Autonom durch die Stadt:Tschüss Stau

autonome Shuttle-Fahrzeuge von ZF. Copyright: ZF

Rollende Gondelbahn: Magnete im Boden helfen dem autonomen Shuttle exakt die Spur zu halten.

(Foto: ZF Group)

Warum mit dem Auto unterwegs sein, wenn man im fahrerlosen Bus schneller ans Ziel kommt? Die Bahn-Tochter DB Regio will bis 2030 zehntausend selbststeuernde Fahrzeuge auf die Straße bringen.

Von Joachim Becker

Die barocke Altstadt von Passau ist beliebt, aber bekannt für gute Luft ist sie nicht. 48-mal am Tag fährt der Citybus durch die engen Gassen in Donaunähe, vorbei an historischen Häusern und Straßencafés. Die Anwohner fordern schon lange eine Alternative zu den lärmenden und stinkenden Dieselbussen. Statt kleiner, smarter Lösungen hat die verwinkelte Dreiflüsse-Stadt in den vergangenen Jahren jedoch größere Gelenkbusse angeschafft, die mehr Passagiere pro Fahrer befördern können. Das senkt die Kosten, hilft den Anwohnern aber wenig.

Die Verkehrsminister aller Bundesländer wollen die Fahrgastzahlen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) bis zum Jahr 2030 verdoppeln. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, weiß aber keiner so genau. Viele Kommunen haben schon genug Probleme mit der Elektrifizierung ihrer Busflotten. Die Planung neuer U- und Straßenbahn-Strecken dauert viel zu lange und ist im Falle der U-Bahn auch extrem teuer. "Neu eingerichteter qualitativ hochwertiger Busverkehr wird mit einem kurz- bis mittelfristigen Realisierungshorizont (zwei bis acht Jahre) oft die zu präferierende Alternative werden", schrieb Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter im August. Wo die Fahrer für die zusätzlichen Busse herkommen, verriet er nicht.

Durch die Wachstumsziele der Branche und altersbedingte Personalabgänge müssen bis 2025 bereits 50 000 Fachkräfte neu eingestellt werden. Viele Stellen ließen sich schon jetzt nicht mehr besetzen, beklagt der Verkehrsverband VDV. Mit dem autonomen Fahren am Horizont wird es nicht leichter, Nachwuchs zu rekrutieren. Die Entwicklung von Roboter-Taxis geht zwar schleppender voran, als vielfach angekündigt. Tesla nennt immer neue Einführungstermine für das "Full Self Driving", tatsächlich glauben aber immer weniger Kunden daran: Die Bestellungen sind in den vergangenen zwei Jahren von 46 auf elf Prozent weltweit zurückgegangen. Momentan ist der vermeintliche Autopilot nur ein aufgemotztes Assistenzsystem, das sich Tesla mit 7500 Euro fürstlich bezahlen lässt.

Autonom durch die Stadt: Ein Tesla mit der sogenannten Lidar-Krone: Zu Anfang des Jahres wurde ein mit Firmenkennzeichen ausgerüstetes Tesla Model Y im US-Bundesstaat Florida entdeckt.

Ein Tesla mit der sogenannten Lidar-Krone: Zu Anfang des Jahres wurde ein mit Firmenkennzeichen ausgerüstetes Tesla Model Y im US-Bundesstaat Florida entdeckt.

(Foto: gbrulte/Twitter)

Das autonome Fahren hat den Höhepunkt im Hype-Zyklus überschritten, auch wenn Sensoren und die Rechenleistung der Computer-Chips weiter rasche Fortschritte machen. Anfang des Jahres hat Tesla die von Elon Musk geschmähten Lidar-Sensoren im Vergleich zur eigenen, ausschließlich Kamera-basierten Lösung getestet - und damit in Internet-Foren für Aufsehen gesorgt. Aber alle Lösungen sind noch fehlerbehaftet, deshalb braucht die Technik vernünftige Leitplanken für den Ersteinsatz. Dazu gehören etwa Magnete im Boden, die dem autonomen Shuttle bei der Spurführung helfen und eine Höchstgeschwindigkeit von zunächst 40 km/h - was in vielen Ballungsräumen über dem üblichen Durchschnittstempo liegt.

