Audi-Design:Die Zeit der Zacken ist vorbei

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Audi wird auf dem Pariser Autosalon das Crosslane Concept enthüllen, hinter dem sich das kompakte SUV Q2 versteckt. Im SZ-Interview erzählt Audi-Designchef Wolfgang Egger über den Wandel in der Formgebung der Marke und das neueste SUV.

Georg Kacher

Das Audi-Design polarisiert. Zu aggressiv, zu wenig differenziert? Oder markant und markenprägend? Die Wahrheit liegt wohl in der goldenen Mitte. Die wird gerade vom obersten Formfinder Wolfgang Egger neu definiert. Den Anfang macht die Q-Reihe, die künftig breiter aufgefächert werden soll. In Paris wird diese Woche das Crosslane Concept enthüllt, hinter dem sich der kompakte Q2 versteckt.

SZ: Herr Egger, die Marke Audi will und muss sich wieder einmal neu erfinden. Dieser Prozess beginnt erfahrungsgemäß fast immer beim Design.

Wolfgang Egger: Wir werden das Design neu gestalten - nach innen und nach außen. Nach innen durch eine kreativere Arbeitsweise und effizientere Struktur, nach außen durch eine evolutionäre Formensprache. Die Autos der nächsten Modellgeneration folgen noch deutlicher einer inneren Logik, das heißt Exterieur und Interieur greifen stärker ineinander und bilden eine harmonische Einheit.

Also kein Singleframe-Gesicht mehr?

Doch. Aber anders. Authentischer, wertiger, innovativer. Und stärker voneinander abgegrenzt.

Wie darf man das verstehen?

Die einzelnen Baureihen - A, Q und R - erhalten mehr Eigenständigkeit. Ein Sportwagen transportiert eben andere Stilelemente als eine Limousine oder ein SUV. Das werden wir in Zukunft deutlicher herausarbeiten. Mit viel Herzblut und mit neuen Prozessen. Mit der nächsten Modellgeneration gibt es auch ein zentrales Element, das sich durch alle Baureihen zieht: Technik und Design greifen stärker ineinander.

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Fangen wir mit der A-Reihe an . . .

Das ist ein Thema für 2013. Heute, im Vorfeld der Pariser Messe, geht es um die Q-Familie. Denn im Q-Bereich erwarten wir die höchsten Zuwachsraten und unser Portfolio ist hier ausbaufähig. Deshalb wollen wir möglichst früh Akzente setzen - wie mit dem Crosslane Coupé, das auf dem Salon Premiere feiert. Die Studie zeigt unter anderem, wie Technik durch das Design erlebbar wird. Wir zeigen zum ersten Mal ganz bewusst die Substanz des Autos - das, was unter der Hülle steckt. Zum Beispiel an der Motorhaube. Hier ist pures Aluminium, ein Bestandteil des Audi Space Frame, durch die Haube sichtbar. Diese Idee setzen wir konsequent um, denn auch der Singleframe ist ein Element des Audi Space Frame. Und wenn Sie die Tür öffnen, setzt sich das Prinzip im Schweller fort.

Wenn die Q-Modelle künftig bis zu 45 Prozent des Audi-Absatzes ausmachen sollen, dann muss die Marke das Angebot deutlich erweitern.

Genau das haben wir vor. Das Concept Car gibt einen Ausblick in diese Richtung und reiht sich unterhalb des Q3 ein. Es positioniert das Thema nicht nur durch seine alternative Antriebsquelle - ein Elektro-Antrieb mit Dreizylinder-Reichweitenverlängerer - tendenziell eher im urbanen Umfeld. Denn mit seinen kompakten Dimensionen wird der SUV citytauglich. Anders ausgedrückt: Enge Stadtstraßen und Parkplatzsuche sind für das Crosslane Coupé kein Problem, und trotzdem vermittelt das Auto ein Maximum an Nutzeffekt und Fahrspaß.

Nicht nur im Detail macht der Wagen einen weniger aggressiven Eindruck als so mancher aktueller Audi.

Aggressivität ist kein Thema. Nehmen Sie zum Beispiel die Scheinwerfer. In der Vergangenheit waren wir mit punktförmigen LEDs unterwegs, die zwangsläufig greller wirkten als die neue homogene Lichttechnik. Doch die Zeit der Zacken, Wellen und Schleifen ist definitiv vorbei. Stattdessen setzen wir auf eine relativ schlichte und geometrische Grafik mit horizontalen und vertikalen Elementen, die in Summe trotzdem markant und unverwechselbar aussieht. Gerade auch am Lichtdesign werden Sie einen Audi künftig sofort erkennen können. Gleichzeitig bildet es an Bug und Heck eine aufeinander abgestimmte Einheit.

