Audi Q7 V12 TDI quattro:Mein Monster

Lesezeit: 3 min

Eine Begegnung der besonderen Art: wenn Rennsport-Kraft einem Riesen-SUV eingepflanzt wird. Ein Praxistest

Günther Fischer

Stuss und Genuss Wie schnell sich die Welt doch manchmal ändern kann. Jetzt, wo fast niemand mehr über die nächsten zwei Monate hinaus zu denken wagt, wo fast nur noch das Sparen und das Rationalisieren die erste Bürgerpflicht zu sein scheinen und die Abwrackprämie fast ausnahmslos den Absatz kleiner Autos befeuert - ausgerechnet in dieser Situation bringt Audi ein neues V12-Modell auf den Markt: den Q7 V12 TDI quattro. Zwar ein Diesel, aber dennoch ein Auto, das wie aus der Zeit gefallen wirkt.

In solchen oder ähnlichen Wüsteneien des Vorderen Orients wird der Q7 V12 TDI wahrscheinlich am häufigsten anzutreffen sein. (Foto: Foto: Audi)

Natürlich hat dieser Wagen auch eine Geschichte. Vielmehr: der Motor. Der V12-TDI im Sportwagenprototyp R10 TDI und da über 650 PS stark hat seit 2006 gegen die versammelte Benziner-Konkurrenz alle Rennen gewonnen, zu denen er angetreten war - darunter auch einen der ganz großen Klassiker: die 24 Stunden von Le Mans.

Aber ein Engagement im Rennsport kostet viel Geld - und das sollte zumindest ansatzweise zurückverdient werden. Da erschien es nur logisch, diesen Motor auch in einen Straßenwagen zu verpflanzen. Aufgrund der Größe bot sich ohnehin nur ein Modell an: der Q7. Gesagt, getan: Die Ingenieure bahnten sich ihren Weg.

Dass der Wagen nach außen hin harmlos weiß auftritt, mag angehen. Auch die schwarze Veloursleder-Auskleidung im Innenraum ist gut und edel gemeint, verlieh aber zumindest dem Testwagen die Aura einer dunklen Höhle, in die man sich verschämt zurückzieht. Was beim allerersten Eindruck aber zutiefst enttäuschte, war das Navigationssystem, das sich mit seinem kleinen Bildschirm in eine weitere Höhle zurückzuziehen schien. Vielleicht lag es schlicht daran, dass wir von einem 7er BMW umgestiegen sind, dessen Navi-Bildschirm stolze 10,2 Zoll groß ist. Tatsache bleibt aber, dass es bei Audi selbst eine weitere und bessere Evolutionsstufe des hauseigenen Systems gibt, die wir bei einem Kaufpreis von rund 150.000 Euro eigentlich auch erwartet hätten.

Saft und Kraft Schon die Eckdaten lassen staunen: ein V12-TDI-Motor mit 500 PS, der schier unglaubliche 1000 Nm Drehmoment auf die Kurbelwelle stemmt. Nur leider ist dieser Q7 auch 2,6 Tonnen schwer (als Siebensitzer darf er sogar 3,4 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht aufweisen) - und das hat Folgen: Ein agiler Kurvenräuber kann der Q7 trotz quattro-Antriebs einfach nicht sein, er muss viel zu viel Gewicht um die Ecken wuchten. Auf gerader Strecke zeigt sich allerdings so mancher Porsche- und BMW-Fahrer irritiert, weil es ihm partout nicht gelingen will, die Schrankwand in seinem Rückspiegel abzuhängen.

Was dagegen wirklich erstaunt, ist der Durchschnittsverbrauch von 11,9 Litern Diesel auf 100 Kilometer - und das bei durchaus forcierter Gangart. Es gibt nun wirklich nicht viele 12-Zylinder, die dazu in der Lage sind. Ob eine Evolution des Motors für Straßenfahrzeuge aber Sinn macht, scheint wenig wahrscheinlich. Auch, weil laut Audi der V12-Anteil an der Q7-Produktion nur zwei bis fünf Prozent beträgt - also rund 300 - 500 Exemplare jährlich.

Family und Friends Platz hat auch der reguläre Q7, wenn es sein muss, sogar für sieben Personen. So gesehen gibt es auch im V12-Modell nichts Neues. Auch lässt sich der Laderaum auf bis zu 2035 Liter vergrößern - genug für fast jede Familie und Urlaubsfahrt.

Unterschiede zu den regulären Q7-Modellen sind hautptsächlich eine Sache des individuellen Geschmacks: Carbon und Aluminium sind reichlich vorhanden und verleihen dem V12-Q7 eine gewisse technoide Anmutung. Das Multifunktions-Sportlederlenkrad ist ebenso Serie wie das Navi-System, der schwarze Dachhimmel aus Velours, die Reifendruckkontrolle oder das Bose-Surround-Sound-System. Das grandios tönende Bang & Olufson-Soundsystem kostet allerdings mehr als 4500 Euro Aufpreis.

Wunsch und Wirklichkeit Wer schon immer einen 12-Zylinder mit moderatem Verbrauch fahren wollte, dem hat Audi nun einen Wunsch erfüllt. Auch Technik-Freaks werden bedient und freuen sich sicher, wenn sie erfahren, dass die Hochdruckpumpen in der Common-Rail-Anlage bis zu 2000 bar Durck aufbauen (üblich waren bisher 1600 bar) und das Kurbelgehäuse dieses Wagens aus Gusseisen mit Vermiculargraphit besteht - ein Hightech-Werkstoff, der auch GJV-450 genannt wird.

Nur: Wer braucht das alles in Wirklichkeit?

Gut ... ... dass Automobil-Techniker immer mal wieder die Gelegenheit bekommen, ihr Können unter Beweis zu stellen. Aber ... ... trotz aller beeindruckenden Leistungsdaten ist der Q7 V12 TDI ein Auto, das unsere Zeit nun wirklich nicht braucht. Also ... ... ein Wagen für alle Menschen, die, wie ein Kollege meinte, Wert auf Distinktion legen.

Audi Q7 V12 TDI quattro: 368 kW / 500 PS; max. Drehmoment 1000 Nm bei 2000-4000 U/min; 0-100 km/h: 7,8 sec.; Vmax 240 km/h; Testverbrauch 11,9 l (Werksangabe: 11,3 l); Euro 5, CO2: 298 g/km; Grundpreis: 130.600,00 Euro, Testwagenpreis: 148.970,98 Euro (jeweils inkl. MwSt.)

© sueddeutsche.de/als - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: