Autodesign und Klimaschutz:Verzicht als Größe

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Audi-Designchef Stefan Sielaff über die Folgen der CO2 -Diskussion für das Autodesign der Zukunft und die Beziehung von Fahrzeug-Gestaltung und Tofu-Bratlingen.

Jörg Reichle

Dass Audi den rasanten Aufstieg zu einer der führenden Premiummarken ganz wesentlich dem attraktiven Design verdankt, ist bekannt. So wählten die Leser der Fachzeitschrift auto motor und sport, die einmal jährlich die wichtigsten Automarken bewerten, die Ingolstädter unlängst erneut zur Marke mit den bestaussehenden Modellen - vor Porsche, BMW, Alfa Romeo und Mercedes.

Form-Geber: Stefan Sielaff, 44, ist seit Mitte 2006 Designchef der Marke Audi, wo er ... (Foto: Foto: oh)

Mit dem neuen viersitzigen Coupé A5 zeigt Audi auf dem Genfer Autosalon gerade das vorerst letzte Meisterstück des bisherigen Designchefs Walter de'Silva, der mittlerweile zum obersten Gestalter des gesamten VW-Konzerns nach Wolfsburg wegbefördert wurde.

Von der Pike

Designchef der Marke Audi ist seit Mitte 2006 Stefan Sielaff. Auf den 44-jährigen Münchner, der bei Audi und im VW-Konzern auf unterschiedlichen Stationen das Handwerk von der Pike auf gelernt hat und zuletzt ein dreijähriges Intermezzo als Chef des Interieur-Designs bei Mercedes in Stuttgart einlegte, wartet bei Audi eine nicht geringe Herausforderung - sich einerseits neuen Themen wie der aktuellen (und wohl auch künftigen) ökologischen Herausforderung zu stellen und sich andererseits gegenüber dem "Übervater" de'Silva und dem neuen Designchef der Markengruppe Audi und Lamborghini, Wolfgang Egger zu profilieren, der von Alfa kommt und seine Arbeit am 1. Mai aufnimmt.

Sielaff, der seinerzeit den Audi A2 von der ersten Stunde an begleitet hat - das erste, von den Kunden freilich ungeliebte Sparauto von Audi -, ist klar, dass die Ökologie auch tiefgreifende Auswirkungen auf das Design haben wird. "Die zentralen Werte um die es hier geht, sind Leichtbau und Aerodynamik. Die Kunst wird für uns sicher darin bestehen, diese Werte mit einem asketischen Grundansatz zu vereinen, ohne dabei in die Verzichtsecke zu geraten."

Die Beziehung von Soja-Bratling und Auto-Design

Sielaff, dem die hochtrabenden Sprachhülsen anderer Gestalter spürbar ein Greuel sind, findet schnell den Vergleich mit der Küche: "Vor 30 Jahren bestand ökologisches Essen aus ein paar Soja-Bratlingen, Kerndlfutter halt, wie man bei uns in Bayern sagt. Heute gehört es zur Haute Cuisine - es ist immer eine Frage der Kochkunst." Was den derzeitigen Stand des Auto-Designs angehe, bewege man sich aber noch in der Körnerphase.

Bei Mercedes arbeitete Sielaff seinerzeit an den Brennstoffzellen- und Forschungsfahrzeugen F500 und F600 mit. "Die großbauende Brennstoffzellentechnik mit dem hohen Bedarf an kühlender Luftzu- und -abfuhr ließ uns damals nur wenig gestalterischen Freiraum", erinnert er sich. Doch selbst bei kleiner werdenden Antriebsaggregaten dürfte sich beispielsweise an der Frontgestaltung auch künftig wenig ändern. "Die Vorschriften des Fußgängerschutzes sind hier entscheidend."

Sielaff sieht den sich abzeichnenden, technologischen Wandel dennoch als Glücksfall für den Designbereich, er schwärmt geradezu von Askese und Leichtigkeit. "Der Technologie-Sprung bietet uns eine reelle Chance, die Designsprache revolutionär weiterzuentwickeln."

... seit 1990 diverse Stationen durchlief. An der Entwicklung des ungeliebten A2 etwa war er von Anfang an dabei. (Foto: N/A)

Verzicht, da ist sich der Designer sicher, müsse nichts Negatives sein und die neue Herausforderung liefere "einen technisch indizierten Grund, etwas Neues zu machen". Und: "Reine Showeffekte haben bei den Kunden heute ohnehin keine Chance mehr. Mein Traum ist jedenfalls ein Designsprung, der dann ökologisch dem Zeitgeist entspricht."

