Autobahn-Baustellen:Das wird eng

Karte mit den Baustellen auf deutschen Fernstraßen

Über 400 Baustellen gibt es im Sommer auf den deutschen Fernstraßen. Hier die wichtigsten.

(Foto: Christof Vieweg)
  • Während des Sommers werden auf dem deutschen Fernstraßennetz etwa 400 Baustellen für verengte Fahrbahnen, Staus und Unfälle sorgen.
  • Verkehrsexperten fordern neue Sicherheitssysteme und breitere Fahrspuren, um die Gefahren zu mildern.
  • Die Autoindustrie arbeitet an elektronischen Assistenzsystemen, die die Sicherheit in Engstellen verbessern sollen.

Von Christof Vieweg

Links die Leitplanke, rechts geht's nur um Haaresbreite an einem Lastwagen vorbei und von hinten kommt ein Drängler, der unbedingt überholen will: Alltag in Deutschlands Autobahnbaustellen.

Rund 400 solcher Engpässe bestehen während der diesjährigen Ferienreisezeit im deutschen Fernstraßennetz. Allein auf der A 7 müssen sich Urlauber auf dem Weg zu Nord- oder Ostsee durch 22 Baustellen mit einer Länge von insgesamt rund 168 Kilometern zwängen. Darunter sind drei Großbaustellen mit jeweils rund 30 Kilometern Länge. Hier wird gearbeitet, denn wegen der maroden Fahrbahnen und Brücken besteht laut der Behörden "akute Verkehrsgefährdung".

Aber auch auf anderen stark befahrenen Urlauberrouten wie der A 3 zwischen Aschaffenburg und Würzburg, der A 6 zwischen Heilbronn und Nürnberg oder der A 8 von Stuttgart nach München werden Dauerbaustellen im Sommer für kilometerlange Staus sorgen. "Wenig Verkehr und leere Autobahnen - davon können Autofahrer an den kommenden Wochenenden nur träumen", beurteilt der ADAC die Lage und warnt: "Ohne Staus kommt nun keiner mehr durch."

Wenig Rücksicht auf den Urlaubsverkehr

Zwar hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auch in diesem Jahr ein Maßnahmenpaket "für flüssigen und sicheren Sommerreiseverkehr" geschnürt, doch eine nennenswerte Verringerung der Baustellen sieht diese Verordnung nicht vor. "Ich habe die größte Innovationsoffensive in die Infrastruktur gestartet, die es je gegeben hat", erklärt Dobrindt und fügt hinzu: "Jede Investition löst auch eine Baustelle aus." Ein spezielles "Arbeitsstellenmanagement" soll für "kurze Bauzeiten und wenig Verkehrsbehinderungen" sorgen, verspricht der Minister. Außerdem sollen neue Baustellen nur eingerichtet werden, wenn sie unbedingt notwendig sind und wenn dies "in einem für den Ferienverkehr verträglichen Rahmen" geschieht.

Doch Dobrindts Pläne müssen von den Bundesländern umgesetzt werden. Und trotz der Vorgaben in der "Ferienreise-Verordnung" nehmen manche Landesbehörden in diesem Jahr wenig Rücksicht auf den Urlaubsverkehr und richten große Autobahnbaustellen ausgerechnet vor oder während der Sommermonate ein. So entstehen in den kommenden Wochen auf wichtigen Urlauberrouten wie der A 5 bei Karlsruhe, der A 8 bei Pforzheim, Ulm und München oder der A 98 am Bodensee zusätzliche Engstellen.

Ein- und Ausfahrzonen sind besonders gefährlich

Kilometerlange Staus sind aber nicht die einzigen Nebenwirkungen der enormen Bautätigkeit auf Deutschlands Schnellstraßen. Sicherheitsexperten befürchten einen neuen "Unfall-Sommer" und warnen vor den Gefahren, die auf den engen Fahrspuren lauern. Immerhin: Sechs von 100 schweren Autobahnunfällen ereignen sich in Baustellen.

Als besonders gefährlich gelten die Ein- und Ausfahrzonen, wo die Fahrspuren verschwenkt oder auf die Gegenseite übergeleitet werden. "Hier kommt es bis zu sechsmal häufiger zu Unfällen als auf Autobahnabschnitten ohne Baustellen", stellen die Unfallforscher der Autoversicherer nach einer detaillierten Sicherheitsanalyse fest. Auch Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR), betont das "überdurchschnittliche Unfallgeschehen" und setzt sich dafür ein, "die Verkehrsführung innerhalb der Baustellen zu verbessern". Deshalb empfiehlt er zum Beispiel zusätzliche Richtungspfeile auf der Fahrbahn, Warnleuchten und Längsmarkierungen mit Rütteleffekt, die Autofahrer warnen, wenn sie von der Fahrspur abkommen.

Zu breite Autos für zu schmale Spuren

Urlaub Stau Autobahn

Stau auf der A 7 vor der Rader Hochbrücke: Allein auf dieser Autobahn gibt es im Sommer 22 Baustellen.

