Autodesign 2014:Fahrend auf der Stelle treten

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Der neue BMW X6 ist nicht nur wuchtig, er sieht auch so aus. (Foto: STG)

Wenn es einen Designtrend 2014 gibt, dann den, dass zu viel Form auf zu wenig Fläche untergebracht wird. Mercedes und BMW liefern Spektakuläres, während Audi vor dem Neuanfang steht.

Von Hans Ulrich von Mende

Neuwagenrückrufe sind inzwischen an der Tagesordnung, Rückrufe für Designflops wären zwar bisweilen wünschenswert, sind aber, soweit bekannt, noch nie vorgekommen. Man braucht schon Geduld, um auf die nächsten Modellauffrischungen zum Ausbügeln von Irrtümern zu warten. Meist dauert das einige Jahre.

Andererseits müssen Autodesigner die Entwicklung weit voraus denken, denn erst nach Jahren sind ihre Ideen zu Blech geworden. Eine Branche also, in der Zeitversatz eine zentrale Rolle spielt. Was auch bis in persönliche Verantwortungen reicht: So mancher Chefdesigner hat den Arbeitgeber schon wieder gewechselt, wenn sein letztes Modell noch nicht einmal auf der Straße rollt.

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Winzlinge, die ihren Witz verlieren

Die eindringlichste Botschaft am Ende des Autojahres 2014 heißt: Die Kleinsten halten mit. Der neue Smart (Fahrbericht vorige Seite) strahlt bedingungslose Freundlichkeit aus. Er ist keinen Zentimeter länger geworden, der Wendekreis bleibt winzig. Dafür quillt die Karosse jetzt aus ihrem ursprünglichen Volumen. Aberwitzig erscheint uns das winzige Heckfenster, zusätzlich reduziert durch schwarz abgedeckte Glasflächen, ein Jammer im Vergleich zum Urmodell. Glupschaugen prägen nun seine Front und ein grinsender, dicker, fein gelöcherter Grill unter bauchiger Haube. Letztere ist dem Fußgängerschutz geschuldet und nicht etwa der Idee des Designers. Insgesamt wirkt das alles wenig smart. Auch der Innenraum frönt konsequent den ausrundenden Motiven. Die viertürige Variante, der Smart Forfour, hält da wacker mit und zeigt als Technikableger des Renault Twingo, dass Winzlinge ihren Witz verlieren, wenn sie einen auf dick machen.

Die eindringlichste Botschaft für das Modelljahr 2014 heißt: Auch die Kleinsten halten mit

Eine Etage höher diszipliniert sich der neue Opel Corsa. Er orientiert sich hart am Vorgänger, fördert aber gleichzeitig die neue Opel-Designsprache. Ein breiter Grill mit Chromspange, bekannt vom Adam, rutscht tiefer. Die Augen sind modisch gestuft, machen Platz für markentypisches Fahrlicht in Hakenform, denn jede Marke hat inzwischen ihr leuchtendes Erkennungsmotiv bei Nacht, vorne wie im Heck.

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Als Detailfehler erkennt man beim Zweitürer die schwarze Zunge am hinteren Fenster, am Viertürer die ungelenke Fensteröffnungslinie an der C-Säule. Trost spendet dagegen der ruhige Innenraum. Material, Oberflächen und Details könnten insgesamt zurückhaltender sein. Bekannt ist, dass uns Opel unterhalb des Corsa demnächst noch den Karl bescheren wird. Nach dem was bisher zu sehen war, ist dieses Auto zu klein für manche Formidee. Weitere Modelle dürften aber folgen, der alte Opel hatte schließlich fünf Söhne, da ist noch Raum für neue Namen.