Passau gehört zu den Pionierstädten, die ihren Bürgern schon bald autonome Shuttledienste anbieten wollen. Im Juli genehmigte der Stadtrat einstimmig 100 000 Euro für eine detaillierte Streckenplanung auf der Trasse der historischen "Granitbahn". Stillgelegte Schienentrassen eignen sich besonders gut, um fahrerlose Busse in der Stadt möglichst bald gefahrlos einzusetzen: Im Gegensatz zu Robo-Taxis, die sich als reguläre Teilnehmer durch den überlasteten und mitunter chaotischen Straßenverkehr bewegen müssen, haben die fahrerlosen Busse auf der abgetrennten Fahrbahn vergleichsweise leichtes Spiel: Die Übergänge für andere Verkehrsteilnehmer sind genau geregelt, eine Funkverbindung mit den betroffenen Ampeln lässt sich zügig installieren. "Wir brauchen 18 Monate für die Entwicklung", gibt Jochen Benz, der für dieses Projekt zuständige Geschäftsleiter des Automobilzulieferers ZF, einen überraschend optimistischen Ausblick.

autonome Shuttle-Fahrzeuge von ZF. Copyright: ZF

Bus-Terminal ohne Busfahrer: So stellt sich der Systemanbieter ZF die Zukunft des Nahverkehrs vor - mit kleineren Bussen, die in einer höheren Taktfrequenz fahren.

(Foto: ZF Group)

Es könnte ein Paradigmenwechsel sein - auch für den Automobilzulieferer ZF, der nun auch zum Anbieter von Shuttle-Komplettsystemen wird: Das neue ÖPNV-Angebot, das auf Fahrer verzichtet, lässt sich laut ZF zu deutlich geringeren Kosten realisieren als etwa die Reaktivierung elektrischer Schienenfahrzeuge. Zudem sind relativ kleine Transportgefäße mit hoher Taktung und Pünktlichkeit für die Nutzer attraktiver als große Gelenkbusse, die eher selten fahren. Dadurch steigt die Akzeptanz in der Bevölkerung, und die Pkw-Dichte in Innenstädten nimmt potenziell ab.

"Viele Autofahrer lassen sich nur zum Umstieg bewegen, wenn sie mit dem ÖPNV nicht wesentlich länger brauchen als mit dem eigenen Pkw", betont das Mobility Institute Berlin (mib). Mit ihrem Reisezeit-Index zeigen die Forscher, dass Autofahrer selbst in deutschen Stauhauptstädten wie München, Berlin und Hamburg im Durchschnitt doppelt so schnell unterwegs sind als mit dem ÖPNV. Mehr Direktverbindungen könnten das zeitraubende Umsteigen überflüssig machen. Doch dafür fehlen nicht nur das rollende Material, sondern auch die zusätzlichen Berufskraftfahrer und letztendlich das Geld: "Die bisherigen finanziellen Rahmenbedingungen ermöglichen es dem ÖPNV nicht, seinen möglichen Klimaschutzbeitrag durch die Verdoppelung der Nachfrage zu leisten", beklagt Münchens OB Dieter Reiter als Sprecher der MVV-Verbundlandkreise.

Schon 2024 könnten auf der Strecke der Passauer Granitbahn führerlose Elektro-Pendelbusse für bis zu 22 Passagiere unterwegs sein. 2026 soll eine zweite automatisierte Strecke vom Hauptbahnhof zum Uni-Klinikum durch die Innenstadt führen. Dass Passau keine Einzellösung ist, macht der Projektpartner DB Regio Bus klar: "Wir integrieren bereits heute autonome Fahrzeuge in den Nahverkehr und bringen so die Mobilitätswende und den Klimaschutz aktiv voran", sagte Frank Klingenhöfer. Bis zum Jahr 2030 will der Vorstand DB Regio Bus 10 000 autonome Shuttlefahrzeuge in Deutschland einsetzen, bis 2035 sieht er einen bundesweiten Bedarf von über 30 000 fahrerlosen Bussen.

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