Auslaufmodell Bugatti Veyron:Pro verkauftem Renner 4,7 Millionen Euro Verlust

  • Nach zehn Jahren endet die Produktion des Bugatti Veyron. Auf dem Autosalon in Genf steht das letzte Modell, der Bugatti Veyron 16.4 Grand Sport Vitesse "La Finale".
  • Der Veyron war für Volkswagen vor allem ein Prestigeobjekt. Geld verdiente der Konzern mit dem Sportwagen nie. Pro verkauftem Veyron machte VW 4,7 Millionen Euro Verlust.
  • Der Nachfolger "Chiron" kommt 2015/2016. Er soll bis zu 1500 PS haben.

Von Felix Reek

"Die Welt ist total verschwommen", schreit Journalist James May, als er mit dem Bugatti Veyron Tempo 300 erreicht. Sein Blick ist starr nach vorne gerichtet, seine Hände liegen verkrampft auf dem Lenkrad. Er, der in der britischen Auto-Sendung Top Gear die Stimme der Vernunft ist, der den Spitznamen "Captain Slow" trägt - dieser May will die offizielle Höchstgeschwindigkeit des Bugatti Veyron ausloten. 407 Kilometer in der Stunde.

"Ich nähere mich dem Maximum, das heißt ab jetzt halten die Reifen nur noch 15 Minuten durch", sagt er in die Kamera. "Aber das ist schon okay, weil mir der Sprit in zwölf Minuten ausgeht." Ein breites Grinsen. Schließlich erreicht er die magische Zahl. 407. "Unglaublich. Ich habe sogar Tränen in den Augen."

2008 war das, ein Beitrag in einer Show, in der Herren in den mittleren Jahren wie Schuljungen kreischen, wenn sie mal wieder mit einem PS-Geschoss über die hauseigene Rennstrecke driften. Nur einer bleibt immer ruhig: James May. Tränen der Freude sieht man in seinen Augen nie, selbst wenn er über praktische und günstige Kleinwagen doziert. Es musste erst ein Auto der Superlative kommen, um selbst den Vernünftigsten seiner Vernunft zu berauben.

Das automobile Sahnehäubchen

BUGATTI VEYRON 16.4 auf der IAA

Der Bugatti Veyron 16.4 bei seiner Vorstellung auf der IAA 2003.

(Foto: DPA/DPAWEB)

Als VW-Chef Ferdinand Piëch 1999 die ersten Ergebnisse seiner Idee eines Supersportwagens präsentierte, da hielt man ihn für nicht weniger als verrückt. Ein Jahr zuvor hatte der Wolfsburger Konzern die Namensrechte an Bugatti erworben, dem Nobelhersteller, der vor allem in den Jahren zwischen 1910 und 1939 im elsässischen Molsheim Luxus-Sportwagen herstellte, die begehrtesten Automobile jener Zeit. Der legendäre Ruf überdauerte die Jahrzehnte und passte gut zu Piëchs Plänen, für VW das Luxussegment zu erschließen. Der Phaeton sollte von BMW und Mercedes Kunden abwerben, Bentley die Besserverdienenden darüber ansprechen, - und Bugatti, das war das automobile Sahnehäubchen, eine Marke, mit deren Strahlkraft sich nur Maybach und Rolls-Royce messen können.

Die Vorgaben für das neue Auto waren so klar wie phantastisch: mehr als 1000 PS, schneller als 400 km/h, in unter drei Sekunden von null auf hundert und trotzdem "mit Komfort und Stil vor die Oper fahren". Das stellte sich schwieriger dar, als gedacht. Moderne Autos bedienen sich meist aus dem Baukasten eines Konzerns, verwenden die gleichen Getriebe, Motoren und andere Teile. Doch die sollen in der Regel keine Geschwindigkeiten von mehr als 400 Kilometer in der Stunde erreichen. Für den Bugatti Veyron musste also alles neu konstruiert werden.

So begleitete die Entwicklung des Sportwagens zunächst eine nicht enden wollende Pannenserie. Mal hob der Wagen ab, dann überhitzte der Motor. Das Chassis war wenig windschnittig, bedingt durch die traditionelle Designsprache von Bugatti. Allein an der Entwicklung des Getriebes arbeiteten 30 Ingenieure über einen Zeitraum von drei Jahren. Michelin brauchte fünf Jahre, um einen Reifen zu konstruieren, der den extremen Belastungen standhielt. Zwar zeigte VW ab 1999 Studien des Sportwagens, der Serienstart verzögerte sich aber immer wieder.

Zehn Kühler für 1001 PS

Der Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse "La Finale" auf dem Autosalon Genf

Der Bugatti Veyron Grand Sport Vitesse "La Finale" ist der letzte seiner Art. Nach 450 Sportwagen kommt 2015/2016 der Nachfolger.

