Offensichtlich lässt sich zum geplanten Verkaufsstart 2019 nicht mehr Akkukapazität in einem 4,50 Meter langen Coupé unterbringen. Zumindest dann nicht, wenn es halbwegs alltagstauglich sein soll - und die Proportionen den historischen Vorbildern entsprechen müssen. Tesla hat die sportlich niedrige Dachlinie zum Prestigemaß des Elektrozeitalters gemacht. "Das Auto mit der Batterie hochbocken, das kann jeder", bestätigt Audi-Chef-Designer Marc Lichte, "das neue Premium bei Flachbodenautos wie Limousinen und Coupés wird die niedrige Dachhöhe sein - bei einer vernünftigen Reichweite."
Es lässt sich trefflich streiten, wie zukunftsweisend der elektrische Radius des Polestar 1 von 150 Kilometern ist. "Das ist das Doppelte der durchschnittlichen Fahrstrecke pro Tag", insistiert Ingenlath. Nicht zuletzt aus gestalterischen Gründen startet die Elektromarke also mit einem Plug-in-Hybrid. Auch BMW muss noch einige Jahre warten, bis die Energiedichte der Zellen hoch genug ist, um ein rein elektrisches Coupé an den Start zu bringen.
Auch der neue Audi A7 Sportback weist Formen auf, die man aus dem Bootsbau kennt.
(Foto: Audi AG)Stilbildend war der Chevrolet Corvair
Die neuen Modelle sind Vorreiter und Nachzügler zugleich: Audis neuer A7, die Gran Lusso Studie von BMW (2013), der kommende BMW 8er und der Polestar 1 markieren eine Wende zum Retro-Futurismus im Automobildesign. Stilbildend war Ende der 50er-Jahre der Chevrolet Corvair. Mit seinem nahezu rechtwinkeligen Heck und der umlaufenden Karosseriekante in Hüfthöhe erinnert auch der Polestar 1 nicht ganz zufällig an das Yacht-Design seines Vorfahren. Der Corvair löste einen formalen Erdrutsch aus: Die neue Klasse von BMW, der Fiat 1300 oder der NSU Prinz 4 brachen mit den runden, zum Teil barocken Formen der Nachkriegszeit.
Doch die angedeutete Chrom- und Flossen-Ära war in Europa bald wieder Geschichte. Heute sind die Spuren im Automobildesign aber wieder unübersehbar. Beim neuen Audi A7 neigen sich die Außenkanten der Fahrzeugfront nach vorne, ähnlich eines Yachtbugs. Wie im Bootsbau ist auch das Heck des A7 Sportback eingezogen. Das vom Vorgängermodell stammende, klassische Bootsheckmotiv ist in der neuen Generation deutlich stärker ausgeprägt.
Autodesign entwickelt sich nun von innen nach außen
Seit den 60er-Jahren ist die umlaufende Bootsreeling ein wiederkehrendes Designmotiv. Als "Wäscheleine", Schattenfuge oder Gürtellinie hat sie unser Bild sportlicher Fahrzeuge geprägt. Mercedes versucht dem Prinzip der klaren Kante durch skulpturale Formen zu entkommen. Audi geht mit der IAA-Studie Aicon einen anderen Weg: "Bisher haben wir Autos vom Package und von der Skulptur her aufgebaut und dann ein Interieur integriert", sagt Marc Lichte. Bei autonomen Fahrzeugen werde dieses Primat des Exterieurs durch neue Erlebniswelten im Innenraum ersetzt. "Die breiteste Stelle im Aicon liegt auf Augenhöhe", erklärt Lichte, "dadurch wirkt er vom Raumgefühl großzügiger als ein VW-Bus."
Trotz der Höhe von 1,55 Meter soll das raumfunktionale Gefährt wie ein Sportwagen aussehen. Dafür nutzen die Designer einen optischen Trick. Sie verschieben die Gürtellinie nach oben ins Glashaus: Nach außen gewölbte Scheiben und klare Kanten auf den seitlichen Fensterflächen - das haben sich selbst die Straßenkreuzer nicht getraut.