Auto aus der Ferne gehackt:Der Fahrer ist machtlos

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Mitten auf einem Interstate-Highway im Mittleren Westen der USA schalten die Hacker den Motor aus und lassen das Auto ausrollen (Symbolbild). (Foto: Patrick T. Fallon/Bloomberg)
  • Computerexperten ist es gelungen, sich kabellos in ein Auto zu hacken.
  • Aus mehreren Kilometern Distanz gelangten sie über das Infotainmentsystem in das Auto und legten den Motor lahm.
  • Auf einer Hacker-Konferenz wollen sie demonstrieren, wie die Aktion funktionierte - und damit die Autoindustrie wachrütteln, die Computersysteme besser vor Angriffen schützen soll.

Von Thomas Harloff

Hacker-Konferenzen wie die Def Con oder Black Hat interessierten Automanager und -ingenieure bislang nur am Rande. Wenn überhaupt. Die Welten der IT-Experten, deren besonderes Anliegen die Sicherheit von Computersystemen und Netzwerken ist, und von Menschen, die sich um das klassische Benzin-Business kümmern, scheinen oberflächlich betrachtet weit auseinander zu liegen. Doch spätestens auf der Hacker-Konferenz Black Hat USA vom 1. bis 6. August in Las Vegas werden beide Welten zusammengeführt - von Charlie Miller und Chris Valasek.

Die beiden Computerexperten haben es sich zur Aufgabe gemacht, Autos zu hacken. Aber nicht zum Selbstzweck oder um an sensible Daten zu gelangen oder jemandem zu schaden. Sie wollen nach eigenen Angaben eine Industrie aufrütteln, die sich immer stärker in digitale Gefilde begibt, aber aus ihrer Sicht zu wenig tut, um die Computersysteme ihrer Autos vor Angriffen von außen zu schützen. Auf der Black Hat USA werden sie berichten, wie es ihnen inzwischen mehrfach gelungen ist, Autos Befehle zu geben, obwohl sie nicht am Steuer saßen. Obwohl sie nicht am Lenkrad drehten oder Pedale bedienten. Obwohl sie lediglich auf den Tastaturen ihrer Laptops herumtippten.

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2013 brauchten sie noch ein Kabel

Schon 2013 gelang ihnen das bei einem Ford Escape, dem amerikanischen Pendant des Kompakt-SUV Kuga, und bei dem Hybrid-Japaner Toyota Prius. Damals saßen sie mit ihren Laptops im Fond der Autos, während sie diese fernsteuerten und der Fahrer Andy Greenberg, seinerzeit Redakteur des Forbes-Magazins, nichts gegen die Bevormundung vom Rücksitz tun konnte. Ihr Kalkül: Wenn die Hersteller sehen, wie schlecht geschützt ihre Produkte gegen Hacker-Attacken sind, würden sie schnell deren Sicherheit in diesem Bereich erhöhen.

Doch die Reaktionen der Autobauer enttäuschten Miller und Valasek. "Unsere Wirkung auf die Hersteller war nicht so, wie wir das gewollt haben", sagte Miller kürzlich dem Wired Magazine. Die Industrie spielte ihre Aktion herunter, weil der Hack aus ihrer Sicht einen Makel hatte: Die Computerfachleute mussten ihre Laptops über den Diagnosestecker, mit dem Mechaniker eigentlich elektronisch im Auto hinterlegte Fehlermeldungen abrufen, mit den Fahrzeugen verbinden, um sie zu manipulieren. Das Argument: Solange das Werkzeug, über das sich ins Auto gehackt werden soll, physisch mit ihm verbunden sein muss, seien die Autos sicher. Damit motivierten sie Miller und Valasek, weiter zu forschen - um kabellos Herr über ein Auto zu werden.

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Beim Jeep Cherokee ist es besonders einfach

Als der Ehrgeiz der beiden erst einmal geweckt war, ging es recht schnell. Miller und Valasek erstellen eine Liste der Autos, die sie für besonders unsicher hielten. Das aus ihrer Sicht am einfachsten zu hackende Auto, einen Jeep Cherokee, besorgten sie sich. Als offene Tür ins elektronische Herz des Geländewagens erwies sich sein Uconnect-System, das das Infotainment steuert.

