebe.

Sprit-Diät klingt nach lahmer und lustloser Fortbewegung. Dabei fährt selbst Hybrid-Pionier Toyota mit Vollgas raus aus der Öko-Nische. Die erste Prius-Generation war ein Mauerblümchen mit 72 kW/98 PS, entsprechend verhalten war die Nachfrage der Kunden. Mittlerweile bereiten die Japaner den Serienstart des Lexus LS 600h vor. Die Luxuslimousine erreicht eine Systemleistung von circa 330 kW/450 PS. Als Hightech-Alternative für Hochleistungsautomobile kann der Hybrid seine hohen Kosten leichter kaschieren. Daher werden auch die deutschen Antworten auf die japanische Offensive aus der Oberklasse kommen.

Für 2009 sind Hybrid-Varianten des VW Touareg, Audi Q7 und Porsche Cayenne angekündigt, Mercedes und BMW setzen in Europa zur gleichen Zeit die S-Klasse und den BMW 7er unter Strom.

Hybrid bedeutet nicht Sparen um jeden Preis: Die VW-Allianz spielt mit einem 55 kW starken Elektromotor in der sportlichen Liga. Die E-Maschine wuchtet vom Start weg 300 Newtonmeter zusätzliches Drehmoment auf die Kurbelwelle. Für Fahrspaß ist also gesorgt, während der Verbrauch um bis zu 20 Prozent sinken soll. "Technisch gesehen ist das kein allzu großes Problem. Die ersten Autos fahren im Testbetrieb", erklärt VW-Chef Martin Winterkorn.

Hybrid bedeutet nicht Sparen um jeden Preis

Das Problem sind die hohen Systemkosten von mindestens 3000 Euro. Technisch und finanziell noch aufwendiger ist der Two-Mode-Hybrid, den General Motors, Mercedes und BMW gemeinsam entwickeln. Zwei E-Maschinen mit jeweils 60 kW Leistung können selbst massige Geländewagen rein elektrisch in der Stadt bewegen. Doch das Ganze bleibt ein Zuschussgeschäft, nur die Hälfte des geschätzten Systempreises von 5000 bis 10.000 Euro können die Hersteller an ihre Kunden weitergeben.

Um den Einstiegspreis in die Hybrid-Welt zu senken, werden BMW und Mercedes in Europa abgespeckte Hybride mit nur einem Elektromotor und einer kompakten Batterie anbieten. Gleichzeitig treiben sie die Weiterentwicklung des Benzinmotors voran. "Downsizing" heißt die Devise: Lieber zwei Zylinder weniger als einen Tropfen Sprit zu viel. Um den schwachbrüstigen Benzinern Beine zu machen, werden die Motoren per Abgasturbolader aufgepeppt. "Früher hatten Turbomotoren bis zu 35 Prozent Mehrverbrauch. Heute sehen wir in ihnen einen der wirkungsvollsten Ansätze, um das Ziel von 130 g/km CO2 zu erreichen", sagt Günter Karl Fraidl, Entwicklungsingenieur bei der AVL List GmbH.

Zumindest bei Mittelklasse-Autos bleibt der teure Hybridantrieb auch künftig eine Rarität, auch weil die konventionellen Motoren in den nächsten Jahren wesentlich effizienter werden. Eine ganze Reihe von Innovationen trägt zur Verbrauchs- und Emissionsminderung bei.

BMW zeigt schon jetzt, wie es geht: Eine intelligent geregelte Lichtmaschine erzeugt den Strom für das Bordnetz hauptsächlich in den Schub- und Bremsphasen. Dadurch lässt sich ein Teil der Bremsenergie nutzen, die normalerweise als Wärme verloren geht. Zum "Micro-Hybrid" auf Basis des gängigen 12-Volt-Bordnetzes gehören auch elektrisch gesteuerte Zusatzaggregate: Kühlmittelpumpe, Lenkhilfepumpe und Klimakompressor werden nur angetrieben, wenn sie tatsächlich gebraucht werden. Hinzu kommt ein Start-Stopp-System, das den Motor im Stand abschaltet und bei Bedarf unmittelbar wieder anwirft.

Eine vorausschauende Fahrweise senkt den Verbrauch um bis zu 20 Prozent

Neu ist die Sparidee allerdings nicht. Schon 1993 schaltete sich der VW Golf Ecomatic im Stillstand einfach ab. Kunden, die mit dem abgewürgten Motor an der Ampel standen, reagierten genervt. Daher wurde der eigenmächtige Antrieb von VW bald aus dem Verkehr gezogen.

Heutzutage springt der Motor dank Elektronik und Direkteinspritzung unverzüglich wieder an: Eine verblüffend einfache Art, an roten Ampeln und im Stau bis zu fünf Prozent Sprit zu sparen. Auch die Zusatzkosten sind mit rund 300 Euro relativ gering, allerdings müssen zahlreiche Funktionen im Auto clever vernetzt werden. Den Herstellern wird nichts anderes übrigbleiben, als ihre "Blechbüchsen" in Zukunft wesentlich intelligenter zu machen. Denn mit Köpfchen kann man am meisten sparen - auch hinter dem Lenkrad: Eine vorausschauende Fahrweise senkt den Verbrauch um bis zu 20 Prozent.

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Quelle:
SZ vom 5.6.2007
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