Autohändler Max Hoffman:Er brachte deutsche Techniker zum Tanzen

Max Hoffman

Max Hoffman lebte von 1904 bis 1981.

(Foto: WGO)

Ohne ihn gäbe es keinen BMW 507, Mercedes 300 SL oder Porsche 356 Speedster: Der Amerikaner Max Hoffman überredete Firmen, Autos zu bauen, die sie nicht geplant hatten. Es waren die schönsten deutschen Sportwagen.

Von Christof Vieweg

Nein, so eine Klatsche von Uncle Sam hat man nicht erwartet. Erst die monatelange Schufterei und dann diese Enttäuschung. Die Ingenieure der BMW-Entwicklungsabteilung sind sauer - stinksauer. Tag und Nacht haben sie gearbeitet, um einen neuen Sportwagen auf die Räder zu stellen, dann kommt plötzlich dieser smarte Amerikaner daher und macht das ganze Projekt mit einem Satz zunichte: "Zu hässlich, das kann man nicht verkaufen."

Aus der Traum. Enttäuscht schieben die BMW-Leute ihren Prototypen in die Werkstatt zurück und legen das Thema Sportwagen ad acta. Vorläufig.

Solche Szenen spielen sich in den 1950er-Jahren nicht nur bei BMW ab. Der Mann aus Amerika hat auch bei Mercedes, Porsche, Alfa Romeo und anderen Autofirmen Stimme, Macht und Einfluss. Seine Meinung gilt, wenn über neue Modelle entschieden wird, seine Wünsche werden häufig umgesetzt. So hat Max Hoffman viele Jahre lang die Automobilentwicklung beeinflusst und die Firmen "überredet", Autos zu bauen, die sie eigentlich gar nicht geplant hatten. Es waren die schönsten deutschen Sportwagen.

Die Deutschen hatten andere Probleme als Sportwagen

Auch aus dem "hässlichen" BMW, der Anfang 1954 wieder in der Werkstatt verschwinden muss, wird mit Hoffmans Hilfe noch eine Design-Ikone. In New York lernt er den 40-jährigen Designer Albrecht Graf Goertz kennen und beauftragt ihn kurzerhand selbst, einen BMW-Sportwagen zu entwerfen. Die Skizzen sind so überzeugend, dass der Vorstand in München sofort alle eigenen Pläne stoppt und den Zweisitzer aus der Feder des adligen Künstlers in Auftrag gibt.

So entsteht ein Meisterstück auf Rädern: Der BMW 507 fasziniert noch heute mit seiner gestreckten Motorhaube und den schwungvollen Seitenlinien. In der Nachkriegszeit war der Roadster ein Traumwagen, mit dem sich Prominente wie Filmschauspieler Alain Delon und Elvis Presley schmückten. Vor 60 Jahren, im Juni 1955, stand der Zweisitzer im New Yorker Nobelhotel Waldorf Astoria erstmals im Scheinwerferlicht. Hoffman hat es geschafft; es ist der Höhepunkt seiner Karriere als Auto-Vordenker.

Lieber europäischer Luxus als Massenware aus Detroit

Maximilian Edwin Hoffman stammte ursprünglich aus Wien. Dort wurde er 1904 geboren und entdeckte schon als Jugendlicher seine Liebe fürs Auto. Er fuhr Rennen und wurde Händler von Rolls-Royce, Bentley, Alfa Romeo und Volvo. Ende der 1930er-Jahre floh er vor den Nazis nach Paris und landete schließlich im Juni 1941 in New York. Schon sechs Jahre später eröffnete er an der Park Avenue sein erstes Autohaus und spezialisierte sich auf den Import europäischer Luxusmodelle. Es war ein gutes Geschäft, denn Amerikas High Society fuhr schon damals lieber Jaguar, Aston Martin oder Alfa Romeo als einen der Straßenkreuzer aus der Massenproduktion Detroits.

Nur mit deutschen Marken hat Hoffman so seine Probleme, denn die Autos, die er sich wünscht, scheinen den Firmenlenkern im Land des Volkswagens zu gewagt. "Ich brauche rassige Sportwagen, keine langweiligen Limousinen." Immer wieder telegrafiert er nach Deutschland, doch den Autobossen in München und Stuttgart fehlen die Ideen, aber auch die unternehmerische Weitsicht bei der Entwicklung ihrer Marken. Hoffman erkennt, dass es höchste Zeit ist, ihnen auf die Sprünge zu helfen.

"300 SL Flügeltürer? Ich kaufe 1000 Stück."

Mercedes-Benz 300 SL, Mercedes, Daimler, Flügeltüren

Der 300 SL war eigentlich ein Rennwagen. Erst nach Hoffmans Aufforderung machte Mercedes daraus einen Straßensportler.

(Foto: Daimler AG)

Anfang September 1953 trifft er sich in Stuttgart mit dem Daimler-Vorstand und macht einen kühnen Vorschlag: "Warum bauen sie keine Straßenversion des 300 SL Flügeltürers? Ich kaufe 1000 Stück davon." Die Firmenchefs werden blass. Dieses forsche Auftreten entspricht ganz und gar nicht ihrer bedächtigen schwäbischen Mentalität. Und außerdem: Der 300 SL ist ein erfolgreicher Rennwagen, der das 24-Stunden-Rennen von Le Mans und die Carrera Panamericana gewonnen hatte - ein Auto für Profis, aber nicht für die amerikanische Schickeria.

