Alternativer Antrieb:Tesla verleiht Flügel

Tesla Model X

Mit dem Model X will Tesla seinen Wachstumskurs fortsetzen.

(Foto: Tesla)

Der Elektroautopionier aus dem Silicon Valley bringt Neuerungen in Rekordzeit auf die Straße. Jetzt folgt mit dem Model X bereits das nächste spektakuläre Elektrofahrzeug.

Von Joachim Becker

Wo Mercedes draufsteht, ist Tesla drin. Die neue Mercedes B-Klasse Electric Drive fährt mit einem Antriebsstrang und Batteriepaket aus Kalifornien. Das ist ein weiterer Image-Gewinn für Elon Musk, der vor elf Jahren begann, die Autowelt grundlegend zu verändern. Während viele Autohersteller noch über eine Zukunft ohne Öl debattieren, schafft der charismatische Internet-Pionier Fakten. Tesla behauptet, dass niemand mehr Daten zum Einsatz von Elektroautos verfügt. Das ist ausschlaggebend für das Entwicklungstempo, mit dem sich das Start-up zu einem Marktführer für alternative Antriebe emporgearbeitet hat.

Es ist der Puls der digitalen Revolution, der die Traditionsunternehmen aus der Blechbiegerbrache alt aussehen lässt. Tesla wurde fast in Sichtweite zu all den Hightech-Unternehmen und Think Tanks gegründet, die das Internet-Zeitalter maßgeblich prägen. In einer ausrangierten Lagerhalle bei Palo Alto schraubte Tesla 2007 die ersten Roadster auf Basis der Lotus Elise zusammen, während ein Experten-Team längst eine größere Vision verfolgte. Ein echter Coup gelang Elon Musk, als er 2010 von Toyota eine komplette Automobilfabrik im Silicon Valley übernahm. Experten schätzen den Wert des Standorts auf rund eine Milliarde US-Dollar. Tesla bezahlte lediglich 45 Millionen für eine moderne Fabrik, in der seit 2012 die Elektrolimousine Model S produziert wird.

"Eine einmalige Gelegenheit"

"Momentan fertigen wir 500 Fahrzeuge pro Woche, mit dem Anlauf des Model X im Herbst dieses Jahres werden wir die Kapazität auf rund 50 000 Fahrzeuge jährlich verdoppeln", verrät Gilbert Passin. Der Franzose brachte 23 Jahre Produktionserfahrung mit, als Elon Musk den Leiter der Toyota-Fertigung Nordamerika Anfang 2010 abwarb. Damals hatte Tesla nach technischen Anlaufschwierigkeiten gerade einmal 1000 Elektro-Roadster produziert, vom Model S existierte nicht viel mehr als eine Design-Skizze. Trotzdem ist Passin wie so viele andere dem Charme einer großen Idee erlegen: "Das war eine Gelegenheit, die man nur einmal im Leben bekommt. Mich hat die Aussicht fasziniert, eine Automobilmarke völlig neu aufzubauen", erinnert er sich.

Der 56-Jährige hat bereits eine Fabrik in Cambridge, Ontario geleitet, die jährlich 200 000 Automobile von Toyota und Lexus in höchster Qualität produzierte. Deshalb haben seine Worte Gewicht, wenn er sagt: "Bis Ende des Jahrzehnts werden wir das Werk in Fremont mit einer Jahreskapazität von 500 000 Fahrzeugen auslasten."

Tesla ist keine Bastelbude mehr, die Kalifornier haben Experten aus aller Welt angeheuert

Eine halbe Million Elektrofahrzeuge pro Jahr? Das ist mehr als die Gesamtzahl der Stromer, die heute weltweit herumfahren. Auch Carlos Goshn, der Boss von Renault und Nissan wollte bis zum Ende des Jahrzehnts zum weltweiten Marktführer bei der Elektromobilität aufsteigen, musste seine Pläne aber jüngst einkassieren. Jetzt schaut die Branche gebannt auf Tesla: Gelingt den Amerikanern, was alle anderen bislang vor allem Lehrgeld gekostet hat - die Elektrorevolution auf der Straße?

Eine zunehmende Zahl von Neuwagenkäufern redet zwar von Klimaschutz, interessiert sich aber für geräumige SUV mit sportlicher Outdoor-Optik und hoher Leistung. Mit konventioneller Antriebstechnik sind sich solche widersprüchlichen Anforderungen nicht zu vereinbaren. Schon eher mit einem sportlichen Elektro-SUV. Das Model X von Tesla soll noch 2014 auf den Markt kommen - drei Jahre vor einem vergleichbaren Modell, das Audi-Chef Rupert Stadler angekündigt hat.