Auch der Grill erscheint hochwertiger und weniger bedrohlich.

Wir stehen zum Singleframe. Er ist das prägende Element in jedem Audi-Gesicht. Aber es darf keinen Stillstand geben. Deswegen wird auch hier viel stärker differenziert - zwischen den Baureihen A, Q und R und innerhalb der Baureihen zwischen den Basis-, S- und RS-Varianten. Der Singleframe der Q-Familie wird künftig dreidimensional und wirkt dadurch wie eine eigene Skulptur. Die Umrandung behält ihre sechs Ecken, doch die Ausformung ist plastischer. Der Rahmen besteht aus Metall, ist aber nicht notwendigerweise verchromt. Gebürsteter Stahl wäre aus Design-Sicht ebenso denkbar wie eine Beschichtung oder speziell veredeltes Aluminium. Wir wollen Leichtbau sichtbar machen, und das funktioniert natürlich besonders gut an exponierten Details.

Bleibt es ansonsten beim bekannten Audi-Gesicht?

Ja und nein. Der Grill bleibt das dominierende Element, aber gleichzeitig wird bei den Q-Modellen in zwei Ebenen die Horizontale betont. Das lässt die Front breiter, eleganter und in sich geschlossener aussehen. Außerdem passt es zur Historie von Audi - denken Sie nur an den Audi 100 oder den Audi 80. Die obere Horizontale setzt sich aus drei Bausteinen zusammen: den beiden tendenziell etwas schmaleren Scheinwerfern und jenem abgetrennten Element des Singleframe-Grills, in dem die vier Ringe demnächst noch besser zur Geltung kommen als bisher. In der Mitte sitzt der Nummernschild-Querträger und darunter der untere Teil der Kühlermaske mit den seitlichen Lufteinlässen, die modellspezifisch ganz unterschiedlich gestaltet werden können.

Funktioniert die neue Design-Philosophie auch im Heck?

Natürlich. Das entscheidende Element ist die Leuchtengrafik - das Crosslane Coupé weist hier den Weg. Außerdem werden die Kammern so plastisch ins Blech integriert, dass eine ausgeprägte Solidität entsteht. Leuchten, Heckklappe und Seitenteile wirken wie aus einem Guss. Störende Schattenfugen sind natürlich tabu. Apropos Fugen: Nicht nur der enge Abstand zwischen zwei Blechteilen ist ein Indiz für Qualität, auch der selbstbewusste Verlauf signalisiert die Homogenität der Struktur.

Nach Q3, Q5 und Q7 ist der Q2 das erste Q-Projekt mit einer geraden Zusatzzahl. Kein Zufall, oder?

Gut beobachtet. Das Crosslane Coupé eröffnet die Reihe der geraden Q-Nummern und verdeutlicht, dass die Fahrzeuggattung Q zwei Gesichter haben kann. Dem werden wir Rechnung tragen, indem Audi künftig zwei verschiedene Zweige der Q-Familie anbietet. Die sportlich-eleganten Modelle, die in erster Linie auf befestigten Straßen unterwegs sind, haben gerade Zahlen - wie ein mögliches Serienauto des Crosslane Coupés. Die Autos mit den ungeraden Ziffern sind dagegen vom Charakter und vom Aussehen etwas offroadiger und robuster.

Ein Marketing-Kunstgriff, der mit wenig Aufwand zwei verschiedene Positionierungen schafft - ähnlich A6 Avant und A6 Allroad.

Eben nicht! Wer hier glaubwürdig sein will, der muss investieren und zwei unterschiedliche Architekturen auf die Räder stellen. Das Concept Car ist beispielsweise flacher und viel sportlicher als der Q3. Das erkennt man nicht nur an der schrägeren Windschutzscheibe und an der flacheren Heckscheibe, sondern auch an den stärker nach vorne gepfeilten C-Säulen und an den Quattro-Blistern, wie die eckigen Kotflügelverbreiterungen intern heißen. Außerdem haben die Kanten und Falze eine schärfere Kontur, spezielle Details wie die Lufteinlässe in der Haube oder die Form des Frontspoilers stehen für ein Plus an Dynamik, strategisch platzierte Blankteile schaffen eine Querverbindung zum Allroad. Q3, Q5 und Q7 sind höher und aufrechter, haben größere Fensterflächen und bieten mehr Nutzwert, versprechen eine gewisse Geländetauglichkeit.

Was kommt nach Q2? Ist genug Platz für Q4, Q6 und vielleicht sogar Q8?

Warten wir's ab. Noch ist nichts entschieden, aber es wäre fahrlässig, nicht über all das nachzudenken und sich vorzubereiten.

© SZ vom 24.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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