Vom Zwang, neue Gattungen zu generieren

Auch die Rolle der Designer selbst wird sich durch die technische Umorientierung ändern, davon ist Sielaff überzeugt. "Früher", sagt er, "haben Designer den Ingenieur noch als Feind gesehen. Heute ist das bereits in einer frühen Phase ein sehr konzentriertes Miteinander. Das wird sich noch verstärken." Ohnehin seien die Designer heute schon viel mehr als früher gezwungen zu sparen - an Zeit, an Rohstoffen, an Geld. Da sei die Verzahnung mit Technik und Produktion äußerst wichtig.

Über die Zukunft der SUV-Monster, derzeit landauf, landab als Spritfresser gebrandmarkt, in der Zulassungsstatistik aber ungebrochen auf dem Vormarsch, äußert sich der Audi-Designer dennoch eher vorsichtig - schließlich hat sein Arbeitgeber mit dem Q7 seit geraumer Zeit ein schweres Eisen im Feuer und plant bereits weitere Modelle, unter anderem einen Konkurrenten für den erfolgreichen BMW X3.

Sielaff: "Das SUV entwickelt sich ja zunehmend weg vom Nutzfahrzeug hin zum Lifestyle-Produkt als Alternative zum Coupé oder zum Roadster. Wir stehen hier also unter dem Zwang, neue Gattungen zu generieren, die dann auch mehr aus der gigantischen Welt der SUV herausgehen." Andererseits gebe es aber auch Kunden, die auf den Nutzwert angewiesen seien.

Stichwort Nutzwert: Dass Audi optisch weiterhin eine emotionale Marke sein wird, macht Sielaff unmissverständlich klar. "Ein T5 ist bei Volkswagen gut untergebracht, von Audi wird es so etwas nie geben." Doch auch umgekehrt wird ein Schuh draus. Auf die Frage, ob der bei VW geplante Crossover Tiguan nicht besser bei Audi angesiedelt wäre, kommt die Antwort knapp: "Natürlich."

Als Perspektive für das Audi-Design setzt der neue Designchef eher auf behutsame Entwicklung als auf große Sprünge: "Die Marke wird natürlich sportlich bleiben, aber sie braucht auch einen Hauch Intellektualität und eine gewisse sehnige Leichtigkeit." Nicht zu sehr ins Schwere, Bullige werde man abgleiten, das passe nicht mehr ins Lebensgefühl der Zeit.

Die hohe Schulterlinie bleibt

"Heute herrscht in der Gesellschaft eine Sehnsucht nach Jugendlichkeit, da hat das Barocke keinen Platz mehr." Formal heißt das: Die hohe Schulterlinie wird bei Audi ein wesentliches Designmerkmal bleiben, "was aber nicht automatisch in die Figur eines Muskelprotzes münden muss", präzisiert Sielaff die Zielsetzung.

Das Gefühl dafür wie man eine Marke optisch sorgsam und ohne Brüche aufbaut, hat Sielaff, so sagt er selbst, vor allem bei Mercedes gelernt - für den Job bei Audi eine ideale Voraussetzung. "Der Singleframe-Grill war anfangs bei den Kunden durchaus umstritten, aber er war andererseits ein wahnsinnig wichtiger Schritt für Audi auf dem Weg zur Premiummarke.

Heute geht es vor allem darum, die einzelnen Baureihen voneinander zu unterscheiden." Dass Sielaff auch hier eher auf Evolution setzt als auf radikale Brüche, passt zu seiner ruhigen Art ebenso wie zu den Anforderungen an eine Premiummarke. Entsprechend eindeutig beantwortet er die Frage, wie er sich gegen die beherrschende Figur de'Silva behaupten wolle.

"Das ist sicher schwierig. Walter ist, auch durch seine italienische Herkunft, eher die starke Einzelfigur. Ich bin dagegen einer, der den gesamtheitlichen Ansatz fährt. Das erste, das für mich im Raum steht, ist die Marke, dann kommt der Kunde und danach das Team. Vielleicht kommt das Profilieren dann ja aus den Resultaten." Bis dahin muss er sich noch gedulden. Das erste Auto unter Sielaffs Regie wird der neue A8 sein. Er kommt nicht vor 2009.

© SZ vom 10.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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