Model-S-Technik als Basis

Tesla Model S auf der NAIAS 2014

Die dynamische Elektro-Limousine Tesla Model S verkauft sich gut. Aktuell entstehen rund 500 Exemplare pro Woche.

(Foto: Bloomberg)

Der City-Offroader aus den USA verwendet die Aluminiumkarosserie aus dem Model S, auch hier passen die Panasonic-Batterien in den Boden unter dem Fahrgastraum. Der niedrige Schwerpunkt verschafft dem SUV viel Bodenhaftung und Dynamik. Wer das Tesla Model S gefahren ist, weiß, wie rasant man mit einem Zweitonner unterwegs sein kann. Augenfälligste Unterschiede zur Limousine sind neben der höheren Dachlinie vor allem die Flügeltüren des Model X. Der integrierte Klappmechanismus schafft einen bequemen Zugang zu den sieben Sitzen in drei Reihen.

Mit einer Kapazität von rund 90 Kilowattstunden soll auch der knapp fünf Meter lange Siebensitzer bis zu 480 Kilometer weit kommen. Elektroautos müssen keinen Verzicht bedeuten, so die verheißungsvolle Botschaft aus Kalifornien. Dass sich die Panasonic-Batterien noch nicht über ein ganzes Autoleben lang bewährt haben, ficht viele Tesla-Kunden ebenso wenig an wie die hohen Preise und die permanente Weiterentwicklung der Elektrofahrzeuge auch nach der Auslieferung. Kein traditioneller Hersteller könnte bei technischen Problemen auf eine ähnliche Nachsicht hoffen wie das Start-up aus Kalifornien. Selbst die Brände in drei Tesla-Limousinen verursachten 2013 zwar viel Medienrummel, beunruhigten die Tesla-Community aber nicht nachhaltig.

Die Kalifornier reagierten umgehend, legten das Model S höher und schützten den Unterboden mit einer Titanplatte gegen ein Eindringen von Fremdkörpern in den Batteriepack. Auch die bereits ausgelieferten Autos wurden nachgerüstet, ohne dass die Kundenloyalität merklich Schaden genommen hätte. Schon beim Tesla Roadster waren erstaunlich viele Käufer bereit, rund 100 000 Euro zu zahlen, um als inoffizielle Testfahrer unterwegs zu sein. Ihr Feedback trug erheblich dazu bei, den Stromer von anfänglichen Fehlern zu befreien und wie eine Software permanent weiterzuentwickeln. Wie in der Computer- und Elektronikbranche zählt auch bei Tesla vor allem der schnelle Entwicklungstakt, der Neuerungen in Rekordzeit auf die Straße bringt. Entsteht im Westen Amerikas eine ganz neue Automobilkultur?

Noch ist das Geschäftsmodell nicht nachhaltig, dafür ist der Aufwand an Entwicklung zu hoch

Wer die ehemalige Toyota-Fabrik in Fremont besucht, muss anerkennen, dass die Kalifornier aus der Bastelbudenzeit längst heraus sind. Dort wird nach den strengen Qualitätsanforderungen von Toyota und deutschen Herstellern produziert. Auch die Tesla-Akkus machen - entgegen der Skepsis von Batteriefachleuten - bisher erstaunlich wenig Probleme. "Die Qualität der gelieferten Tesla-Batterien war von Anfang an sehr gut", berichtet Herbert Kohler, "daran haben wir uns beim Aufbau unserer eigenen Batterietechnologie in der Deutschen Accumotive gemessen", so der Leiter E-Drive & Future Mobility in der Forschung und Vorentwicklung von Daimler.

Sind die Zeiten der braven und reichweiten-beschränkten Ökoautos nun endgültig vorbei? Noch ist Tesla kein Selbstläufer, die Modellentwicklungen der vergangenen Jahre und den Ausbau der Fabrik haben die Elektropioniere aus ihrem Börsengang und einem Staatskredit über rund eine halbe Milliarde Dollar finanziert. Nachhaltig wird die Unternehmensbilanz erst, wenn Tesla nicht nur mit dem Model X, sondern Ende 2016 auch mit einem Mittelklassemodell Erfolg hat, das in den USA 35 000 Dollar, umgerechnet rund 25 000 Euro, kosten soll.

Um diesen Kampfpreis zu erreichen, will Elon Musk sogar eine eigene Batteriefabrik bauen. Wieder schütteln viele Automobilexperten den Kopf - so wie sie schon bei früheren Ankündigungen Bedenken angemeldet hatten. Doch die automobile Revolution könnte schneller weitergehen, als erwartet. Es ist eine Steilwandfahrt, die kein Tempo verlieren darf, um die Kurve zu kriegen.

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