Alternative Antriebe:Wasserstoff gegen Batteriepanzer

Mercedes-Benz GLC F-CELL (X253) 2017  Mercedes-Benz GLC F-CELL (X253) 2017

Tanken statt Laden: Die Drucktanks des Mercedes GLC F-Cell lassen sich in fünf Minuten problemlos mit 4,4 Kilogramm Wasserstoff befüllen.

(Foto: oh)

Die neuen Luxus-Elektroautos von Audi und Mercedes sind zu schwer und teuer für den Massenmarkt, sagen Kritiker. Jetzt wird der Ruf nach der Brennstoffzelle wieder laut.

Von Joachim Becker

Das Wesentliche steht im Kleingedruckten. In der Zeile "Gesamtgewicht" zum Beispiel: 2,5 Tonnen bringt der neue Elektro-SUV von Mercedes auf die Waage - 650 Kilogramm mehr als der gleich große GLC-Benziner. Genau so viel wiegen die Akkus des EQC mit 80 Kilowattstunden (kWh) Kapazität für 400 Kilometer Reichweite. Die Stuttgarter planen "recht hohe Stückzahlen", weil sie ihren CO₂-Flottenwert reduzieren müssen. Auch Audi will von seinem neuen Elektro-SUV bis 2020 mehr als 50 000 Stück pro Jahr verkaufen. Der 4,90 Meter lange E-tron schleppt 700 Kilogramm Batterien mit sich herum. Mit Klimaschutz haben solche Elektrobrummer nur noch bedingt zu tun.

Wie es anders geht, zeigt der Mercedes GLC F-CELL: Bei gleicher Reichweite wiegt das Wasserstoffauto 370 Kilogramm weniger als der EQC. Die Gewichtsersparnis entspricht vier Erwachsenen samt Gepäck. Elektrisch fahren beide, die Fuel-Cell-Variante erzeugt den Großteil des Stroms aber in ihren Brennstoffzellen. Zwei Tanks mit 4,4 Kilogramm Speichervolumen sorgen für den Wasserstoffnachschub. Zusätzlich kann der Plug-in-Hybrid Energie für 50 emissionsfreie Kilometer aus der Steckdose saugen und in einem kleinen 9-kWh-Akku speichern. Wesentlich schneller geht allerdings das Wasserstofftanken: Es dauert nur so lange wie der übliche Abstecher an die Zapfsäule. Allerdings gibt es erst 50 H₂-Tankstellen in Deutschland.

Bei der groß angelegten Elektro-Offensive spielt Wasserstoff zunächst eine Nebenrolle. Statt Brennstoffzellen selbst herzustellen, kaufen die deutschen Hersteller lieber Batteriezellen zu. Wie alle anderen Autohersteller sind sie von wenigen Lieferanten aus China, Korea und Japan abhängig. Die langfristige Versorgung mit raren Zellmaterialien wie Kobalt ist ebenso kritisch wie die effiziente Wiedergewinnung der Schwermetalle aus Altbatterien. "Wir sollten den Elektro-Massenmarkt nicht nach dem Vorbild der großen Batterien aufbauen", warnt deshalb der Produktionsprofessor Günther Schuh. Mit der jetzigen und der absehbaren Batterietechnik sei eine Massenmobilisierung so nicht zu machen, sagt der Querdenker aus Aachen.

Nach dem erfolgreichen Aufbau und Verkauf des Streetscooter-Projekts für Elektrotransporter hat Schuh die Ego Mobile GmbH gegründet, die momentan die Produktion eines City-Stromers vorbereitet. Der 3,35 Meter kurze Ego Life wiegt knapp eine Tonne und ist ein radikaler Gegenentwurf zu den Luxusstromern der Premiumhersteller: Mit 15 bis 24 Kilowattstunden hat der Zweitürer nur rund ein Viertel der Kapazität an Bord, außerdem kostet er weniger als 20 000 Euro - ein Viertel des Audi E-tron und die Hälfte des BMW i3. Der Elektroantrieb von Bosch begnügt sich im Durchschnitt mit 12,4 kWh je 100 Kilometer. Das Wägelchen im Smart-Format will kein Universalauto für die Kurz- und Langstrecke sein, sondern Teil einer intelligenten, urbanen Mobilitätskette.

In der Hauptsache sollen Stadt und Umland durch elektrische und autonome Kleinbusse erschlossen werden. Das entsprechende Start-up Ego Mover hat Günther Schuh gerade zusammen mit dem Zulieferer ZF gegründet. Anders als bei Mercedes soll der Wasserstoffantrieb dabei mehr als eine Statistenrolle spielen. "Stellen sie sich einfach mal die Reichweite vor. Der batterieelektrische Ego Mover mit 180 Kilometer Reichweite löst zwar das Innenstadt-Problem, aber nicht die ÖPNV-Anbindung ins Umland", sagt Günther Schuh.

Bei manchen Fahrzeugen ist es unsinnig, riesige Batterien einzubauen

Auch bei Kleinbussen sei es unsinnig, riesige Batterien einzubauen. Deshalb gründet der umtriebige Professor nun die Ego Rex GmbH. In einem Joint Venture mit der Proton Motor Fuel Cell GmbH aus Puchheim bei München soll ein kostengünstigen Brennstoffzellen-Reichweitenverlängerer (englisch: range extender) entwickelt und produziert - sowie an Dritte verkauft werden. Der Leitgedanke ist immer derselbe: Statt Luxusprodukte zu bauen, will Schuh den elektrischen Antrieb demokratisieren. Damit die Batterie relativ klein bleiben kann, sorgt die Brennstoffzelle für 30 Kilowatt Konstantleistung. Die Rollen sind bei diesem Hybridantrieb klar verteilt: Die Batterie mit 35 oder 60 kWh ist für dynamische Lastwechsel zuständig, während die Betriebspunkt-optimierte Brennstoffzelle auch in Standzeiten kontinuierlich Strom liefert.

