VW-Diesel mit manipulierten Emissionswerten sind zuerst in den USA aufgefallen. Jetzt nehmen die dortigen Behörden auch die 3,0-Liter-Sechszylinder-Diesel von Audi in die Mangel. Man kann darauf warten, dass auch die V6-Diesel von Porsche in den Sog des Skandals geraten. Warum sind diese Manipulationen in Deutschland nicht schon viel früher aufgefallen? Dafür gibt es verschiedene Gründe, einer davon ist die Typgenehmigung: Hier werden unter anderem die Verbrauchs- und Emissionswerte eines neuen Fahrzeugs ermittelt. Um bei beidem gut dazustehen, tricksen die Hersteller nach allen Regeln der Kunst. Ganz legal versteht sich.
Die Hersteller haben nach dem Gesetz verschiedene Möglichkeiten, ihre Fahrzeuge vorab so zu konditionieren, dass sie auf dem Prüfstand Fabel-Verbrauchswerte erreichen. So sparsam kann anschließend kein Normalfahrer mit einem Serienauto fahren. Kein Wunder, denn wer würde schon seine Reifen mit einem Druck weit über der vom Hersteller empfohlenen Maximalgrenze befüllen? Genauso merkwürdig wäre es, sämtlich Fugen am Fahrzeug abzukleben oder die Lichtmaschine stillzulegen, um einen höheren Verbrauch durch die Ladeleistung des Generators zu verhindern.
NEFZ-Verbrauchsmessung:Tricksen für den Normverbrauch
Die Schere zwischen der Normangabe und dem tatsächlichen Verbrauch geht bei vielen Autos weit auseinander. Schuld ist der veraltete Testzyklus, der leicht zu überlisten ist. Doch Besserung ist in Sicht.
Der neue Test soll realistischer sein
Diese und weitere Spritspar-Tricks sind bei Typgenehmigungstests in Europa erlaubt. Dagegen machen Umweltverbände seit Jahren Front ( SZ berichtete). Durch die Einführung eines neuen Fahrzyklus sollen derlei Tricks möglichst bald beendet werden. Der so genannte Worldwide harmonized Light vehicles Test Cycle (WLTC) schränkt die Gestaltungsspielräume der Hersteller bei der Typgenehmigung ihrer Fahrzeuge deutlich ein. Experten gehen davon aus, dass die Verbräuche beim WLTC gegenüber dem NEFZ-Zyklus um bis zu 25 Prozent ansteigen werden. Vorausgesetzt der neue Zyklus tritt wie geplant in Kraft.
Skandal aus heiterem Himmel? Die Missstände in Sachen Abgas waren Experten längst bekannt
Denn laut LobbyControl und anderer Quellen existiert ein internes Papier, in dem sich die Bundesregierung darauf festgelegt hat, die Einführung des neuen Testzyklus von 2017 auf 2021 zu verschieben. Das entspricht der Position, welche die deutsche Automobilindustrie auch über den europäischen Herstellerdachverband ACEA gefordert hat.
Der Vorwurf eines zu engen Schulterschlusses zwischen Regierung und Automobilindustrie ist seit einigen Tagen auch Anlass für eine Auseinandersetzung zwischen dem TÜV Nord und dem Bundesverkehrsministerium. Guido Rettig, Chef der Prüforganisation aus Hannover, die einen Großteil der aktuell beanstandeten Typgenehmigungen für Volkswagen durchgeführt hat, reagierte mit scharfer Kritik auf den unterschwelligen Vorwurf, seine Prüfer hätten die Softwaremanipulationen von Volkswagen bemerken müssen. Rettig konterte, dass man seit Jahren von der Politik fordere, auch Motorsteuergeräte und Software im Rahmen des Genehmigungsverfahrens überprüfen zu dürfen. Diese Forderung sei von den Automobilherstellern stets mit dem Hinweis auf Betriebsgeheimnisse abgelehnt worden. Auch die zuständigen Ministerien seien der Argumentation der Hersteller bedingungslos gefolgt.
Ob sich daran künftig etwas ändert, ist fraglich. Denn die Lobbyarbeit der Automobilhersteller war in der Vergangenheit gründlich. Auch bei der periodischen Abgasüberwachung hat die Industrie ihren Einfluss geltend gemacht und dafür gesorgt, dass bei Fahrzeugen mit Onboard-Diagnosesystem (OBD) ab Erstzulassung 2006 nur noch in Ausnahmefällen die Abgaskonzentration am Endrohr gemessen wird. Stattdessen vertraut man auf die fahrzeuginterne Elektronik und überlässt ihr das Aufspüren von Grenzwertüberschreitungen bei den Abgaswerten. Die von den Herstellern programmierten OBD-Systeme führen keine echte Abgasmessung durch, sondern bestimmen anhand von Parametern, Modellrechnungen und Wahrscheinlichkeiten, ob das Abgasverhalten eines untersuchten Fahrzeugs in Ordnung ist oder nicht. Und was das System sagt, kommt in den Prüfbericht.
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Wie unzuverlässig OBD-Systeme Abgasgrenzwertüberschreitungen detektieren, wurde in mehreren Studien, unter anderem von BaSt, CITA oder der EU-Kommission (TEDDIE-Studie) nachgewiesen. Alle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass die Kombination aus OBD-System und Abgasmessung am Endrohr die sicherste Methode ist, um Luftverschmutzer zuverlässig aus dem Verkehr zu ziehen. "In der aktuellen Form ist die Abgas-Untersuchung sinnlos", sagt Harald Hahn, Präsident des Bundesverbands der Hersteller und Importeure von Automobil-Serviceausrüstungen (ASA). Die gesetzlichen Grenzwerte seien derart hoch, dass sich derzeit eigentlich jede Prüfung erübrige. Das führt laut ASA unter anderem dazu, dass viele OBD-Dieselfahrzeuge die aktuellen AU-Grenzwerte selbst dann unterschreiten, wenn vor der Abgasmessung der Rußpartikelfilter entfernt wird.
Es gibt längst genauere Messgeräte
Dabei wäre die Messtechnik zur Überwachung deutlich strengerer Grenzwerte verfügbar. Der ASA selbst hatte 2010 gemeinsam mit Prüforganisationen den Anstoß für die Entwicklung einer neuen Generation von Abgasmesssystemen (Opazimeter II) gegeben. Die neue Technik ist hundertmal präziser als die AU-Geräte der alten Generation. Sie findet auch kleinste (Ruß-)Partikel im Abgas, die als besonders gesundheitsgefährdend gelten, weil sie über die Lunge direkt ins Blut gelangen.
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Doch die Anstrengungen des Verbandes waren nutzlos. Man konnte sich lediglich auf den so genannten Plakettenwert einigen. Diese AU-Grenzwerte schaffen viele moderne Diesel auch ohne Partikelfilter problemlos. Die nächsten Monate werden zeigen, ob die Politik insbesondere das Verkehrsministerium seine Ankündigung, alle Systeme rund um Fahrzeugzulassung und -überwachung auf den Prüfstand zu stellen, in die Tat umsetzt. Oder ob wir auch künftig mit Fehlern im System leben müssen.