Autofahren im Winter:Erst kratzen, dann starten

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Nervig für die Nachbarn, schädlich für Umwelt und Technik: Den Automotor im Stand warmlaufen zu lassen, hat nur Nachteile. (Foto: FFB)
  • Viele Autofahrer erhoffen sich einen Komfortgewinn, wenn sie ihr Auto vor der Fahrt minutenlang warmlaufen lassen.
  • Dabei schadet dies dem Frieden in der Nachbarschaft, der Umwelt, dem Motor und dem eigenen Geldbeutel.
  • Wer erwischt wird, zahlt zehn Euro Strafe. Außerdem verbraucht das Auto beim Warmlaufen deutlich mehr Kraftstoff als während der Fahrt.

Von Thomas Harloff

Die Wetterdienste sind sich einig: Der Februar wird kalt und winterlich. Viele Autofahrer in den kälteren Regionen Deutschlands müssen ihre Autos dann wieder regelmäßig vor der Fahrt von Schnee und Eis befreien. Und zwar komplett, schließlich darf die Sicht des Fahrers nicht eingeschränkt sein, müssen alle Licht- und Kennzeichen zu sehen sein und darf kein auf dem Dach verbliebener Schnee zum Ärgernis für den Hinterherfahrenden werden. Oder für den Fahrer selbst, wenn der Schnee bei einer starken Bremsung vom Dach über die Windschutzscheibe rutscht.

Es gibt angenehmere Aufgaben, als beim Eiskratzen und Schneekehren minutenlang in der Kälte zu verharren. Viele Autofahrer erliegen in diesen Momenten einer Verlockung: Man könnte ja schon mal den Motor starten und die Heizung laufen lassen, damit Schnee und Eis schneller schmelzen und das - durchaus auch laute - Eiskratzen nicht so lange dauert. Außerdem werden vielleicht auch der Innenraum und der Motor schneller warm.

Das Problem: Laut StVO ist es verboten, den Motor im Stand warmlaufen zu lassen. Zudem wirft es weitere Fragen auf: Verschleißt der Motor dadurch weniger oder sogar mehr? Und gibt es andere Möglichkeiten, schnell für einen mollig warmen Innenraum zu sorgen? Fragen und Antworten.

Was sagt die StVO zum Warmlaufenlassen des Motors im Stand?

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) äußert sich zu diesem Thema strikt und unmissverständlich. Paragraf 30 der StVO besagt: "Bei der Benutzung von Fahrzeugen sind unnötiger Lärm und vermeidbare Abgasbelästigungen verboten. Es ist insbesondere verboten, Fahrzeugmotoren unnötig laufen zu lassen und Fahrzeugtüren übermäßig laut zu schließen." Tausende Autofahrer verstoßen also an kalten Wintermorgen eindeutig gegen die StVO - und riskieren neben einem Streit mit den Nachbarn auch ein Bußgeld.

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Wie hoch ist die Strafe?

Abschreckend wirkt die Strafe freilich nicht. Wer von der Polizei oder einem Ordnungsbeamten erwischt wird, wenn er den Motor seines Autos unnötigerweise im Stand warmlaufen lässt, zahlt lediglich ein Bußgeld von zehn Euro. Dieselbe Summe wird fällig, wenn zum Fahren nur ein "Guckloch" in die Frontscheibe gekratzt wurde. Ein zugeschneites Kennzeichen kostet fünf Euro, ein nicht vom Schnee befreites Autodach 25 Euro. Punkte oder gar ein Fahrverbot drohen nicht.

Nützt oder schadet es dem Motor, ihn im Stand warmlaufen zu lassen?

"Ein Kaltstart bedeutet für den Motor eine Extrembelastung", sagt Vincenzo Lucà vom TÜV Süd. Wenn das Auto steht, hält diese starke Belastung umso länger an, da das Triebwerk bei Leerlaufdrehzahl deutlich langsamer warm wird als während der Fahrt.

Das begünstigt schnelleren Verschleiß - aus mehreren Gründen: Das noch dickflüssige Öl gelangt nicht an alle Schmierstellen. Dann reiben beispielsweise Gleitlager ungeschmiert aufeinander, was die Bauteile leiden lässt. Bei einem kalten Ottomotor kondensiert zudem immer etwas Treibstoff im Ansaugtrakt oder an den Zylinderwänden. Damit der Motor überhaupt starten kann, muss ihm deshalb mehr Kraftstoff zugeführt werden. Dieser verbrennt aber nicht vollständig, was zu einer Ölverdünnung führt. Auch der Auspuff kann schneller rosten, weil sich Kondenswasser im kalten Abgastrakt sammelt.

