Süddeutsche Zeitung

Audi A8 im Fahrbericht:Digitale Wundertüte

  • Der neue Audi A8 ist mit etlichen Innovationen bestückt, die in einigen Jahren automobiler Alltag sein werden. Allerdings sind zum Marktstart noch nicht alle Funktionen verfügbar.
  • Beim Verbrauch enttäuscht der A8: Knapp acht Liter gibt der Hersteller an, in der Praxis war es mehr als das Doppelte.
  • Im Wettbewerb um die die Luxuswagen-Krone ist der Audi ein ernstzunehmender Konkurrent.

Von Georg Kacher

Der neue, wiederholt umgestrickte A8 darf noch nicht, wie er könnte. Der bis zu einer Geschwindigkeit von 60 Stundenkilometer aktive Autopilot wartet womöglich bis zum Jahr 2019 auf die Freigabe durch den Gesetzgeber, statt dem Plug-in-Hybrid ist zunächst nur der im Alltag nicht spürbare Mild Hybrid mit an Bord, und auch das vorgeblich bahnbrechende Aktiv-Fahrwerk wird erst später nachgereicht. Die wesentliche sofort verfügbare Innovation ist damit das neue Bedienkonzept "MMI touch response", das in seiner Porsche-spezifischen Ausprägung bereits aus der zweiten Panamera-Generation bekannt ist. Die Kundenbetreuer der Sportwagenmarke haben dem Vernehmen nach ihre liebe Not, der meist etwas älteren und analog gepolten Kundschaft die Meriten des digitalen Fortschritts näherzubringen. Klappt das im neuen A8 besser? Wie schlägt sich der V6, der als einzige Motorisierung vom Start weg verfügbar ist? Und wie steht es um den latenten Zielkonflikt aus Dynamik und Komfort? Eine erste Testfahrt.

A8-Käufer brauchen Geld. Wegen des Kaufpreises - und wegen des hohen Verbrauchs

Er sieht gut aus und steht gut da, der fünfte Vertreter seiner Art. Außen viel Chrom, innen viel Holz und Leder, alles sauber strukturiert durch viele horizontale Linien. Audi pur, aber mit Sahne. Die Instrumententafel schwelgt in dunkel glänzenden Oberflächen - bis man den Startknopf drückt und die Lichter der Großstadt das Armaturenbrett fluten. Es gibt nicht weniger als vier Displays: Head-up, Virtual Cockpit, Infotainment und Klimatisierung. Der einzige Drehknopf, der die Digital-Invasion überlebt hat, regelt die Lautstärke. Die Restarbeit müssen emsige Fingerspitzen übernehmen. Jeder Treffer auf den Monitoren wird haptisch und akustisch quittiert. Man kann, wenn man will, in diesem Auto nach Herzenslust scrollen, zoomen und touchen, doch mit jeder Eingabe wird das Auge für Sekundenbruchteile abgelenkt. Nicht so im Vorgängermodell, auf dessen MMI der Fahrer blind und schnell zugreifen konnte.

Obwohl die Hemmschwelle hoch ist und immer neue Funktionen aus der digitalen Wundertüte purzeln, freundet man sich schnell damit an. Eine große Hilfe sind in der Gewöhnungsphase das vielseitige Multifunktionslenkrad, das fixe und clevere Navi, die endlich wirklich dialogfähige Sprachsteuerung und das mehr als doppelt so große Feld für die Handschrifteingabe. Die vier Drucktasten, die früher rund um den Controller angeordnet waren, bilden jetzt das Dock des Hauptbildschirms. Weil dieses Auto fast alles kann außer Suppe kochen und Löcher flicken, lassen sich auf beiden Monitoren gleichzeitig mehrere Menüs und Untermenüs abbilden, Kacheln verschieben und heranzoomen, Kartendarstellungen und Piktogramme aufrufen. Klingt komplex, ist komplex. Aber durchaus machbar.

Der Testwagen heißt mit vollem Namen A8 55 TFSI 3.0 quattro Mild Hybrid. Weil die Hubräume immer kleiner und die Anzahl der Zylinder immer weniger werden, hat Audi eine vom Denkansatz her prestigeträchtige virtuelle Nomenklatur erfunden, die sich an Leistung und Drehmoment orientiert. Dem V6 TDI wird demzufolge die Ziffer 55 zugeordnet, der V8-Benziner bekommt die Zusatzzahl 60. Nur der W12 tanzt als A8 6.0 aus der Reihe. Auch weil der neue A8 um 50 Kilogramm auf 1995 Kilogramm zugelegt hat, muss sich der 250 kW (340 PS) starke 3,0 Liter V6 ganz schön ins Zeug legen, um die 5,17 Meter lange Limousine in Schwung zu halten.

Im Bleifuß-Modus beschleunigt der Wagen in 5,9 Sekunden von null auf 100 Stundenkilometer und ist in der Spitze 250 Stundenkilometer schnell. Leider braucht der A8-Aspirant tiefe Taschen, in die er greifen kann: Zum einen, um den Basispreis von 93 500 Euro zu stemmen; zum anderen, um den Praxisverbrauch von 17,1 Liter (gemessen über 4000 Kilometer) zu finanzieren. Der Hersteller hat das gute Stück mit einem Verbrauch von 7,8 Liter zertifiziert.

Die Luftfederung bewahrt selbst auf Rumpelpisten noch ausreichend Restkomfort

In einem früheren Leben wäre dieser A8 eher als S8 auf den Markt gekommen. Nein, nicht wegen der Fahrleistungen und dem sportlichen Auftritt. Was den Neuen zum Dynamiker macht, sind vielmehr die drei klar abgestuften Fahrprogramme für Lenkung, Fahrwerk und Antrieb, die spritzige S-Kalibrierung der Achtgang-Automatik, und nachschärfende Extras wie 20-Zoll-Reifen und Allradlenkung. Die Lenkung arbeitet prompt, präzise und nicht zu leichtgängig, die Luftfederung bewahrt selbst auf Rumpelpisten ausreichend Restkomfort, Quattro sorgt stets für optimale Traktion. Die Bremse verzögert mit Schmackes, übertreibt es aber mit dem vorauseilenden Gehorsam der wenig linearen Servounterstützung.

Der neue A8 will weder ein genmanipulierter BMW 7er sein noch ein S-Klasse-Klon mit vier Ringen. Die Ausführung mit normal langem Radstand versucht vielmehr ihren eigenen Weg zu gehen, ist nach Lust und Laune Kurvenräuber oder Straßenkreuzer, Spielmobil oder Vorzeigeobjekt. Die Langversion versteht sich vor allem als Chauffeur-Limousine, in der sich der Fondpassagier die Fußsohlen wärmen und massieren lassen oder zu einem der maßgeschneiderten Tablets greifen kann. Deren Entwicklung hat allein einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Keine Frage - in Zukunft werden Marke und Konzern einen großen Bogen um Milliarden teure Selbstverwirklichungsprojekte wie den neuen A8 machen müssen. Schon beim Nachfolger greift daher die engere Zusammenarbeit mit Porsche. Die beiden Marken entwickeln gemeinsam eine Premiumplattform für Elektromobilität. Bei den Verbrennern wird Audi den Plug-in-Hybrid des Panamera aus der Modellpalette von Porsche übernehmen.

Die eingangs gestellte Frage, ob sich dieser Audi A8 die Luxuswagen-Krone aufsetzen darf, lässt sich leider noch nicht beantworten. Dazu fehlen nämlich bis mindestens 2018 genau jene Bausteine, mit denen Audi die nächste Stufe seiner Vorsprung-durch-Technik-Rakete bestücken will.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2017/mike
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