Altersgrenze für Autofahrer:Denn sie sollten wissen, was sie tun

Besonnener, aber langsamer: Wie schwer es ist, die Fähigkeiten älterer Fahrer einzuschätzen.

Marion Zellner

Alt werden - das wollen alle. Alt sein - das will niemand. Vor allem nicht in Deutschland, wo die Gesellschaft Alter mit Gebrechlichkeit, Krankheit und Vereinsamung verbindet. Und ein besonderes Reizthema zwischen Jung und Alt ist die Mobilität mit dem Auto - zumal da immer mehr Frauen und Männer bis ins hohe Alter am Steuer sitzen. Und es werden stetig mehr: Im Jahr 2020 wird ein Drittel der Automobilisten in Deutschland älter als 60 Jahre sein, das zeigt die demografische Entwicklung.

Verursacht ein alter Mensch einen spektakulären Unfall, schlagen die Wellen hoch. Wie jüngst, als ein 73-jähriger Rentner in München nach einem Schlaganfall die Kontrolle über sein Auto verlor und zwei Fußgänger erfasste - ein 23-Jähriger starb, eine Frau überlebte schwerverletzt. Wollen die einen nach solchen Ereignissen die Senioren am liebsten nur noch im öffentlichen Nahverkehr sehen, haben die Gescholtenen selbst meist kein Problem - schließlich fühlen sie sich oft fit und verweisen auf eine Jahrzehnte währende Erfahrung.

Alte Leute verursachen prozentual wenig Unfälle

Und die Statistik gibt den Senioren recht. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden sind Menschen über 65 Jahre in weniger Unfälle verwickelt als alle anderen Altersgruppen.

Ihr Anteil an allen Verunglückten betrug im vergangenen Jahr zehn Prozent, der an der Gesamtbevölkerung 19 Prozent. Zum Vergleich: Junge Fahrer zwischen 18 und 24 Jahren machen nur 8,2 Prozent der Einwohner aus. An Unfällen sind sie aber überproportional häufig beteiligt: Jeder fünfte Verunglückte gehörte im Jahr 2005 diesen sieben Jahrgängen an.

Allerdings wurden im vergangenen Jahr vier Prozent mehr Menschen im Rentenalter verletzt als im Jahr 2004 - insgesamt waren es 41. 943. Dabei erlitten sie tendenziell schwerere Verletzungen als jüngere Verkehrsteilnehmer. So waren 8,4 Prozent der Leichtverletzten, 14 Prozent der Schwerverletzten und 22 Prozent aller im Straßenverkehr Getöteten, insgesamt 1162 Menschen, jenseits der 65. Die meisten davon starben im Auto: 48 Prozent oder 471 Personen.

Schönwetterfahrer

Ein Grund dafür, warum ältere Autofahrer seltener negativ in Erscheinung treten, ist ihr Verhalten. Wie eine von Aral in Auftrag gegebene Studie des Kölner Rheingold-Instituts für qualitative Markt- und Medienanalyse zu "Mobilität und Sicherheit" aus dem Jahr 2005 zeigt, setzen sich ältere Autofahrer oft nur noch bei schönem Wetter hinters Steuer, legen kürzere Strecken in meist bekannter Umgebung zurück, meiden die Rushhour und Autobahnen.

In den tiefenpsychologisch angelegten Gesprächen umschreiben die Senioren zwar ihre körperlichen Einschränkungen und ihr Fehlverhalten, doch werden sie von ihnen nicht als solche definiert. Typische Aussagen der befragten Senioren waren: "Es muss trocken sein. Wenn es regnet, fahre ich nicht so gerne, das ist ungemütlich, das dauernde Wischen, ich bleibe dann lieber rechts und fahre langsamer."

Oder: "Den Berufsverkehr meiden wir. Als Rentner brauchen wir das nicht mehr, wie auch Staus und stark befahrene Straßen. Wir fahren lieber sonntags, wenn die Straßen frei sind." Die Autoren der Studie beschreiben das daraus resultierende Ergebnis auf pointierte Weise: "Es kann soweit gehen, dass das Auto zur Prothese, zum Rollstuhl wird - wenn man auch sonst kaum noch die Treppe heraufkommt, so fährt man doch noch regelmäßig mit dem Auto."

Aufgrund der körperlichen Defizite, die mit zunehmendem Alter stärker und vielfältiger werden, verursachen Senioren ganz typische Unfälle. Nach der Erkenntnis der Statistiker sind es vor allem "komplexe Situationen, bei denen ältere Verkehrsteilnehmer eher den Überblick verlieren als jüngere".

So waren bei Fahrern über 65 Jahre im vergangenen Jahr mit 22 Prozent Vorfahrts- und Vorrangfehler die häufigste Ursache für einen Unfall mit Personenschaden. Danach kommen falsches Verhalten beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Ausfahren (19 Prozent).

Auch wenn Senioren auf eine langjährige Routine bauen können und auch deshalb als Autofahrer im Straßenverkehr weniger auffällig sind als 18-Jährige, so zeigt sich doch, dass das Risiko mit steigendem Alter zunimmt.

Reduziert sich die Zahl aller Verursacher von Unfällen mit zunehmenden Jahren kontinuierlich, erhöht sie sich markant wieder ab einem Alter von 75 Jahren. Auch deshalb wird immer wieder darüber diskutiert, ob von einem bestimmten Alter an Führerscheinbesitzer verpflichtend Gesundheitschecks machen sollten, wenn sie die Fahrlizenz behalten wollen.

Andere Länder, andere Regeln

In Deutschland ist das Thema seit Frühjahr dieses Jahres vom Tisch. Im März einigten sich die Verkehrsminister der Europäischen Union zwar auf einen einheitlichen EU-Führerschein, doch die genauen Regelungen kann jedes Land im nationalen Recht festschreiben.

Für deutsche Autofahrer wird das bedeuten, dass die künftig 15 Jahre lang gültige Lizenz nur durch ein neues Dokument mit aktuellem Foto ersetzt werden muss. Auto- und Motorradfahrer müssen keine Prüfungen oder Gesundheitschecks machen.

Andere Länder sind da weniger zimperlich: In Italien zum Beispiel muss bereits jetzt der Führerschein alle fünf Jahre verlängert werden, und das bereits ab 50. Wer 70 Jahre und älter ist, muss ihn alle drei Jahre verlängern lassen - nach vorausgehendem Seh- und Reaktionstest. Wer bei der Untersuchung durchfällt, muss den Führerschein sofort abgeben.

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