Süddeutsche Zeitung

Attacken in Amerika:Mit Messern und Steinen gegen selbstfahrende Autos

Einwohner von Chandler im US-Bundesstaat Arizona gehen auf autonome Fahrzeuge von Google los. Sie fürchten, Opfer der Tests zu werden.

Von Caroline Freigang

Sie sollen die Sicherheit für Passagiere erhöhen, für mehr Effizienz im Verkehr sorgen und den Führerschein obsolet machen: So werden die möglichen Vorteile von autonomen Autos immer wieder propagiert. In Pilotprojekten sorgen die selbst rollenden Fahrzeuge allerdings immer wieder für Ärger.

Bei Uber kam es im März vergangenen Jahres sogar zu einem Todesfall: Bei dem Unfall in der Stadt Tempe im US-Bundesstaat Arizona wurde eine 49-jährige Radfahrerin von einem der Roboterautos des Fahrdienstvermittlers erfasst. Uber stoppte in der Folge vorübergehend seine Experimente. In der angrenzenden Stadt Chandler, einem Vorort der Hauptstadt Phoenix, testet derweil die Google-Schwester Waymo selbstfahrende Gefährte - und zieht damit den Hass der Anwohner auf sich.

Familienvater will Unfall seines Sohnes rächen

Seit 2017 sind in Chandler selbstfahrende Autos auf den Straßen, seit letztem Jahr dürfen auch autonome Taxis getestet werden. In den vergangenen zwei Jahren sind in der Stadt laut New York Times etwa zwei Dutzend dieser Fahrzeuge Ziel von Vandalismus geworden. Ein Mann schlitzte einem der Autos die Reifen auf, als dieses an einer Kreuzung hielt. Andere bewarfen die Versuchswagen mit Steinen oder bedrohten die Fahrer, die als Computer-Aufpasser in den Autos sitzen, mit Rohren und in einem Fall sogar mit einer Pistole. Der Waffenhalter sagte der Polizei, er "hasse fahrerlose Autos" und berief sich auf den Zwischenfall bei Uber.

Erik O'Polka, ein 37-jähriger IT-Spezialist und Einwohner von Chandler, wurde von der Polizei verwarnt, nachdem er mehrfach versucht hatte, Waymo-Autos mit seinem Jeep von der Straße abzudrängen. In einem Fall fuhr er frontal auf das Fahrzeug zu und zwang es, stehen zu bleiben. Auch seine Frau Elizabeth gab zu, Waymo-Autos auf der Straße abzudrängen und diese anzubrüllen.

Ihr Kampf gegen Waymo habe angefangen, als ihr zehnjähriger Sohn beim Spielen in einer Sackgasse fast von einem der selbstfahrenden Autos erfasst wurde, erzählen die O'Polkas. "Die sagen, dass sie Anwendungsbeispiele brauchen, aber ich will nicht ihr Praxisfehler sein", sagte Erik O'Polka der Zeitung: "Sie haben uns nicht gefragt, ob wir an ihrem Test teilnehmen wollen".

Die Angriffe würden nur einen sehr kleinen Teil der Fahrten betreffen, die Waymos Autos jeden Tag in Arizona zurücklegten, versucht hingegen eine Sprecherin des Unternehmens abzuwiegeln. Und: "Sicherheit steht im Zentrum von allem, was wir tun." Aber dieser Hass scheint nicht mehr ein Einzelphänomen zu sein. Was ist los? In der Bevölkerung gebe es Sicherheitsbedenken und Ängste, dass Jobs durch neue Technologien verloren gehen könnten, hat die New York Times beobachtet. "Die Menschen schlagen zu Recht um sich", sagt Douglas Rushkoff, Medientheoretiker am Queens College der City University of New York.

Tests sollen trotzdem weitergehen

"Die Befürchtung wächst, dass riesige Unternehmen, die an fahrerlosen Technologien tüfteln, nicht unser Bestes wollen. Denken Sie nur an die Menschen in den Fahrzeugen, die die künstliche Intelligenz trainieren, die sie am Ende ersetzen wird", so Rushkoff.

Als Reaktion würden die menschlichen Aufpasser in den Waymo-Autos seit den Attacken öfter zum Steuer greifen, berichtet die Polizei in Chandler: "Das Verhalten veranlasst die Fahrer, den manuellen Modus statt den automatischen Modus zu verwenden. Sie haben Bedenken, was die Lenker der anderen Fahrzeuge tun könnten." Es scheint dennoch, als würde man in Chandler, einer Stadt mit 250 000 Einwohnern, an den Experimenten festhalten. Der Staat Arizona begrüße autonome Autos trotz der Angriffe auf Waymo-Wagen immer noch "mit offenen Armen", twitterte Rob Antoniak, Geschäftsführer des dortigen Mobilitätsverbundes Valley Metro: "Lassen Sie nicht zu, dass einzelne Kriminelle, die Steine werfen oder Reifen zerstören, die Bemühungen zunichte machen, die Zukunft des Verkehrs voranzutreiben."

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SZ vom 04.01.2019/cku/cat
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