Audi A6 Avant 3.0 TDI quattro:Schöne, schlichte Nähte

Der A6 ist Deutschlands beliebtester Dienstwagen. Schick sieht er aus. Aber hält er auch, was er verspricht?

Lars Langenau

Ein schönes Ding, denken wir uns. Vor unserer Fahrt von München nach Hamburg und zurück. One way rund 800 Kilometer mit einem Abstecher nach Fulda und Hannover, um eine Minderjährige von den einen Großeltern abzuholen und zu den anderen zu bringen.

800 Kilometer, um den beliebtesten Dienstwagen Deutschlands zu testen: den Audi A6 Avant 3.0 TDI quattro. In Eissilber-Metallic. Als eine Luxuslimousine wurde er uns angekündigt. So lang sei der Kombi, dass man bei Bedarf auch darin schlafen könne - und zudem ein sparsamer Diesel für die Langstrecke. Mit viel Pipapo ausgestattet kostet das Teil 58.147,04 Euro, ohne Mehrwertsteuer.

Doch so richtig los ging es aus der bayerischen Landeshauptstadt erst mit einer vierstündigen Verspätung, weil der erste Testfahrer einen Bordstein an der fünften Ecke mitgenommen und unverzüglich einen Platten verursacht hatte. Der Audi- und unser Automann von sueddeutsche.de waren verwundert: So etwas könne eigentlich nicht passieren, hieß es vorwurfsvoll. Ist es aber.

Den Fahrer trifft wirklich keine Schuld, es war ein ganz normaler Bordstein - noch ohne Schwalbe -, der den Trip hinauszögerte. Einer der Mitreisenden holte noch schnell seine Fliegerjacke. Begründung: So genau wisse man ja nie, ob man da noch umsteigen müsse.

Während der Zwangspause blieb ausreichend Zeit für einen intensiven Außencheck. Man war sich schnell einig, dass die schnittigen Linien des neuen A6 nichts mehr mit dem etwas biederen Image älterer Modelle zu tun hatten. Selbst der stilsicherste unserer Mitfahrer konnte sich vorstellen, seine Freundin mit diesem Auto auszuführen, und das ohne Erklärungen und Ausreden. Damit war der Audi als cooles Gerät geadelt.

Das sich verjüngende Heck wirkt sportlich und schnell, leider auf Kosten des Innenraums. Aber das ist bei einem Dienstwagen ja eigentlich auch zweitrangig, aber dazu später. Auffallend waren die zustimmenden und auch neidischen Blicke anderer Audi-Fahrer auf das dezente Quattro-Emblem. Der Geist des S1 lebt auch ohne Walter Röhrl oder Michèle Mouton am Steuer im Dienst-Quattro weiter. Die Front wirkt kraftvoll, aber nicht zu aggressiv, die geschwungenen Scheinwerfer sind elegant - und signalisieren Hightech.

Ein schönes deutsches Auto.

Es geht looos!

Dann endlich der Abschleppdienst. Ab zum Audi-Vertragshändler. Neuer Reifen. Und ab ging es. Die ersten Kommentare der Mitreisenden: "Toll, diese automatische Gepäckhaube"; "sieht von außen größer aus als er drinnen tatsächlich ist"; "die Nähte sind schön, schön schlicht". Allesamt stimmige, eindeutige Aussagen. Nur das Velourleder bleibt höchst umstritten.

Vollkommen überzeugt sind wir in diesem Moment nur vom Bose Surround System - und dem "geilen Sound, wenn man auf die Tube drückt".

Der permanente Allradantrieb beschleunigt den mit über 1,8 Tonnen schweren Boliden, ohne wohlgenährte Insassen und Reisegepäck versteht sich, zügig auf die entspannte Reisegeschwindigkeit von 180 km/h. Dann allerdings hat der Audi seine Schwierigkeiten, weiter zu beschleunigen. Er benötigt eine gefühlte Viertelstunde, um in die Nähe der angegebenen Spitzengeschwindigkeit von 245 km/h zu kommen.

Die leicht gängige Servolenkung und die von uns benutzte, wohl auf betagteres Publikum abgestimmte Fahrwerkseinstellung "comfort" lassen den Fahrer und die Insassen entspannt und bequem reisen. Für vier Reisende ist es ein tolles, geräumiges Auto.

Aber dann in Fulda, nach dem Einpacken einer Fünfjährigen samt ordnungsgemäßem Kindersitz wird es verdammt eng. Denn trotz des geräumigen Erscheinungsbildes des Innenraumes stellte sich heraus, dass gerade auf der Rückbank nur eingeschränkt von Sitzkomfort die Rede sein kann.

Als Handlungsreisender mag man da gerne seine Prospekte großzügig verteilen, aber als Familienkutsche mit mehr als vier Mitgliedern ist der A6 weniger zu empfehlen.

Der mittlere Sitz auf der Rückbank ist äußerst schlecht gepolstert, so dass die lange Fahrt zur echten Qual wurde. Wenn dann auch noch der Gurt des Mittelsitzes klemmt und den Mitfahrern jegliche Bewegungsmöglichkeit geraubt wird, ist man geneigt, den Vordermännern alle möglichen Versprechungen zu machen. Nur damit man wieder dort sitzen darf.

Leider können zudem ab einer Geschwindigkeit von rund 120 km/h auch keine tröstenden Gespräche mehr nach hinten oder vorn geführt werden, denn in der Fahrgastzelle brummt es nur noch sonor, und das ziemlich kräftig. Der Verbrauch allerdings tröstete uns: Den werksseitig angegebenen Verbrauch von 5,4 Liter auf 100 km erreichten wir zwar nicht, aber 6,5 Liter sind auf dieser Langstrecke ein durchaus akzeptabler Wert.

Fortschritt durch Technik? Hier nicht unbedingt, auch wenn der Wagen noch so schnell, rassig und sparsam sein mag.

Daniel Haneberg, Marcel Kammermayer, Lars Langenau und Nina Peller

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