(Foto: dpa)

Im Mittelpunkt der DVR-Kritik stehen aber die schmalen Fahrstreifen, die viele Autofahrer regelrecht in Panik versetzen und als häufige Unfallursache gelten. Zwei Meter plus 25 Zentimeter Pufferzone an beiden Seiten gelten bundesweit als das vorgeschriebene Maß für die linken Fahrspuren in Baustellenbereichen. Doch diese Vorschrift ist hoffnungslos veraltet. Heute sind laut ADAC fast 70 Prozent aller Autos breiter als zwei Meter, sodass die Fahrer ihre Wagen oft zentimetergenau an Lastwagen und Leitplanken vorbei jonglieren müssen und dabei obendrein noch ein Bußgeld riskieren, wenn sie gegen die Breitenvorschrift verstoßen.

Deshalb fordert der Verkehrssicherheitsrat bereits seit Jahren, die Baurichtlinie des Bundes zu aktualisieren und für die linken Fahrstreifen eine generelle Mindestbreite von 2,20 Meter plus zweimal 25 Zentimeter Pufferzone vorzuschreiben - also insgesamt 2,70 Meter. Dadurch könnten viele Unfälle verhindert werden, argumentieren die Fachleute. Weil eine solche bundeseinheitliche Regelung aber noch immer nicht existiert, haben jetzt einige Landesregierungen die Initiative ergriffen und verändern die Spurbreiten in eigener Regie. Das Ergebnis ist ein wirres Durcheinander von Verkehrsregeln und Fahrbahnbreiten, die sich nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern oft auch von Baustelle zu Baustelle ändern.

Engstellen-Assistenten sollen den Fahrer unterstützen

Während Politik und Bürokratie über Sicherheitsmaßnahmen diskutieren, stehen Daimler, BMW und Volkswagen mit elektronischen Systemen in den Startlöchern, die Autofahrer unfallfrei durch Baustellen führen sollen. In Stuttgart heißt die Erfindung "6D-Vision". Dahinter verbirgt sich ein System, das mit Radar und Stereokamera das Geschehen vor dem Auto beobachtet und auch in der Lage sein soll, die Bewegungen anderer Fahrzeuge vorauszuberechnen. "Die zentrale Idee besteht darin, länger hinzusehen und Objekte über einen gewissen Zeitraum zu verfolgen", erklärt Daimler-Forscher Uwe Franke das Prinzip der räumlich-zeitlichen Bildanalyse. So könnte das Bildsystem künftig in der Baustelle einen vorausfahrenden Lkw anpeilen und schon im Voraus berechnen, ob der Fahrer genügend Platz zum Überholen hat. In der nächsten Generation der E-Klasse soll laut Daimler-Sprecher Koert Groeneveld aber zunächst ein System in Serie gehen, das Autofahrer auch in Baustellen bei der Spurführung unterstützt.

Auch bei BMW arbeiten Forscher an einem Engstellen-Assistenten. Der verlässt sich auf die Echtzeitdaten eines nach vorne gerichteten Laserscanners und mehrerer Ultraschallsensoren, die den seitlichen Abstand erfassen. Auf diese Weise zeigt das System in Baustellenbereichen an, ob er gefahrlos an einem Lkw vorbeifahren kann. Auch während des Überholens bleibt der Assistent aktiv und warnt, wenn es zu eng werden sollte. Wann der Engstellen-Assistent serienreif sein wird, will BMW noch nicht verraten. "Wir sind bisher sehr zufrieden mit dem Ergebnis", sagt Forscher Dirk Wisselmann aber.

"Baustellen sind Staustellen", weiß man auch bei Volkswagen. VW-Ingenieure arbeiten aber nicht nur an einem elektronischen Lotsen, der Autofahrer mit bis zu 80 km/h sicher durch Autobahnbaustellen führt, sondern auch an einem Low-Speed-Assistenten für Engstellen im Stadtverkehr. Der Baustellen-Lotse wird zunächst mit Kamera, Radar- und Ultraschallsensoren vernetzt und befindet sich laut VW bereits in der Serienentwicklung.

VW entwickelt einen vorausschauenden Baustellenlotsen

In Zukunft wollen die Forscher aber noch weiter vorausschauen und schon drei bis vier Kilometer vor einer Baustelle wissen, wie viele Spuren zur Verfügung stehen, wie der Fahrbahnverlauf aussieht und mit welcher Geschwindigkeit der Verkehr fließt. Dabei soll ihnen ein vernetztes Verkehrssystem helfen: Andere Autos, Verkehrsleitzentralen und Sendestationen am Straßenrand funken die nötigen Daten an die Bordrechner der Autos. Künftige VW-Modelle mit Baustellen-Lotsen nutzen diese Informationen, bremsen rechtzeitig ab und passen ihr Tempo automatisch dem Verkehrsfluss an. Die Autofahrer sollen auf dem Cockpit-Display sehen, was sie in der Baustelle erwartet und auf welcher Fahrspur sie optimal vorankommen. "Durch das situativ angepasste Fahrverhalten wird die Wahrscheinlichkeit von Staus reduziert und der Verkehrsfluss stabilisiert", beschreibt VW die Systemvorteile.

Autobahnbaustellen ohne Staus - wenn das gelingt, wäre das System nicht nur in puncto Sicherheit ein klarer Gewinn, sondern auch finanziell. Laut ADAC kosten die Zeitverluste durch Baustellenstaus die Volkswirtschaft jährlich rund 37 Milliarden Euro.

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