(Foto: REUTERS)

2005 kam der Veyron endlich auf den Markt. 1001 PS, ein fast zwei Tonnen schweres Monstrum mit 16 Zylindern und einem Acht-Liter-Aggregat, das den Sportwagen auf bis zu 407 km/h beschleunigt. Zehn Kühler sind nötig, um die Motortemperatur zu halten, einer dieser Kreisläufe ist nur dazu da, dass der Veyron im Stau nicht überhitzt. Ein absolut herausragendes Stück Technik, das Werk von Besessenen im Grenzbereich zwischen Genie und Wahnsinn, ausgefeilt bis ins kleinste Detail.

Einfach zum Händler gehen und einen Bugatti kaufen, konnte aber niemand. Der ehemalige Chef der VW-Tochter Thomas Bscher erklärte 2004, "man werde keine Autos bauen, die nicht bestellt sind". Ganz wie einst beim historischen Vorfahren gab es den Bugatti Veyron ab 2005 nur als Einzelstück, abgestimmt auf die kostspieligen Vorlieben des Käufers. Kristallglas, Porzellan, Gold, Platin, besondere Holzarten, kein Wunsch sollte unerfüllt bleiben. Ein Auto, für das der Begriff "dekadent" untertrieben ist.

Die Käufer ließen trotzdem nicht lange auf sich warten. 2,3 Millionen Euro gaben sie im Schnitt für den Sportwagen aus. Unter ihnen Schauspieler Arnold Schwarzenegger und Designer Ralph Lauren. Boxer Floyd Mayweather erwarb gleich drei. Und parkte sie für ein Bild, das er dann beim Fotodienst Instagram hochlud, vor seinem Privatjet.

450 Exemplare wurden seitdem produziert, 300 Coupés und 150 Cabrios. Der letzte seiner Art, das Sondermodell Bugatti Veyron 16.4 Grand Sport Vitesse "La Finale", steht derzeit auf der Messe in Genf. Er ist bereits an einen Sammler aus dem Nahen Osten verkauft.

4,7 Millionen Euro Verlust pro Auto

Geld hat VW mit dem Sportwagen indes nie verdient. Bernstein Research, ein Analyseunternehmen an der Wall Street, ermittelte 2013, dass die Wolfsburger mit jedem verkauften Veyron 4,7 Millionen Euro Verlust machen. Das sei aber von Anfang an klar gewesen, so Ex-Bugatti-Chef Thomas Bscher. Es gehe nicht um Gewinn, sondern "um den Erhalt der Marke und ums Prestige". Der Veyron solle die "technische Kompetenz" des VW-Konzerns beweisen, fügte später Piëchs Nachfolger Bernd Pischetsrieder hinzu.

Während sich andere Hersteller in der Formel 1 austobten, bauten die Wolfsburger einen Rennwagen, der nicht einmal eine Rennstrecke benötigt. Ein kostspieliges Unterfangen, nur um das Markenimage zu verbessern und die technischen Fähigkeiten des Konzerns zu beweisen. Trotzdem, der Erfolg gab VW recht: 2010 erreichte der Bugatti Veyron Super Sport mit 1200 PS eine Geschwindigkeit von 431,072 Kilometer in der Stunde und ist seitdem das offiziell schnellste Serienauto der Welt.

Mit dem letzten der 450 Exemplare verschwindet dieses Rekordauto jetzt irgendwo in den Fuhrparks einiger Sammler. Ein Fahrzeug, das sich Begriffen wie "Vernunft" vollkommen entzieht, weil es keinen "Sinn" haben kann. Der Bugatti Veyron ist ein Exot, ein geradezu schwachsinniges Fahrzeug.

1200 PS, zehn Mal so viel, wie ein Durchschnittsauto heute auf die Straße bringt. Umwelt- und Verbrauchswerte, die man sich besser nicht zu genau durchliest. Aber es erfüllt einen essenziellen Zweck: zu beweisen, wozu der Mensch in der Lage ist. Oder wie es James May am Ende seiner Hochgeschwindigkeitsfahrt auf den Punkt bringt: "Dinge zu tun, von denen man dachte, sie wären nicht möglich".

In diesem Sinne hat der Veyron seine Schuldigkeit getan. Ende 2015, Anfang 2016, will Bugatti den Nachfolger auf den Markt bringen. Der Chiron soll 1500 PS leisten und bis zu 460 Kilometer in der Stunde schnell sein. Noch unglaublichere Werte für ein Auto, das keinen praktischen Nutzen besitzt. Aber eben auch: eine neue Auslotung dessen, was möglich ist.

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