Warum sind die Abgase besonders schädlich, wenn der Motor nach dem Kaltstart eine Weile nur im Standgas läuft?

"Im Stand läuft der Katalysator des Autos noch nicht mit. Er muss erst auf eine Mindesttemperatur erwärmt werden, um effizient arbeiten zu können", sagt Lucà. Bis es soweit ist, stößt das Auto bis zu 70 Prozent mehr Schadstoffe aus als bei warmem Motor.

Wie wirkt sich das Warmlaufen im Stand auf den Spritverbrauch aus?

Damit ein Verbrennungsmotor bei kalten Temperaturen überhaupt starten kann, fettet dessen Elektronik das Kraftstoff-Luft-Gemisch stark an. Das heißt, es wird deutlich mehr Sprit in den Zylinder eingespritzt als bei einem warmen Motor. Zu erkennen ist dies an der höhreren Leerlauf-Drehzahl. Bei einem warmen Motor liegt diese bei etwa 800 Umdrehungen pro Minute, ein kalter Motor dreht etwa 1200 bis 1500 Touren. Dieses Drehzahlplus bedeutet mehr Lärm und einen erhöhten Spritverbrauch. "Hochgerechnet kann ein Benzinmotor auf diese Weise 25 bis 30 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen", sagt Vincenzo Lucà. Und das, obwohl das Auto nur steht. Fährt man direkt los, ist der Verbrauch anfangs ebenfalls noch hoch.

Wie verhält man sich richtig, wenn morgens das Auto schneebedeckt und vereist ist?

Grundsätzlich gilt: Erst kratzen, dann starten. Vor dem Losfahren warten Sie am besten fünf bis zehn Sekunden, bis das Öl alle Stellen im Motor erreicht. Direkt nach Beginn der Fahrt sollte man die Gänge nicht sofort ausdrehen, sondern den Motor sachte warmfahren. Halten Sie die Drehzahlen besser im niedertourigen Bereich - bei einem Benzinmotor höchstens bei etwa 2000 bis 2500 Umdrehungen, bei einem Diesel etwas geringer. Behalten Sie auch die Temperatur des Kühlwassers und - falls eine entsprechende Anzeige vorhanden ist - Motoröls im Auge. Ist beides warm genug, verträgt ein Motor auch im Winter höhere Drehzahlen.

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Wie wird der Innenraum am schnellsten warm?

Hat das Auto eine Klimaautomatik, dann am besten die gewünschte Temperatur einstellen - den Rest erledigt das Auto von alleine. Wer das nicht hat, kann die Heizung voll aufdrehen, bis es warm genug ist. Am angenehmsten ist eine Sitzheizung: Sie erhitzt sich am schnellsten und bringt die Wärme direkt zum Körper. Sie ist vor allem bei Ledersitzen empfehlenswert. Alternativ kann man auch Fellbezüge über die kalten Ledersitze legen. "Allerdings nur dann, wenn sie eventuell vorhandene Seitenairbags nicht überdecken oder über entsprechende Aussparungen verfügen", rät Experte Lucà.

Ist eine Standheizung empfehlenswert?

Eine Standheizung kostet je nach Modell zwischen etwa 800 und 2500 Euro. Viel Geld, das sich für Fahrer, die ihr Auto immer draußen parken, aufgrund vieler Vorteile allerdings lohnen kann. Aktiviert per Zeitschaltuhr, wärmt die Standheizung noch vor dem Anlassen des Autos die Kühlflüssigkeit auf etwa 15 bis 20 Grad, was den Motorverschleiß deutlich verringert. Obwohl die Standheizung mit etwas Kraftstoff aus dem Tank arbeitet, sinkt der Verbrauch, weil der Motor schon etwas vorgewärmt ist. Das verkürzt die Warmlaufphase, in der das Kraftstoff-Luft-Gemisch angefettet werden muss, erheblich.

Gleichzeitig steigt der Komfort, weil auch der Innenraum erwärmt wird. Standardsysteme verfügen über einen Timer, die so eingestellt werden kann, dass das Auto rechtzeitig warm ist, sobald man losfahren möchte. Moderne Standheizungen können auch per Fernbedienung, Smartphone-App oder SMS gesteuert werden, was die Flexibilität erhöht.

"Man sollte aber immer auf die Autobatterie achten, da eine Standheizung etwas Strom benötigt, um den Innenraum über das elektrische Gebläse des Fahrzeugs zu erwärmen", sagt Vincenzo Lucà. Am besten lassen Sie die Batterie vor der Winterzeit gründlich überprüfen oder - falls Sie die Möglichkeit haben - laden Sie regelmäßig auf.

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