Audi A8 W12:Die Unnahbarkeit der Perfektion

Seine zwölf Zylinder und die Überlegenheit im Detail lassen dieses Auto über den Dingen schweben.

Von Georg Kacher

Die allgemeine Design-Evolution hat jetzt auch Audi erfasst. Was gestern noch gut war, ist heute schon altmodisch und wird deshalb morgen durch ein moderneres Erscheinungsbild abgelöst.

Audi A8 W12

Imposant: der neue Kühlergrill. Er wird bald auch andere Audis zieren.

(Foto: Foto: Audi)

Optischer Dreh- und Angelpunkt des New Look aus Ingolstadt ist der schildförmige Kühlergrill, neudeutsch-zeitgeistig Singleframe-Grill genannt. Die gewöhnungsbedürftig proportionierte Ansaugöffnung wird erstmals beim A8 W12 eingesetzt.

Es folgen mit gleicher Optik der A6-Nachfolger, der fünftürige A3 Sportback und das A4-Facelift. Der erste Eindruck hängt stark vom Blickwinkel ab, doch der Aufmerksamkeitswert ist zweifellos deutlich höher als bisher. Beim A8 kommt das großflächige Designelement derart gut zur Geltung, dass Audi wohl bald auch die kleineren Versionen umrüsten wird.

Mindestens 106.900 Euro

Den A8 W12 gibt es in zwei Varianten: mit normal langem Radstand für 106.900 Euro und als 13 Zentimeter längere L-Version ab 117.000 Euro. Wer das für zu teuer hält, sollte sich vergegenwärtigen: BMW verlangt für den 760i sogar 110.600 Euro, und Mercedes stellt für den S600 L satte 127.658 Euro in Rechnung.

Das Audi-Flaggschiff ist dabei ordentlich, aber keinesfalls überkomplett ausgestattet. So wird der Kunde beispielsweise für größere Räder, für Sport- oder Komfortsitze, für das schlüssellose Start-Stop-System, für ein Schiebedach und für den radargesteuerten Tempomat gesondert zur Kasse gebeten.

Serienmäßig gibt es dagegen ein überragendes Raumangebot, das leicht zu steuernde MMI-Bediensystem für die wichtigsten Sekundärfunktionen, ein ergonomisch perfektes Multifunktionslenkrad, eine elektromechanische Parkbremse mit Anfahrassistent und das süchtigmachende Bose Surround Sound System.

Rumms schon ab 2300 Touren

Herzstück des stärksten A8 ist der von VW zugelieferte 6,0-Liter-W12-Motor, dessen Nennleistung um 14 Prozent auf 331 kW (450 PS) angehoben wurde. Zwischen 4000 und 4700 Umdrehungen steht das maximale Drehmoment von 580 Nm zur Verfügung. Das hört sich nach wenig Mumm bei niedrigen Drehzahlen an, aber der Eindruck täuscht, denn schon bei 2300 Touren warten 560 Nm auf die Verteilung an alle vier Räder.

Dank quattro beschleunigt der 5,19 Meter lange Zwei-Tonner in nur 5,2 Sekunden von Null auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit wird wie gehabt bei 250 km/h abgeriegelt, doch der Verbrauch ist leider nach oben offen. Um den Normwert von 13,8 Litern zu erreichen, muss sich der Gasfuß in gusseiserner Disziplin üben. Wer häufig die volle Leistung abruft, kommt nicht unter 20 Liter davon - bei so viel Durst ist selbst der Tankinhalt von 90 Litern nur ein schwacher Trost.

Sicher um die Ecke gebracht

Die erstaunlich windschnittige Limousine (Cw-Wert: 0,28) erkennt man schon auf den ersten Blick am neuen Tagfahrlicht, das pro Scheinwerfer durch fünf sternförmig arrangierte LED-Leuchtelemente auf sich aufmerksam macht. Optional erhältlich ist ein überraschend helles Kurvenlicht, das mit dem Lenkeinschlag mitschwenkt und das Vorfeld zur Seite hin viel besser ausleuchtet.

Von hinten erkennt man den Top-A8 an den trapezförmigen Auspuffendrohren, die pro Kilometer die Umwelt mit 353 Gramm CO2 belasten. Als Gegenleistung bietet der Zwölfzylinder vor allem im mittleren Drehzahlbereich jene Art von schier unwiderstehlicher Schubkraft, die wir sonst höchstens aus der Perspektive eines startenden Jumbo-Jets kennen. Turbinenähnlicher Abzug, gepaart mit tadelloser Laufruhe, das sind die herausragenden Stärken des kompakten 6,0-Liter-Aggregats.

Kleine Mäkel

Und die Schwächen? Der Audi-Motor hängt nicht ganz so gierig am Gas wie die Konkurrenz aus München und Stuttgart, die Zusammenarbeit mit der Sechsgang-Automatik kommt erst im Sportmodus so richtig auf Touren und die akustische Untermalung wechselt allzu abrupt zwischen Teillast-Flüstern und Volllast-Orchester.

Der A8 W12 ist stark und sicher, geräumig und komfortabel, toll verarbeitet und hübsch anzusehen. Was uns fehlt in diesem High-Tech-Ambiente, das ist der Mut zu mehr Emotion im Detail, die Auslegung von Lenkung und Bremse als kongeniale Partner statt als pragmatische Erfüllungsgehilfen, und eine unmittelbarer erlebbare statt in Watte gepackte Kraftentfaltung.

Dieser Audi ist schnell, ohne die Geschwindigkeit wirklich transparent zu machen; er schwebt per quattro, ESP und Luftfederung buchstäblich über den Dingen; er schiebt so viele mechanische und elektronische Filter zwischen Fahrzeug und Fahrbahn, bis man sich fast so unverwundbar fühlt wie am Controller der Playstation. Selbst bei Schnee und Regen erschließen sich beinahe spielerisch jene Tempobereiche, die vor kurzem noch Sportwagen vorbehalten waren - und das bei Bedarf mit fünf Personen und bis zu 500 Liter Gepäck.

Gesamtpaket

Sechs Liter Hubraum und zwölf Zylinder sind natürlich ein Wort, doch unter dem Strich ist es gar nicht so sehr der sämig-souveräne Motor, der besonders beeindruckt, sondern das darum herumkonzipierte Gesamtpaket. Wenn man einmal vom etwas spröden Langsamfahrkomfort, der artifiziellen Lenkung und den wenig mitteilsamen Bremsen absieht, dann gibt es in dieser Klasse kein Auto, das satter auf der Straße liegt, sich narrensicherer bedienen lässt und in Bezug auf Anmutung, Ausstattung und Verarbeitung einen ähnlich ausgewogenen Eindruck hinterlässt. Auch Traktion, Grip und Richtungsstabilität erfüllen höchste Ansprüche.

Vom Fahrstil eignet sich der lange Ingolstädter eher für den Super-G als für den Spezialslalom, wobei der W12 noch ein paar Kilo kopflastiger und kurvenunwilliger ist als der V8. Eine leicht heckbetonte Drehmomentverteilung soll hier bald für Abhilfe sorgen.

Fazit: Der A8 6.0 ist ein opulent motorisierter und edel eingerichteter Luxus-Kokon, der lange Strecken liebt und mustergültige Manieren hat. Nur schade, dass er durch seine scheinbar spielerisch erzeugte dynamische Überlegenheit und durch seine kühle Perfektion gelegentlich so unnahbar wirkt als käme er von einem anderen Stern.

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