Antares DLR-H2:Der Flüster-Flieger

Brennstoffzellen-Systeme an Bord von Passagiermaschinen sollen zukünftig die Hilfsturbinen ersetzen. Ein Versuchsträgers startet noch in diesem Jahr zum Erstflug.

Klaus C. Koch

Ein normaler Motorsegler sieht anders aus. Denn der Flieger, der Antares genannt wird, verfügt über einen einklappbaren Propeller, der hinter dem Piloten an einem Mast über dem Rumpf schnurrt und den Start ohne Seilwinde und fremde Schlepphilfe erlaubt. Und zu Forschungszwecken wurde das Flugzeug von seinen Erbauern jetzt auch noch mit zwei Tanks, sogenannten Außenlastbehältern, versehen, die wie Düsentriebwerke unter den schlanken Tragflächen hängen.

Es handelt sich um Drucktanks, die mit Wasserstoff gefüllt sind - der liefert die Energie für eine Brennstoffzelle, die den Elektromotor antreibt. Der Hintergrund: Das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) testet mit Hilfe des Antares DLR-H2 alternative Systeme. Bei einem weiteren Projekt von Stuttgarter Flugzeugbauern namens Hydrogenius (die SZ berichtete) ist der Wasserstofftank hinter dem Pilotensitz untergebracht. Die unter sehr hohem Druck stehenden Behälter jetzt unter die Tragflächen zu verbannen, überzeugt schon aus Gründen der Sicherheit.

Noch vor wenigen Jahren hätte es kaum jemand für möglich gehalten, dass es eines Tages möglich sein könnte, ein bemanntes Fluggerät ohne Getöse und Kerosingeruch abheben zu lassen. Jetzt geht es zunächst um kleinere Maschinen, aber "in einem weiteren Schritt auch um die Bordstromversorgung größerer Jets", wie Projektleiter Josef Kallo vom DLR-Institut für Technische Thermodynamik in Stuttgart erläutert.

Die Konkurrenz, der US-Flugzeughersteller Boeing, war im April dieses Jahres in ihrem Forschungszentrum bei Madrid zwar schneller mit der Premiere eines Wasserstoffseglers. Statt des üblichen Treibstoffs für Propellermaschinen lieferte eine Polymer-Elektrolyt-Membran-Brennstoffzelle die Energie für den Motor. Tatsächlich jedoch war ein zusätzlicher Batterieblock vonnöten, um das Fluggerät in der besonders energiezehrenden Startphase mit dem nötigen Strom zu versorgen.

Der Flüster-Flieger

Bei aller Euphorie herrscht aber längst Klarheit darüber, dass auch die Energie für geräuscharme und emissionslose Antriebe erst an anderer Stelle erzeugt werden muss. In Form von Wasserstoff oder in den Autobatterien ähnlichen Akkus wird sie gespeichert, um sie dann dort abrufen zu können, wo Verbrennungsmotoren verpönt sind. Aber aufgrund des hohen Aufwands für die Zusatztanks würde die alternative Energiequelle trotzdem nicht reichen, um große Jets anzutreiben.

Sowohl Boeing als auch Airbus versuchen deshalb seit einiger Zeit, zumindest jene Hilfstriebwerke, die den Bordstrom liefern, wenn größere Passagiermaschinen auf ihre Abfertigung warten, durch eine umweltverträgliche Lösung zu ersetzen. Wie eine Studie des Flughafens Zürich ergab sind diese sogenannten Auxiliary Power Units (APU) bislang immerhin für etwa 20 Prozent der Stickoxidemissionen im Flughafenumfeld verantwortlich. Das Brennstoffzellen-System des Antares ist deshalb weitgehend identisch mit einer Bordstromversorgung, die seit einiger Zeit auch an Bord eines Airbus A320 erprobt wird. Sie sei effizient, zuverlässig und erhöhe den Fluggast-Komfort, lobt Instituts-Chef Hans Müller-Steinhagen, denn: "Im Gegensatz zur traditionellen Hilfsturbine vibriert dieses System nicht."

Für entscheidend hält Andreas Friedrich, DLR-Spezialist für elektrochemische Speichersysteme, dass die Brennstoffzelle nicht nur Strom erzeugt, sondern pro Kilowatt elektrischer Leistung auch einen halben Liter Wasser in der Stunde. Im Verlauf eines mehrstündigen Transatlantikflugs zum Beispiel wären somit je nach Flugzeug zwischen 500 und 3000 Liter reinsten Wassers wiederverwendbar. Und auch die Abluft der Brennstoffzelle ließe sich weiterverwenden, da sie extrem sauerstoffarm ist. Denkbar ist deshalb, diese Abluft in die stets mit Vorsicht zu handhabenden Treibstofftanks einzuleiten; dort könnte sie, weil sich in den Tanks unter Hitzeeinwirkung entzündliche Dämpfe ausbreiten können, zusätzlich brand- und explosionshemmend wirken.

Antares soll noch in diesem Jahr zu seinem mit Spannung erwarteten Erstflug starten. Das Versuchsflugzeug basiert auf einem einsitzigen Motorsegler mit 20 Meter Spannweite, der von einem Hersteller im saarländischen Zweibrücken gebaut wird und bei Hobbypiloten auch ohne Sonderausstattung schon gute Noten einheimste. Würde der Vergleich mit einem Sportwagen bei Segelfliegern, die mit geringstem Aufwand weite Strecken zurücklegen, nicht hinken, wäre Antares spätestens nach seinem ersten geglückten Start der Porsche unter den Motorseglern.

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