(SZ vom 05.05.1993) Alternativen braucht das Land - jedenfalls nach der Meinung der Marketingstrategen von Audi. 'Die Autofahrer wünschen sich verstärkt elegante Alternativen zur herkömmlichen Limousine', so die Pressemappe des Audi 80 Avant, 'und sie haben immer öfter immer mehr zu transportieren'. Wobei man bei dieser Aussage nicht dem Irrglauben verfallen sollte, daß der 80 Avant einen Möbelpackwagen ersetzen kann. Er ist jedoch - und dies scheint den Verkäufern in unserer freizeitorientierten Gesellschaft wichtig - auf die Golf-, Tauch- und Surf-Utensilien eingerichtet, die man heutzutage offensichtlich mit sich herumführen muß.
Kein Wunder, daß die Ingolstädter deshalb auch den 'kleinen' 80er zum Kombi mutiert haben - schließlich ist der etablierte 100er Avant für viele Wochenend- Kombibenutzer schon beinahe eine Nummer zu groß, zu nahe an einem 'richtigen' Vertreter-Kombi gewissermaßen. Aus den kleineren Außenabmessungen bezieht er auch einen Gutteil seiner zierlichen Eleganz: Mit einer Länge von knapp 4,50 Meter und einer Breite von 1,70 Meter schlupft der kleine Avant in praktisch jede Parkplatzlücke - und in der richtigen Farbe lackiert, wird er nahezu zum Beau, der gerade den weiblichen Geschmack zu treffen scheint.
Wir fuhren ein paar Tage lang den kleinsten seines Stammes: den 2-Liter- Vierzylinder-Motor mit der Basis-Motorisierung von 66 kW (90 PS) - für den das Werk eine Höchstgeschwindigkeit von 172 km/h angibt, die der leicht voreilende Tachometer dem Insassen als 192 km/h verkauft. In unseren verwöhnten Zeiten neigt man ja gerne dazu, Geschwindigkeiten dieser Größenordnung als nicht angemessen zu verstehen - dabei zählt man, eine zügige Fahrweise vorausgesetzt, durchaus zu den Schnelleren auf der Autobahn. Die Beschleunigung von Null auf 100 km/h in 14,1 Sekunden ist ebenfalls ausreichend - man sollte jedoch den Rückspiegel intensiv nutzen, um sich ergebende Lücken durch rechtzeitiges Gasgeben nützen zu können.
Hierbei hilft das gut abgestufte serienmäßige Fünfgang-Getriebe, das uns jedoch einmal in die Werkstatt führte, weil sich die Schraube für eine Befestigung gelöst hatte, und nur noch die Gänge 3 und 4 zur Verfügung standen. Die Fahrt zur Werkstatt bewies übrigens, daß auch 148 Nm Drehmoment bei 3000/min im dritten Gang durchaus zum Anfahren an der Ampel genügen.
Trotz dieser kleinen Malaise entpuppte sich der 80 Avant als angenehmer Zeitgenosse, dessen Verbrauchswerte - die sich zwischen neun und zwölf Litern bleifrei Normal auf 100 Kilometern einpendelten - den Fahrleistungen und dem zur Verfügung stehenden Transportvolumen mehr als gerecht wurden. Und mit dem es sich zudem auch kommod über längere Strecken fahren ließ, da die Sitze - die erfreulicherweise auch in der Höhe verstellbar sind - genügend Komfort bereitstellten.
Dr 80 Avant ist in seiner Basisversion bereits ein bemerkenswert gutes Automobil - daß er nicht zum Rasen konzipiert ist, macht ihn nur noch liebenswerter. Wer zuweilen etwas sperriges Gepäck mit sich führen muß, wird mit ihm ein vernünftiges Stück Automobil erwerben, das, dank der vollverzinkten Karosserie, der Sicherheitsfeatures und der kleinen Trinksitten, den Preis von 36 800 Mark akzeptabel erscheinen läßt.
Von Jürgen Lewandowski