Test Mercedes GLB:Es geht auch eine Nummer kleiner

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Der neue GLB bietet im SUV-Angebot von Mercedes mehr Raum und Variabilität als der ähnlich große GLC - und kostet auch noch deutlich weniger.

Von Georg Kacher

Der neue GLB von Mercedes ist genauso lang wie die erste M-Klasse, aber in den Kofferraum passt selbst dann mit 565 bis 1800 Liter deutlich weniger Gepäck, wenn man sich die 1321 Euro teuren Notsitze in Reihe drei gespart hat. Für die meisten Erwachsenen sind die Klappstühle ohnehin tabu, denn wer größer ist als 1,68 Meter, muss woanders Platz nehmen. Das Raumangebot in der Mittelreihe reicht völlig aus, doch die schwach ausgeformten Außenplätze bieten wenig Komfort, und zu dritt nebeneinander geht es ausgesprochen eng zu. Geradezu fürstlich reisen dagegen Fahrer und Beifahrer. Leider kostet fast alles, was spricht, blinkt, musiziert und als Piktogramm oder Bildschirm ausgeführt ist, sattes Aufgeld. Für die gut 3000 Euro, die für das digitale Cockpit samt Sprachsteuerung und Navigation fällig werden, könnte man eine Großfamilie mit Flachbildfernsehern versorgen. Auch die meisten Assistenzsysteme wollen teuer bezahlt sein - und bei jedem Motorstart aufs Neue aktiviert werden, der Versicherungseinstufung zuliebe.

Die GLB-Preise reichen von 37 746 Euro für den 1,3-Liter-Benziner mit 163 PS (von Renault zugeliefert) bis 54 549 Euro für den 306 PS starken GLB 35 AMG. Dazwischen liegt der 224 PS starke GLB 250. Die 2,0 Liter-Diesel bringen es auf 116, 150 und 190PS. Alle Modelle außer dem GLB 200 sind mit einer neuen Acht-Stufen-Automatik verblockt, die in der AMG-Variante betont sportlich abgestimmt ist. Den dort serienmäßigen Allradantrieb kann man für GLB 200d, 220 d und 250 gegen Aufpreis dazubestellen. Interessant ist vor allem die 4Matic-Ausführung des stärksten Diesel, die in 7,6 Sekunden von null auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigt, eine Höchstgeschwindigkeit von 217 Kilometer pro Stunde erreichen kann und nur 5,4 Liter auf 100 Kilometer verbraucht. Am anderen Ende der Preis-und-Vernunft-Skala lockt der ausgesprochen flinke AMG, dessen Drehmomentverteilung leicht heckbetont ausgelegt ist, während der Sport Plus-Modus das Ansprechverhalten von Lenkung, Dämpfer, Getriebe und Motor schärft. Leider rollen die für die Sportvariante erhältlichen 21-Zoll-Räder knöchern ab und reagieren unwirsch auf Querfugen.

"Hey, Mercedes. Mir ist kalt, und die Wirbelsäule tut weh." Die MBUX-Spracherkennung reagiert prompt und auf den Punkt. Erst wird's wärmer, dann schaltet sich die Massagefunktion zu. "Rücken und Schultern, Stufe 3. Und die Sitzheizung, bitte." Wird erledigt. Sogar Bruckners Achte holt sich das System auf Zuruf aus der Cloud, wie gewünscht mit Thielemann am Pult. Noch ein Test? "Zeige mir ein gutes asiatisches Restaurant, aber keinen Chinesen." "Das Vietnam öffnet um 18 Uhr - für wann soll ich reservieren?" Ich, das ist eine Art mehrsprachige synthetische Alexa mit Uni-Abschluss, die sich nicht nur in der Mercedes-Welt gut auskennt. Der nächste Schritt wäre eine noch perfektere Software, die sogar Dialekt versteht, den Sprachduktus des Nutzers verinnerlicht und bei Gefahr selbst aktiv wird.

Der GLB ist eine A-Klasse mit SUV-Karosserie, die sich optisch ein Beispiel an der kantigen G-Klasse genommen hat. Glücklicherweise trifft das weder für die Windschnittigkeit noch für die Fahreigenschaften zu, die erst bei deaktiviertem ESC durch angedeutete Lastwechselschlenker und frühes Untersteuern auf seifigem Geläuf erhöhte Aufmerksamkeit erfordern. Diesseits des Limits überzeugen der stoische Geradeauslauf, das schluckfreudige Fahrwerk und das weitgehend neutrale Eigenlenkverhalten. Die Bremse hat mit dem 1735 Kilogramm schweren Wagen an sich keine Mühe, spricht aber leicht verzögert an und vermittelt ein relativ teigiges Pedalgefühl. Die Lenkung kann auf Wunsch nicht nur selbst einparken und automatisch dem Vordermann folgen, sondern auch saubere Radien ziehen und den Fahrbahnkontakt bis in den Grenzbereich hinein aufrechterhalten. Verhärten in Wechselkurven, ein zu hohes Rückstellmoment und die für manche SUVs typische Indifferenz bei vollem Lenkeinschlag sind im GLB ebenfalls kein Thema.

Was sind die Alternativen zum GLB innerhalb der Mercedes-Palette? Dem GLA fehlt es auch in der zweiten Generation an Alleskönner-Qualitäten, denn er ist wie gehabt mehr Flaniermeilen-Coupé als robuster Crossover. Die B-Klasse spielt bei den Stuttgarter Kompakten jene SUV-freie Rolle, die der Sportsvan in der Golf-Familie einnimmt. Ein vergleichbar motorisierter und ähnlich attraktiver GLC kostet bei fast identischen Dimensionen etwa 5000 Euro mehr als der GLB. Der gewinnt damit nicht nur das Preis-Leistung-Kapitel, sondern auch die Funktionswertung, denn er bietet auf ähnlicher Verkehrsfläche messbar mehr Raum und eine höhere Variabilität. Leider ist die karge Basisausführung teilweise wenig wertig verarbeitet und auch nicht in der Lage, fahrdynamische Akzente zu setzen. Um den GLB in einen echten Mercedes zu verwandeln und das Plus an Platz auch mit den entsprechenden technischen Inhalten zu verbinden, muss der Kunde sein Budget bis an die Schmerzgrenze ausreizen.

Hinweis der Redaktion

Ein Teil der im "Mobilen Leben" vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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