Audi SMS S4 Revo S:Darf es ein bißchen mehr sein?

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Ein kleines, aber feines Unternehmen erfüllt Audi-Liebhabern ungewöhnliche Wünsche

(SZ vom 17.08.1994) Wir hatten bereits vor einigen Jahren einmal über Konrad Schmidt und sein Unternehmen mit dem Namen SMS berichtet - über jenen Mann, der sich einen Namen in der Rallye-Szene machte, und der einst dazu beitrug, die Audi-Rallyefahrzeuge zum Laufen und zu WM-Titeln zu bringen. Mittlerweile hat man sich in dem in Cadolzburg (bei Fürth) beheimateten Unternehmen aber eine noch wesentlich breitere Basis zugelegt: Mit dem Audi 80 fährt man beim 2-Liter-Cup erfolgreich mit, mit dem Audi S2-Coupé werden nationale Rallyeläufe in ganz Europa beschickt - und mit Ford ist man bei den Läufen zur Rallye-Weltmeisterschaft eine neue Ehe eingegangen. Hier bewegen Ari Vatanen und Fabricia Pons einen bei SMS aufgebauten Escort Cosworth - und nach dem ersten Einsatz bei der Acropolis Rallye scheint es klar, daß der von SMS weiterentwickelte Escort nicht nur schneller als der offizielle Werkswagen ist, sondern auch reelle Chancen hat, in diesem Jahr noch den einen oder anderen WM-Lauf zu gewinnen. Und last, but not least, ist Konrad Schmidt auch noch mit einem kleineren Anteil an dem Simtec- Formel-1-Team beteiligt.

Doch damit nicht genug: Das kleine 120 Mann-Unternehmen ist auch noch in der Lage, für die Autoindustrie Prototypen zu bauen - so entstanden hinter gut abgeschotteten Stellwänden unter anderem der Audi Spyder, jenes bildhübsche Mittelmotor-Coupé, mit dem die Ingolstädter auf der IAA 1991 glänzten, der futuristische Yamaha OX 99-11 und der VW A 59, ein 287 kW (390 PS) starker Rallye-Golf, mit dem die Wolfsburger 1993 um ein Haar in die Weltmeisterschaftsläufe eingestiegen wären.

In der Tat ein volles Programm, das für den Liebhaber spezieller Audi-Modelle jedoch einen großen Vorteil hat: Mit Motor- und Fahrwerksspezialisten dieser Qualifikation lassen sich natürlich auch trefflich getunte Fahrzeuge bauen, die in der großen Audi-Gemeinde unter dem Namen Revo einen guten Ruf - und mittlerweile mehr als 350 Käufer - gefunden haben. Und so umfaßt das Programm des Hauses SMS auch alle Bereiche, für die die Kundschaft gerne bereit ist, Geld auszugeben: Von 17- und 18-Zoll-Felgen mit entsprechenden Pneus und angepaßtem Fahrwerk über individuell gestalteten Interieurs mit reichlich Holz und Leder bis hin zu Motoren mit mehr Leistung scheint alles möglich. Und derzeit wird sogar ein S2-Coupé mit dem Interieur und der technischen Ausstattung eines RS2 versehen - als Alternative für denjenigen, der mit keinem Kombiheck spazierenfahren, aber dennoch RS2- Technik besitzen möchte.

Nachdem wir vor einiger Zeit bereits den S4 Revo mit 223 kW (303 PS) fahren konnten - und das ausgezeichnete Fahrwerk sowie die reichlich zur Verfügung stehende Leistung lobten - fuhren wir nun noch kurz die neue Top-Variante, der das Unternehmen die Bezeichnung S4 Revo S verlieh. Noch immer verfügt der Reihen-Vierzylinder über seinen Serien-Hubraum von 2226 cm3 - durch umfangreiche Modifikationen an Motor, Turbolader-System, Motorsteuerelektronik und der Abgasanlage leistet der Revo S nun aber bei 6000/min 276 kW (375 PS), während das Drehmoment auf 510 Nm bei vergleichsweise niedrigen 3300/min anwuchs. Selbstverständlich wurden auch Fahrwerk und Bremsen dieser Leistungssteigerung angepaßt - so rollt der Revo S nun auf 245/40 ZR 17-Pneus und 8 x 17-Zoll-Leichtmetallfelgen.

Außergewöhnliche Fahrleistungen

Klar, daß ein derart tiefgreifender Umbau seinen Preis hat: Bei Anlieferung eines serienmäßigen S4 (nur mit Sechsgang-Getriebe) werden 56 925 Mark (incl. MWSt.) fällig - das macht beim Neuwagenkauf also 142 600 Mark. Dafür stehen außergewöhnlich hohe Fahrleistungen bereit: Für die Limousine gibt der Kfz- Schein 282 km/h Höchstgeschwindigkeit, für den Avant-Kombi 277 km/h an - und die 100 km/h-Grenze wird nach 4,9 Sekunden passiert. Allerdings haben sich die Käufer - bislang sind sechs Fahrzeuge ausgeliefert worden - an 375 Turbo-PS zu gewöhnen, sprich: Während bei niedrigen Drehzahlen vergleichsweise wenig Leistung und Drehmoment zur Verfügung stehen, setzt mit der Arbeitsaufnahme des Laders ein unglaublicher Schub ein, der gleichermaßen Konzentration und fahrerisches Können erfordert. Zumal auch mit keinerlei Aufmerksamkeitswert von Seiten der anderen Verkehrsteilnehmer gerechnet werden darf - denn der Revo S ist optisch bewußt auf Understatement getrimmt, und so ist das Erstaunen der Mercedes-Benz E 500 und BMW M 5- Fahrer denn auch groß, wenn der Audi problemlos vorbeizieht und entschwindet.

Turbomotoren haben zudem auch das Handicap, bei Ausnutzung der vollen Leistung hohe Verbrauchswerte zu erzielen - und auch hier macht der Revo S keine Ausnahme: zehn bis 14 Liter bleifreies Super waren bei normaler Fahrweise an der Tagesordnung, bis zu 20 Liter flossen bei Autobahnfahrten durch die Einspritzanlage. Wie gesagt: Sechs Fahrzeuge wurden schon ausgeliefert - maximal 100 sollen es werden. Und es stimmt schon, wenn Konrad Schmidt sagt, daß es 'kein zweites Modell auf dem Markt gibt, das für diesen Preis derart viel Leistung und Raumangebot in sich vereinigt.' Und deshalb gibt es auch 100 Kunden auf der Welt, die knapp 150 000 Mark nach Cadolzburg überweisen.

Sie bekommen dafür mehr Leistung als nötig wäre, verpackt mit einem angenehm straffen Fahrwerk und exzellenten Bremsen - gehüllt in pures Understatement.

Von Jürgen Lewandowski

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