Doch Hoffman lässt nicht locker und langsam erkennen auch die Daimler-Vorstände die Chance, auf dem wichtigen US-Markt Fuß zu fassen. Als sie endlich die Bestellung des straßentauglichen 300 SL akzeptieren und den Amerikaner loswerden wollen, legt Hoffman noch eine zweite Bestellung drauf. "Ich brauche auch einen preiswerteren Tourensportwagen, offen und mit Vierzylindermotor." Dann bricht er auf, denn im Stuttgarter Stadtteil Zuffenhausen wartet schon sein nächster Gesprächspartner: Ferry Porsche.

Hoffmans Wünsche werden erfüllt

Auch mit ihm diskutiert er über zukünftige Modelle und erklärt, dass sich die Amerikaner einfache, preiswerte Sportwagen wünschen. Porsche hört zu und beschließt gemeinsam mit Hoffman, einen neuen Typ: den Speedster - eine Mischung aus Cabrio und Roadster mit niedriger Panoramafrontscheibe, steckbaren Seitenfenstern und einfachem Klappverdeck. Eine Heizung gibt es nur gegen Aufpreis. Genau das richtige Auto für die sonnigen Momente des Lebens, wie man sie an der amerikanischen Westküste genießt. Hoffman ist zufrieden und reist in die USA zurück.

Dort liegt bereits die Antwort von Daimler-Benz auf dem Schreibtisch: Die Straßenversion des 300 SL kommt und gleichzeitig werde auch ein kleinerer offener Sportwagen gebaut. Der soll 190 SL heißen. Und die Schwaben halten Wort: Beide Autos treffen im folgenden Frühjahr pünktlich zur Automesse in New York ein, wo sie nebeneinander Weltpremiere feiern. Doch der 190 SL ist nur ein Showcar; kaufen können die Amerikaner ihn erst im Juni 1955 - im gleichen Monat als in New York der BMW-Roadster 507 präsentiert wird.

Traumwagen, die sonst nicht entstanden wären

BMW 507

Der BMW 507 wurde leider nur 251 mal verkauft.

(Foto: SOM)

"Maxie" Hoffman ist am Ziel. Sein Autohaus an der Park Avenue wird zur Fanmeile der Sportwagenszene. Mit dem 300 SL Flügeltürer, dem 190 SL, dem Porsche 356 Speedster und dem BMW 507 stehen gleich vier Traumwagen "Made in Germany" am Start, die allesamt seine Handschrift tragen und die ohne sein Engagement nicht entstanden wären.

Vor allem der Roadster aus München sorgt für Aufsehen, als Hoffman ihn Mitte Juni 1955 im New Yorker Nobelhotel Waldorf Astoria präsentiert. Nicht nur das Design ist atemberaubend, auch unter der schicken Karosserie hat BMW 507 einiges zu bieten. Zum Beispiel den weltweit ersten serienmäßigen Achtzylindermotor aus Aluminium; er leistet 150 PS und ermöglicht ein Spitzentempo von 220 km/h. Schneller war damals nur der Mercedes 300 SL, der 250 km/h schaffte. Vergleichbar sind beide Hoffman-Erfindungen aber nicht. Während der Mercedes ein abgeleiteter Rennwagen mit brüllend lautem Reihensechszylinder (215 PS) ist, erweist sich der BMW mit seinem V8-Motor eher als sanfter, alltagstauglicher Gleiter und Begleiter - genau der richtige Typ für Boulevards und Highways.

Mercedes hat Erfolg, BMW nicht

Dass der Verkauf trotzdem nur schleppend läuft, hat vor allem zwei Gründe: Der BMW war zu teuer. Rund 9000 Dollar, das war damals selbst für die New Yorker Upperclass zu happig, zumal der Münchner Marke noch das Image als Hersteller von Luxusautos fehlte, für die man gerne ein paar Dollar mehr bezahlt. So fand der 507 nur insgesamt 251 Käufer; 1959 wurde seine Produktion wieder eingestellt.

Konkurrent Mercedes bringt es immerhin auf 1400 Exemplare des legendären Flügeltürers und schiebt 1957 - wieder auf Drängen Hoffmans - die offene Version nach, die bis 1963 insgesamt 1858-mal produziert wird. Vom kleinen 190 SL stellt man 25 881 Exemplare auf die Räder; die meisten davon liefert Mercedes an Maxie Hoffman in New York.

Großes Vermächtnis

Mitte der 1960er-Jahre geht die Ära der großen deutschen Sportwagen langsam zu Ende und auch Hoffman schaltet einen Gang zurück. Er kündigt die meisten seiner Händlerverträge und widmet sich als Generalimporteur ausschließlich dem Verkauf von BMW-Modellen. 1975 zieht sich Hoffman aus dem Geschäftsleben zurück. Er ist jetzt 71 Jahre alt. Die Hoffman Motor Company verkauft er an BMW, um sich seiner umfangreichen Kunstsammlung widmen zu können. Viel Zeit bleibt ihm dafür nicht, bereits sechs Jahre später stirbt er in seinem Haus vor den Toren New Yorks.

Hoffmans Vermächtnis ist groß. Es sind Autos, die zu den schönsten der Welt zählen. Und zu den kostbarsten: Ein BMW 507, der vor einem halben Jahrhundert 26 500 Mark gekostet hatte, wechselte letztes Jahr bei einer Auktion für rund 2,4 Millionen Dollar den Besitzer.

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