Süddeutsche Zeitung

Alte Fahrzeuge:Schrott am Straßenrand

Wenn alte Autos ohne Zulassung irgendwo abgestellt werden, kann es teuer werden - für den Halter oder die Kommune.

Von Joachim Göres

Ein Auto steht in einer Wohnstraße vor einem Haus irgendwo in Hessen. Durch zwei Dinge unterscheidet sich der Wagen von den anderen vor und hinter ihm parkenden Pkw: Das Auto hat kein Nummernschild. Und es fällt durch einen roten Aufkleber an der Windschutzscheibe auf. Auf dem Aufkleber findet sich unter der Überschrift "Aufforderung zur Entfernung eines Kraftfahrzeuges" und der Anrede folgender Text: "Sie haben ein für den Straßenverkehr nicht zugelassenes Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum unerlaubt abgestellt", dahinter ein Hinweis auf einen Paragraphen des Hessischen Straßengesetzes. "Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einem Bußgeld bis zu 1000 Euro geahndet werden. Außerdem besteht für Ihr Fahrzeug kein Haftpflichtversicherungsschutz. Sie werden hiermit aufgefordert, das Kraftfahrzeug innerhalb der nachstehend genannten Frist zu entfernen."

Solche Fälle gebe es überall, bestätigt der Deutsche Städte- und Gemeindebund, kurz: DStGB. Allerdings hat der Verband keine Informationen darüber, ob in letzter Zeit die Zahlen stiegen. "Natürlich kann es infolge von Corona und vermehrter finanzieller Schieflage im privaten wie gewerblichen Bereich dazu kommen, dass Prüfsiegel nicht verlängert werden", sagt DStGB-Sprecher Alexander Handschuh - und die Autos dann am Straßenrand abgestellt werden.

60 Euro Bußgeld, zwei Wochen Frist

Zumindest in Osnabrück hat das Problem zugenommen, dort liegen auch exakte Zahlen vor: Im vergangenen Jahr wurden 800 nicht angemeldete Altfahrzeuge auf den Straßen und Plätzen der niedersächsischen Stadt geortet, im Vorjahr waren es 671. Wenn die Wagen auf den ersten Blick noch einen gewissen Wert besitzen, bekommen sie von Mitarbeitern des Ordnungsamtes eine rote Plakette aufgeklebt. Die Halter müssen ein Bußgeld von mindestens 60 Euro zahlen und ihr Auto innerhalb von zwei Wochen entfernen. Tun sie das nicht, kommen noch die Abschleppkosten hinzu. Kann kein Halter ermittelt werden, weil zum Beispiel die Fahrgestellnummer entfernt wurde, bleibt die Stadt auf den Kosten fürs Abschleppen und Verwerten des Fahrzeugs sitzen. "Beruhigend aus städtischer Sicht ist, dass in etwa 85 Prozent aller Fälle die Halter ausgemacht werden konnten", sagt Katharina Pötter, Stadträtin für den Bereich Soziales und Bürgerservice in Osnabrück.

Sieht ein abgemeldeter Wagen stark beschädigt aus - zum Beispiel wegen eingeschlagener Fensterscheiben -, gilt er als Abfall und bekommt in Osnabrück eine grüne Plakette. In solchen Fällen droht die schnelle Abschleppung, zudem erfolgt eine Strafanzeige. Dies kann auch Schrottautos betreffen, die auf Privatgrundstücken stehen und von denen wegen ihres nicht verkehrstüchtigen Zustandes beispielsweise durch Ölverlust die Gefahr der Verunreinigung von Gewässern oder des Bodens ausgeht. In Osnabrück handelt es sich bei diesen Schrottautos um Fabrikate mit der Erstzulassung zwischen 1993 und 2005. Sie "umfassen sehr unterschiedliche Automarken" mit "wesentlichen technischen Mängeln und Korrosion", sagt Stadtsprecher Sven Jürgensen, sodass der "Reparaturaufwand für die Weiterzulassung unverhältnismäßig oder für die Besitzer wirtschaftlich nicht darstellbar" sei. Schärfere Verordnungen oder Gesetze hält er nicht für nötig. In den meisten Fällen reiche es aus, die roten oder grünen Plaketten aufzukleben, um die Fahrzeughalterinnen und -halter zu bewegen, aktiv zu werden. 2020 wurden in Osnabrück "nur" 17 Fahrzeuge abgeschleppt.

300 000 Altautos gelten als verschwunden

Jährlich werden rund drei Millionen Pkw in Deutschland stillgelegt. Davon werden eine halbe Million in einem anerkannten Demontagebetrieb zerlegt. Zwei Millionen werden als Gebrauchtfahrzeuge exportiert, vor allem nach Osteuropa, aber auch nach Afrika. Etwa 300 000 Fahrzeuge fehlen jedes Jahr in der Statistik. Die Vermutung: Viele Autowracks werden illegal exportiert und sorgen in den Importländern für eine erhöhte Gesundheits- und Umweltbelastung.

Der Verband der Automobilindustrie bestreitet das: "Alle bisher vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass aus Deutschland nur sehr wenige echte Altfahrzeuge abfließen", heißt es in einer Stellungnahme. Doch eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes kommt zu dem Schluss, dass es sich bei den aus der Statistik "verschwundenen" Autos hauptsächlich um desolate Fahrzeuge handelt, die in nicht anerkannten Demontagebetrieben landen oder nicht gemäß dem Abfallverbringungsrecht ins Ausland verkauft werden. Dadurch bestehe die Gefahr der unrechtmäßigen und unsachgemäßen Entsorgung von Schrottautos. Alleine in Osnabrück wurde im vergangenen Jahr in mehr als 100 Fällen gegen Händler und Betriebe wegen des Verdachts der illegalen Übernahme und Demontage oder des illegalen Exports solcher Pkw ermittelt.

Laut Umweltbundesamt (UBA) können die nicht zugelassenen Betriebe die Halter bei der Fahrzeugübernahme häufig mit Geld locken, weil sie geringere Kosten haben als ordnungsgemäß arbeitende Fahrzeugzerleger. Umso eindringlicher ist der Appell des UBA: "Verkaufen Sie nur wirkliche Gebrauchtwagen und keine Autowracks als Gebrauchtwagen weiter, denn sonst könnte es sein, dass Sie eine Ordnungswidrigkeit begehen." Ein Gebrauchtwagen müsse entweder direkt betriebsbereit sein oder dürfe nur geringfügige Reparaturen benötigen. Und: Motor und Achsen dürften auf keinen Fall stark beschädigt sein.

Einen der mehr als 1100 anerkannten Demontagebetriebe findet man auf der Internetseite der GESA, der "Gemeinsamen Stelle Altfahrzeuge der 16 Bundesländer".

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