Auto-Museum:Träume aus Chrom und Rost

An diesem Wochenende wird in Hamburg das neuartige Automobilmuseum Prototyp eröffnet.

Ralf Wiegand

Wo es nach Benzin und Auspuffgasen stinken sollte, nach abgeriebenem Reifengummi oder wenigstens ein bisschen nach heißgelaufenen Bremsen, riecht es nach Bohnerwachs. Bis zum letzten Moment polieren Kolonnen von Putzexperten die hellen Fußböden in Hamburgs jüngstem Showroom, der am heutigen Samstag eröffnet. Wer zu dem Projekt in der Hafencity "Automobilmuseum" sagen würde, läge für den Geschmack seiner Väter daneben. "Wir wollen den Sprung von der doppelten Nockenwelle zur Verbindung von Automobil und Kultur schaffen", sagt Martin Schröder, Kurator der Ausstellung "Prototyp - Personen. Kraft. Wagen."

Auto-Museum: Auto-Haus: In der Hamburger Shanghai-Allee 7 stehen so unterschiedliche Exponate wie ein Porsche 356, ein Cisitalia (links dahinter), ein Jordan F1 und ein Mathé-Fetzenflitzer.

Auto-Haus: In der Hamburger Shanghai-Allee 7 stehen so unterschiedliche Exponate wie ein Porsche 356, ein Cisitalia (links dahinter), ein Jordan F1 und ein Mathé-Fetzenflitzer.

Einzelstücke, Kleinserien und Eigenbauten

Alles begann vor 15 Jahren, mit einem rostigen Kübelwagen, den Thomas König kaufte und restaurierte. Heute ist König 36 Jahre alt, Architekt und mit seinem Schwager Oliver Schmidt, 34, Besitzer der ehemaligen Gummifabrik am Lohseplatz in der Hafencity, einem der wenigen historischen Gebäude in Hamburgs neu entstehendem Hochglanz-Stadtteil. Außerdem gehören den beiden inzwischen rund 50 historische Sportwagen. Im Projekt "Prototyp - Personen. Kraft. Wagen." kommt zusammen, was zusammengehört: das Haus und die Autos. Drei Jahre dauerten Planung und Umbau, stolze 17 Millionen Euro verschlang der Ausbau des Komplexes.

Anders als althergebrachte Automobilausstellungen, meist in Großgaragen präsentierte Privatsammlungen, will Prototyp mehr bieten - und geht dabei ein gewisses Risiko ein. "Für den Autofreak haben wir hier wahrscheinlich zu wenig Autos", sagt Thomas König. Die Wagen werden in den wolkenweißen Räumen mit viel Platz präsentiert, die Ausstellung erlaubt sich Brüche. Neben den wundervollen Rundungen mehrerer chromglänzender Gründerzeit-Porsches steht als Blickfang ein rostiges Chassis eines unbekannten Rennwagens. "Den haben wir auf einen Tipp hin in einem Feld in der Lüneburger Heide gefunden", sagt Thomas König. Nun wirkt der automobile Torso in seiner neuen Umgebung wie eine Skulptur des Vergänglichen.

Träume aus Chrom und Rost

Der Untertitel der Ausstellung erklärt das Konzept. Es geht in der Hafencity nicht nur um Personenkraftwagen, sondern um die Konstrukteure, deren Energie und um die Kraft der Wagen, die sie schufen. Die Museumsmacher haben dafür ein zum Teil spektakuläres Ausstellungskonzept mit Event-Charakter umgesetzt. So gibt es zum Beispiel einen in einen historischen Porsche integrierten Fahrsimulator oder eine Audiobox, die ausgewählte Motorengeräusche abspielt, bis die Wände wackeln.

Auto-Museum: Oliver Schmidt (auf dem großen Foto rechts) und Thomas König zeigen in ihrem Museum vor allem Einzelstücke, Kleinserien und Eigenbauten.

Oliver Schmidt (auf dem großen Foto rechts) und Thomas König zeigen in ihrem Museum vor allem Einzelstücke, Kleinserien und Eigenbauten.

An Bildschirmplätzen lässt sich in der digitalisierten Sammlung von Fotoalben und Tagebüchern blättern, zu den meisten ausgestellten Fahrzeugen werden multimediale Zusatzinformationen abgespielt. Es gibt ein kleines Kino, und zu jeder vollen Stunde donnern die Motoren über ein Raumklang-Audiosystem durch die Gänge. Als Verdunklung vor den wandhohen Fenstern dienen durchscheinende, großformatige historische Rennfotos.

Multimedia muss sein

Übers Auto sagt Martin Schröder, früher Buchhändler und Automobilist: "Wenn's schön werden soll, muss man vom Fahren wegkommen." Er kann minutenlang vor einem Foto vom Nürburgring stehen, roter Rennwagen hinter gelben Blüten: "Nur am Nürburgring kann man durch Ginster fahren", sagt er. Im Keller des Hauses ist automobile Kunst dekoriert, die Ausstellung soll stetig wachsen und sich verändern.

König und Schröder zeigen in Hamburg vor allem Einzelstücke, Kleinserien und Eigenbauten, wundervoll verschlungene Entstehungsgeschichten wie die eines Kurierwagens, den Volkswagen 1942 auf Geheiß des NS-Regimes bauen sollte. Aber nur zwei Chassis wurden fertig, eines gelangte auf Umwegen zu einem englischen Sergeant, zurück nach Deutschland, wo es eine Karosserie Marke Eigenbau erhielt.

Träume aus Chrom und Rost

Die Ausstellung zeigt einen Zahn der Rennfahrer-Legende Bernd Rosemeyer, den der bei seiner ersten Wettfahrt verlor. Der älteste existierende Porsche-Motor der Welt ist ebenso zu sehen wie ein schwarzer Porsche 356 mit der Fahrgestellnummer 5047 - das älteste bekannte Coupé aus Stuttgarter Produktion.

Zur Ausstellung gehört auch der Jordan, mit dem der spätere Weltmeister Michael Schumacher am 25. August 1991 im belgischen Spa die ersten 400 Meter seiner Formel-1-Karriere fuhr - um alsbald mit Kupplungsschaden liegenzubleiben. Und zum ersten Mal in Deutschland zu sehen: der Cisitalia 360, ein 1946 vom italienischen Industriellen Piro Dusio bei Porsche in Auftrag gegebenes Rennauto, das nie bei einem Rennen eingesetzt worden ist.

Weiteres Wachstum ist fest eingeplant

100.000 Besucher jährlich braucht die Ausstellung, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Darüber hinaus soll die Sammlung als eine Art automobiler Wissensfundus dienen. Die umfangreichen Foto- und Textarchive stünden Wissenschaftlern offen, sagt Kurator Schröder. Zur Premiere hatte das Museum einen Wettbewerb ausgeschrieben und Fotografen drei Tage lang die menschenleeren Hallen mit ausgewählten Wagen überlassen. Heraus kamen wundervolle Ansichten automobiler Kunst.

Im besten Fall, hofft Thomas König, wird sich das Prinzip Prototyp ständig entwickeln und verändern. Denn Prototyp sei selbst der Prototyp eines Ausstellungskonzeptes. Die Pläne für die Museums-Erweiterung sind jedenfalls schon fertig.

Weitere Informationen unter: www.prototyp-hamburg.de

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