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Angebote der Konzerne:Was Sie über Carsharing wissen müssen

Carsharing entwickelte sich einst aus der grün-alternativen Szene, heute ist das Modell in den Vorstandsetagen der Autokonzerne angekommen. Von Daimler bis Volkswagen sind viele inzwischen mit eigenen Konzepten auf dem Markt. Die Angebote im Überblick.

Wer sich in den 1970er- oder 1980er-Jahren öffentlich zu Carsharing bekannte, wurde meist als "Öko" abgestempelt, der sich keinen eigenen Wagen leisten kann. Mehrere Personen teilen sich bei diesem Prinzip ein Auto. Bei Bedarf können Kunden so auf den Wagen zugreifen, den sie gerade benötigen. Heute hingegen gilt es als regelrecht hip, sich in Berlin, Hamburg oder München mal schnell einen kleinen Stadtflitzer für den Weg zur Arbeit zu organisieren.

Das Auto als Statussymbol hat bei vielen Menschen in Deutschland ausgedient - vor allem in Großstädten. Carsharing passt perfekt in unsere mobile Smartphone-Zeit: Schon ein Blick auf die entsprechende App reicht aus, um auszuloten, wo der nächste freie Wagen steht. Längst haben auch die Automobilhersteller diesen Markt für sich entdeckt und schicken mit unterschiedlichen Konzepten eigene Fahrzeuge ins Rennen.

  • Keine Bindung an feste Ausleihstationen

Daimler hat mit Car2Go vor fünf Jahren das erste stationsunabhängige Carsharing-Modell gestartet, das es mittlerweile in 23 Städten und sieben Ländern gibt. BMW bietet DriveNow in fünf Großstädten an, unter anderem auch in San Francisco. Im Gegensatz zum klassischen Carsharing setzen Daimler oder BMW auf so genannte Free-Floating-Angebote: Die Autos sind nicht an feste Ausleihstationen gebunden und können überall im Angebotsgebiet übernommen werden.

  • App-Dienste und Mindestmietzeit

Wo ein Auto steht, erfährt der Nutzer über das Internet oder eine Smartphone-App. Voraussetzung für diesen Service ist die einmalige Registrierung über die Homepage, was zwischen 9,90 Euro (Multicity von Citroën) und 49 Euro (Ford Carsharing) kostet. Abgerechnet werden die Autos nach Zeit. Die Mindestmietzeit beträgt meist 15 Minuten, jede weitere Minute berechnet Car2Go mit 29 Cent, DriveNow mit 24 Cent, Multicity mit 28 Cent und Quicar (VW) mit 20 Cent. Ford rechnet nach Kilometern ab und verlangt 19 Cent je Einheit, hinzu kommt ein Stundenpreis ab 1,50 Euro. Die Tagessätze variieren zwischen 39 (Multicity und Ford) und 59 Euro (Car2Go).

  • Unterschiede von Stadt zu Stadt

Obwohl sich so bereits auf den ersten Blick deutliche Preisunterschiede ergeben, konkurrieren die Angebote mit Ausnahme Berlins eher selten direkt miteinander: In der Hauptstadt sind mit Car2Go, DriveNow und Multicity drei Hersteller dabei. Während die Fahrzeuge von Daimler und BMW überall im Stadtgebiet eingesammelt werden können, haben Citroën-Kunden zusätzlich die Möglichkeit, neben der C-Zero-Flotte an Flinkster-Stationen der Bahn aufs Fahrrad umzusteigen. Auch Ford kooperiert mit Flinkster, bleibt mit seinem Angebot aber außerhalb der großen Ballungsräume. Volkswagen ist bislang nur in Hannover aktiv.

  • Testfeld für neue Modelle und Technologien

Vor allem Kleinwagen und neue E-Modelle kommen bei den Herstellern zum Einsatz, denn Carsharing eignet sich gut als Testfeld für neue Modelle und Technologien. "Seit 2012 bieten wir den voll-elektrischen BMW ActiveE bei DriveNow an, den die Nutzer ausprobieren können, ohne eine Probefahrt vereinbaren zu müssen", sagt Bernhard Blättel, Leiter der Mobilitätsdienstleistungen bei BMW. Viele Vorurteile gegenüber E-Autos ließen sich auf diese Weise abbauen. 2014 wird das E-Mobil i3 in das Programm aufgenommen.

Daimler hat den Smart fortwo bei Car2Go im Einsatz und setzt ebenfalls zunehmend auf E-Autos, während Citroën sogar eine rein elektrische Flotte in Berlin an den Start gebracht hat. "Technische Neuheiten können wir dem Kunden so praxisnah zur Verfügung stellen.", erklärt Citroën-Sprecher Stephan Lützenkirchen.

Ganz so weit ist Volkswagen mit seinem Carsharing-Angebot noch nicht. Der Konzern hat in Hannover mit Quicar einen ersten Testballon mit Diesel-Golfs gestartet und will einen Teil der Flotte nun mit E-Ups ersetzen. Daneben haben sich die Wolfsburger am niederländischen Carsharing-Marktführer Greenwheels beteiligt. "Perspektivisch möchte Volkswagen eine Carsharing-Plattform für alle Marken im Konzern aufbauen, mit der auch alle Möglichkeiten des Carsharings abgedeckt werden können", sagt Gregor Faßbender-Menzel vom Tochterunternehmen Volkswagen Financial Services, das diese Aktivitäten für die Konzernmutter entwickelt. Angedacht sei beispielsweise Carsharing von Audi für Geschäftskunden.

  • Kritik an Angeboten der Hersteller

Der Bundesverband Carsharing (BCS) sieht die Angebote der Hersteller insgesamt eher kritisch. "Carsharing sollte die Umwelt entlasten und dafür sorgen, dass Autos weniger genutzt werden", sagt BCS-Pressesprecherin Gabi Lambrecht. Die Hersteller-Angebote seien vorrangig auf kurze Fahrten in Ballungsräumen ausgerichtet, wo auch der öffentliche Nahverkehr genutzt werden könne. Zudem würden mit Fahrzeugen wie dem Smart keine vollwertigen Modelle eingesetzt, in denen eine ganze Familie Platz habe.

  • Schlechtes Angebot auf dem Land

Grundsätzlich positiv betrachtet der Verkehrsclub Deutschland (VCD) die steigende Zahl an Carsharing-Angeboten, sieht aber noch viel Luft nach oben. "In den Ballungsräumen ist das Angebot sehr gut, auf dem Land hingegen schlecht", sagt VCD-Sprecherin Anja Smetanin. Hier müssten die Kunden auf privates Carsharing setzen. Grundsätzlich rechne es sich aber schnell, auf ein eigenes Auto zu verzichten. "Wer weniger als 10.000 Kilometer im Jahr fährt, für den lohnt sich Carsharing bereits."

  • Folgen für den öffentlichen Nahverkehr

Die steigende Verbreitung von Carsharing in Deutschland wird dem öffentlichen Nahverkehr nach Ansicht des VCD nicht schaden. Es sei nicht wahrscheinlich, dass viele Nutzer von Bus und Bahn auf gemeinsam von mehreren Fahrern genutzte Autos umsteigen, sagte Gerd Lottsiepen vom VCD. Carsharing sei zwar nur etwa halb so teuer wie Taxifahren. Der öffentliche Personennahverkehr sei aber deutlich billiger.

Carsharing im Alltag, klappt das? Lesen Sie hier den Erfahrungsbericht von SZ-Autor Steve Przybilla.

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