Unter den neuen Modellen 2014 ist auch der Škoda Fabia hervorzuheben - frei nach dem Motto: "In der Ruhe liegt die Kraft." Sein Innenleben ist klar gegliedert, speziell das Armaturenbrett. Sein Design folgt dem Grundsatz, dass Blech auch mal scharfkantig sein darf. Hier hilft der Ehrgeiz des VW-Konzerns, Fugen und Flächen besonders präzise zu führen. Beim Fabia gefällt das. Zu loben sind mehr Breite und damit mehr Innenraum. Einzig der harte Knick an der hinteren Gürtellinie strapaziert das Konzept. Der Kombiversion kann das Design im Heckbereich zu seriöserem Auftritt als bisher verhelfen.

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Diesen beherrscht der neue VW Passat rundherum. Keine Linienfehler, keine wilde Blechverformung, klare Logik der Zusammenführung von Materialwechsel, Formwechsel und Proportionen. Es hätte ein Phaeton werden können, selbst innen. Details, die auffallen sind das zweimal gewinkelte Lichtband des GTE im vorderen Stoßfänger als Ausweis für alles Elektrische bei VW oder anstelle der zwei eleganten Auspufföffnungen, die jedes Gramm CO₂ vergessen lassen, die verschämt versteckten Abgasrohre des GTE unter der Heckschürze. Ein Problem wird allenfalls sein, wie sich bei so viel Bestform ein zukünftiger Passat weiterentwickeln kann.

Ford hat verstanden

So weit ist Ford noch nicht. Hier punktet nur der bildschöne Frontgrill - fast einem Aston Martin ebenbürtig -, zu sehen beim Fiesta, dem Focus, dem S-Max und dem gerade vorgestellten Mondeo. Ein Jammer, dass es beim Aufräumen der Focus-Front kein Geld gab, auch die zerfransten Heckgläser zu beruhigen. Trost spendet der Innenraum des Mondeo mit einem Armaturenbrett des "wrap-around", also dem formalen Umleiten in die Verkleidung der Türen. Auch Kölner Designstudios erkennen inzwischen, dass klare Formen langlebiger sind als zu viele Ideen auf wenig Raum. Der technische Teil der aktuellen Ford-Modelle, also Motoren und Fahrwerke, macht die Designschwäche aber wieder wett.

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Das gilt auch für BMW. Wer mutig genug ist, die wuchtigen X6 und X4 ohne ausreichend Innenraum, ohne ruhigere Hecks und mit pausbäckigen Linien über Hinterrädern weiterhin zu bauen, der kann sich wenigstens mit den Verkaufszahlen als Gegenargument trösten. Bleibt die neue Zweier-Generation, bei der das Coupé den besten Eindruck macht. Vorne wirkt die Bugschürze dezent, die Niere wohlproportioniert, im Heck übertreiben die Linien nicht. Nur die Flanken kämpfen mit der Sehne unterhalb der Gürtellinie und den ausgestellten Radhäusern, die eine undefinierte Fläche zwischen den Rädern hinterlassen.

Erkennbare Sympathie für den spektakulären i8

Dezenter schafft es das Vierer Gran Coupé als formal größerer Bruder, weil mehr Länge auch die Eleganz fördern kann. Als bleibendes Verdienst der Münchner Designer bleibt aber der spektakuläre i8 bestehen. Er hat durch wagemutigen Linienverlauf definiert, wie man sich den Sportwagen als solchen in der Zukunft vorstellen darf - alternativ angetrieben und auch optisch weit entfernt von gängigen Mustern. Das Publikum dankt es mit stehendem Applaus auf der Straße und erkennbarer Sympathie für eine ansonsten beargwöhnte Fahrzeuggattung.

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In der ist der knackige Mercedes AMG GT unterwegs. Das Heck lässt viele an den Porsche-Klassiker 911 denken - wegen der schmalen Hecklichter. Aber der Dachaufbau und die feine Form der seitlichen Fensteröffnungslinie, dazu der Grill, wie mit Diamanten gefüllt, kommt im Design tatsächlich dem Optimum nahe. Proportionen zum Niederknien. Die Passagiere dürfen dafür auf sechs Luftdüsen schauen, die so dominant sind, wie das ganze Auto atemberaubend ist.

