Audi urban concept:Weniger ist mehr

Wie viel Auto werden wir morgen noch brauchen? Wie baut man ein Elektroauto? Muss es überhaupt ein herkömmliches Modell sein? Jeder Hersteller versucht schon heute, Antworten für morgen zu geben. Audi glaubt, zumindest eine gefunden zu haben.

Günther Fischer, Frankfurt

Auftritt Ruper Stadler, Vorstandsvorsitzender von Audi: "Nein, wir haben uns nicht im Datum geirrt." Zwei Tage vor dem Beginn der offiziellen Pressetage der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt trommelt er mit dem gesamten Audivorstand für eine Konzeptstudie. "Sie wissen, dass wir uns alle die gleiche Frage stellen: Wie sieht urbane Mobilität im Jahr 2020 aus? Endgültige Antworten haben wir nicht, aber eines steht fest: Weniger ist mehr."

Dann fährt ein Fahrzeug auf die Bühne, das zwar vier Räder, aber sonst auf den ersten Blick nicht viel mit einem herkömmlichen Auto gemein hat: das Audi urban concept. Das Gefährt weist Elemente eines Rennwagens, eines Roadster, eines Fun-Cars und eines Citymobils auf und erinnert - vor allem in der Spyder-Ausführung - noch am ehesten an frühere Audi-Union-Rennwagen.

Das Dach des "Kabinenrollers" gleitet zurück und Audi-Technikvorstand Michael Dick klettert heraus. Auch er stellt ähnliche Fragen wie Stadler: "Wie viel Auto ist nötig, um Fahrspaß und urbane Mobilität auf eine ganz neue Weise zu realisieren?"

Nicht viel, so scheint es. Immer wieder diskutieren Architekten, Zukunftsforscher und Stadtplaner über die kommenden Megacities und die Frage, welche Rolle individueller Verkehr darin noch spielen wird. "Und das kommt dabei heraus, wenn Ingenieure und Designer bei solchen Gesprächen gründlich zuhören und dann einfach mal drauf los tüfteln", so Dick.

Herausgekommen ist: ein 1,19 Meter hohes und 3,20 Meter langes Concept Car mit frei stehenden Rädern, das inklusive Batterien nur 480 Kilogramm auf die Waage bringt. "Das Gewicht ist ein entscheidender Faktor, wenn es um die Reichweite von Elektroautos geht", so Dick. "Ist ein Auto leichter, dann kann auch die Batterie kleiner und leichter werden. Was dann wieder das gesamte Fahrzeug leichter macht."

Im Falle des Urban Concept wiegt die Batterie noch 90 Kilogramm, mit einer Ladung sollen im europäischen Normverbrauch rund 73 Kilometer möglich sein. Um dieses geringe Gewicht zu ermöglichen, haben die Designer und Ingenieure auch allerhand weggelassen: Es gibt keine Türen, keine Klimaanlage, kein Armaturenbrett. Weniger ist mehr. Hinzu kommen Audi-typische Leichtbauelemente: eine Fahrgastzelle aus Aluminium und diverse Bauteile aus Kohlefasern.

Gäb's eine brauchbare Infrastruktur, wär's ein schönen Stadtauto

Die Batterie kann 7,1 kWh speichern, womit der Zweisitzer laut Audi eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h schafft und bis zu 73 Kilometer weit kommt - was für die meisten Pendlerbedürfnisse und städtische Wege ausreichen sollte. Zumal der Akku in 20 Minuten voll aufgeladen werden kann - wenn man 400 Volt starken Drehstrom zu Verfügung hat. An einer 230-Volt-Steckdose soll es nur eine Stunde dauern, auch Induktionsladung soll möglich sein (AWC - Audi Wireless Charging).

Eingebaut ist der elektrische Kraftspender quer hinter den Sitzen. Die beiden Elektromotoren der Studie produzieren gemeinsam 15 kW (20 PS) Dauerleistung sowie 47 Nm Drehmoment. Damit beschleunigt das Audi Urban concept aus dem Stand in sechs Sekunden auf Tempo 60 - genug für nette Ampelsprints in der Stadt.

Es wirkt zwar etwas kurios, dass Fahrer und Beifahrer über die Seitenwände einsteigen müssen, aber dank einiger hilfreicher Details (Haltegriffe, eine Aussparung im Fahrersitz) ist es aber nicht weiter schwierig. Der Beifahrersitz ist zudem um 30 Zentimeter nach hinten versetzt, damit in dem schmalen Innenraum genügend Platz für die Schulter und Arme von zwei Menschen bleibt.

Ob dieses Concept Car je in Serie gehen wird? Darauf gibt Audi natürlich keine Antwort. Aber selbst wenn: In allen deutschen Städten mangelt es an Infrastruktur. Wo sind all die Steckdosen, die in Zukunft sicherlich gebraucht werden? Nicht jeder hat eine Garage zur Verfügung.

Sicher, die geplante Induktionsladung (d.h. eine Induktionsspule befindet sich im Unterboden des Fahrzeugs, das passende Gegenstück auf dem Parkplatz) ist komfortabel, kabellos und unabhängig von Regen, Eis oder Schnee. Audi träumt davon, dass sie sich in die Verkehrsinfrastruktur integrieren lässt - etwa als Ausrüstung von Parkhäusern und Wohnstraßen.

Der geballte Aufmarsch der Audi-Verantwortlichen unterstreicht durchaus den Stellenwert, den diese Studie bei Audi hat. Genauso richtig dürfte aber auch eine andere Erkenntnis sein: Es wird in Zukunft nicht mehr reichen, nur die richtigen Gefährte zu bauen. Vielleicht müssen sich Autohersteller auch ein Stück weit zu Systemanbietern wandeln - und auch einen Teil der Infrastruktur immer gleich mitliefern.

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