Uconnect bündelt nicht nur viele elektronische Fahrzeugfunktionen wie Navigation oder die vorhandenen Musikmedien, sondern dient auch als Schnittstelle zu den Smartphones und Tablets der Insassen und auf Wunsch als WLAN-Hotspot. Es hat damit eine eigene IP-Adresse, also jene Zahlenfolge, die im Internet aktiven Geräten zugewiesen und diese eindeutig identifizierbar macht. Wegen eines ungeschützten Elements, das die Hacker erst auf der Konferenz konkret benennen wollen, ist es ihnen zufolge möglich, von überall in den Vereinigten Staaten Kontrolle über den Jeep zu erlangen. Es sei ihnen schon gelungen, von Pittsburgh aus die Scheibenwischer des Jeeps zu aktivieren, der sich zu diesem Zeitpunkt in St. Louis befand - also aus knapp 1000 Kilometern Entfernung.

Was Miller und Varasek mit ihren Laptops anstellen können, haben sie nun abermals demonstriert - und wieder war Greenberg, inzwischen Redakteur beim amerikanischen Technik-Magazin Wired, der machtlose Fahrer des Autos. Es beginnt eher harmlos: Der Jeep dreht erst seine Klima- und dann die Soundanlage voll auf und aktiviert die Sitzkühlung, während die Hacker daheim auf der Couch sitzen und Greenberg meilenweit von ihnen entfernt auf der mehrspurigen Autobahn unterwegs ist. Daraufhin nimmt der Wagen dem Fahrer die Sicht, indem er plötzlich Wischwasser auf die Windschutzscheibe spritzt und die Scheibenwischer startet. Schließlich schalten die Hacker den Motor aus und lassen das Auto ausrollen - mitten auf der Interstate.

All das konnte Greenberg während seiner Fahrt nicht beeinflussen. Er hat die Funktionen nicht aktiv eingeschaltet und auch nicht selbst den Motor gestoppt. Er konnte aber auch nichts gegen den Angriff tun. Was er auch unternahm, um die Kontrollübernahme von außen abzuwehren, es funktionierte nicht.

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Später demonstrieren Miller und Varasek auf einem leeren Parkplatz sogar, dass sie mit ihren Computern in die Lenkung eingreifen und die Bremsen außer Betrieb setzen können.

Die Hacker legen sogar die Mechanik lahm

Welche Macht sie mit ihren Laptops über die Autos - sie selbst gehen in den USA von etwa 471 000 gefährdeten Jeep-Modellen aus - ausüben können, ist den Hackern selbst nicht ganz geheuer. "Als ich sah, dass wir es überall und nur über das Internet tun können, flippte ich aus", wird Valasek bei Wired zitiert. "Ich hatte Angst. Heilige Scheiße, es funktioniert bei einem Fahrzeug auf einer Autobahn mitten im Land. Das Hacken von Autos wurde in diesem Moment real."

Seine große Problematik entfaltet der Hack dadurch, dass die Konnektivitätsmöglichkeiten zwischen Autos und Smartphones oder Tablets immer vielfältiger werden. Kaum noch ein neues Modell, dass nicht die Möglichkeit bietet, es als mobilen WLAN-Hotspot zu nutzen oder Telefone und Computer mit ihm zu verbinden, um deren Funktionen über das Infotainmentsystem des Autos bedienen zu können. Sorgenvoll stimmt zudem, dass die Manipulation der digitalen Systeme auf die mechanischen Systeme des Jeeps übergreifen konnte. Möglich macht das der sogenannte CAN-Bus, der die vielen elektronischen Steuergeräte miteinander verbindet, die wiederum inzwischen fast alle mechanischen Komponenten beeinflussen. Wer also die Macht über das Rechenzentrum erlangt, hat inzwischen das komplette Auto im Griff.

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Ihre Wirkung verfehlt die Aktion nicht: Jeep hat kürzlich ein Update für sein Uconnect-System veröffentlicht - und Miller hat via Twitter verbreitet, dass es die Sicherheitslücke geschlossen habe:

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Doch man kann davon ausgehen, dass die Hacker schon die nächste offene Tür suchen. Vielleicht in einem anderen Auto, vielleicht mit einer anderen Methode. Und man kann sicher sein: Das Katz-und-Maus-Spiel mit den Hackern, das die IT-Industrie schon jahrelang begleitet, fängt in der Autobranche gerade erst an.

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