Gut gelungen erscheint uns auch die aktuelle Auflage der C-Klasse, als Limousine und als Kombi bereits auf der Straße zu sehen. Man mag ihr vorwerfen, dass sie sich als formaler Abklatsch zu eng an die ebenfalls neue S-Klasse hält. Doch die Ähnlichkeit ist Konzept und der weit nach hinten gerückte Aufbau signalisiert eine für diese Fahrzeugklasse außergewöhnliche Sportlichkeit. Wer sich freilich für eine einfache Modellvariante entscheidet, bezahlt das mit einer eher schmerzhaften optischen Abmagerung.

Während das Mercedes-Design insgesamt einen Aufwärtstrend verzeichnet, leidet der neue GLA an einem Übermaß an Formideen auf zu kleiner Fläche, ganz abgesehen davon, dass das Liniengefummel an den Flanken der A-und B-Klasse weiterhin ärgerlich bleibt. Da hilft nur das Warten auf die nächste Modellpflege.

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Von Joachim Becker

Jenseits der großen deutschen Marken bieten in diesem Jahr auch die kleineren Hersteller Bemerkenswertes. Bei Jaguar leisten sich aufgeräumte Limousinen ein stabiles Familiengesicht. Coupé und Roadster der F-Serie finden bisher nur Lob, das jetzt dem neuen Viertürer XE weitergereicht wird. C-Klasse und BMW Dreier definieren die Zielrichtung. Gesicht und Heck sind ohne Übertreibung gestaltet: vorne engmaschiges Gitter im Grill, hinten Verzicht auf eine Chromspange bis in die Hecklichter, was inzwischen alle machen. Allein der Dachaufbau könnte vor der C-Säule auch ein BMW sein.

Formale Zurückhaltung ist in der aktuellen Modellgeneration eher eine Mangelerscheinung

Ein anderer, nämlich ein Peugeot , könnte am Bug samt Lichtern auch ein Hyundai i20 geworden sein. Dem Heck aber fehlt jene Klarheit, wie sie vorne zu spüren ist, eine Krankheit vieler in den unteren Klassen: zu viel auf zu wenig Fläche. Das macht der Mazda2 ähnlich mit Mazda-typischem Grill und einer modischen Linie in Chrom, die aus der Grillkontur in die Scheinwerfer zieht. Dafür dürfen schwingende Linien die Seitenansicht strapazieren - zu viel für den Kleinen. Loben wir aber den MX-5. Der zeigt jetzt auch den - chromfreien - Markengrill und ein freches Heck, ähnlich dem des Jaguar F.

Der Honda Jazz leiht sich sein Gesicht vom Civic, dem das formenreiche Schwarz der Front schon nicht stand. Die Flanken zeigen üppiges Gefurche und Gepräge, wo einst coole Sachlichkeit herrschte und damit angemessen war. Auch Nissan kommt nicht an der Mode vorbei und macht aus einem unaufgeregten Note einen Minivan der großen Geste: Flanken mit dynamisierter Prägung, hektische Hecklichter, aber gerade noch gelungener Bug. Und dem flinken großen Bruder GTR fehlt jene Eleganz, die man Kraftsportlern wie ihm wünscht.

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Formale Zurückhaltung ist eine Mangelerscheinung

Dass formale Zurückhaltung in der aktuellen Modellgeneration eher eine Mangelerscheinung ist, belegt auch der Renault Espace, immerhin einer der Van-Klassiker auf dem Markt. Hier wurde aus formaler Logik ein einstmals dezent gezeichnetes, jetzt aber modisches Modell mit allem, was der Trend hergibt befrachtet, zudem überhöht mit Chrom.

Zu guter Letzt Audi, bis vor wenigen Jahren noch der Maßstab in Sachen Design. Die dritte Generation des TT führt die sachliche Formgebung zunächst fort. Mit Spannung wird allerdings erwartet, wie der neu ernannte Designchef Marc Lichte, früher VW, die Marke formal weiterentwickelt. Mit einem modifizierten Singleframegrill wird es sicher nicht getan sein.

© SZ vom 08.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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