So lässt sich auch ein Kleinbus mit 3,5 Tonnen oder ein Transporter mit 2,8 Tonnen Gesamtgewicht antreiben. Weil die Brennstoffzelle im phlegmatisierten Dauerbetrieb relativ wenig Energie verbraucht, reicht ein Vorrat von 2,5 Kilogramm Wasserstoff für mehr als 300 Kilometer. Die Hybrid-Lösung ist deutlich kompakter und leichter als eine Batterie für die gleiche Reichweite. Auch bei den Kosten soll der Wasserstoffantrieb durch die industrielle Fertigung auf- und schließlich überholen. Schuh will den Reichweitenverlängerer 2021 in einem Volumen von 15 000 Stück jährlich fertigen. Ein Jahr später sollen es schon 20 000 Einheiten pro Jahr sein. "Bisher werden Brennstoffzellen nur in kleinen Stückzahlen mit viel Handarbeit gebaut. Wir wollen erstmalig großindustrielle Prozesse und Kostenvorteile nutzen", sagt Professor Schuh: "Das verändert die Spielregeln!"

Hinweis der Redaktion

Ein Teil der im "Mobilen Leben" vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

Wie schon öfter könnte das Entwicklerteam aus dem Umfeld der RWTH Aachen den Autokonzernen einen Schritt voraus sein. "Brennstoffzellen haben in China und ganz Asien eine steigende Bedeutung bei emissionsfreien Antrieben. In Europa gibt es ein gut entwickeltes Forschungsnetzwerk zu diesem Thema, auf das wir jetzt zurückgreifen können", sagt Stefan Dany, leitender Manager bei der Ego Rex GmbH. Genau wie Korea und Japan hat die chinesische Regierung umfangreiche Fördermaßnahmen rund um den Brennstoffzellenantrieb beschlossen. Die chinesische Firma Weichai Power wurde gerade zum größten Anteilseigner beim kanadischen Brennstoffzellen-Pionier Ballard Power. Eine strategische Investition in die Zukunft.

Auch Audi spricht von einer "beschleunigten Entwicklung der Brennstoffzelle zur Großserie". Eine Kooperation mit Hyundai inklusive Patent-Tausch soll die Ingolstädter voranbringen. Für Anfang des kommenden Jahrzehnts planen sie aber nur eine Kleinserie von Oberklasse-SUV mit Wasserstoffantrieb. BMW arbeitet schon länger mit Toyota an der nächsten Generation des alternativen Antriebs, und plant ebenfalls eine Kleinflotte für 2020. Realistische 400 bis 500 Kilometer im WLTP-Zyklus seien das Ziel bei einem Tankvolumen von sechs Kilogramm Wasserstoff. Tesla-Fahrer wissen, dass Batteriestromer bei kaltem Wetter und Autobahntempo weit hinter solche Reichweiten zurückfallen.

2025 sollen Brennstoffzellen nicht teurer als Batterien sein. Dann beginnt das Umdenken

Auch Daimler plant die Serienfertigung eines modular aufgebauten Wasserstoffantriebs. Kompakte Brennstoffzellenstacks mit rund 100 kW Leistung sollen je nach Einsatzzweck miteinander kombinierbar sein. Die Batterie sei auf der Kostenreduktionskurve deutlich weiter als die Brennstoffzelle, gibt Christian Mohrdiek zu, der die Brennstoffzellen-Entwicklung bei Daimler leitet: "Platin ist aber nicht mehr der größte Kostenfaktor. Diese Entwicklung haben wir im Übergang von der B-Klasse zum GLC vollzogen, sie hat tatsächlich sieben Jahre gebraucht." Ähnliche Fortschritte meldet Volkswagen: Zusammen mit der Universität Stanford haben die Wolfsburger ein neues Verfahren entwickelt, um die Platinatome extrem dünn auf einer Kohlenstoffoberfläche zu verteilen. Dadurch ließe sich die derzeitig benötigte Menge des kostspieligen Edelmetalls auf einen Bruchteil verringern und gleichzeitig die Haltbarkeit erhöhen.

Der Weg vom Forschungslabor in die automobiltaugliche Großserie ist auch hier noch weit. Die deutschen Autohersteller konzentrieren sich auf Batterieautos und entwickeln für viel Geld neue Plattformen. Für Brennstoffzellenfahrzeuge wären solche Investitionen aber gar nicht nötig. Um sechs oder mehr Kilogramm Wasserstoff für bis zu 800 Kilometer Reichweite im Fahrzeug unterzubringen, ist die sogenannte "Flachspeicherarchitektur" moderner Batteriefahrzeuge ungeeignet. Statt ihn in 15 Zentimeter Aufbauhöhe zu quetschen, passt ein großer Tankzylinder besser in einen breiten Mitteltunnel. Zwei kleinere Flaschen für das Druckgas lassen sich dann noch quer vor und hinter der Hinterachse unterbringen. Wasserstoff-Pkw werden also auch künftig die traditionelle Hinterradantriebsplattform nutzen.

Mehr Platz haben Busse oder Wohnmobile. Auf der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover hat Daimler gerade das Konzept Sprinter F-Cell gezeigt. Ab 2022 sollen ähnlich große Batteriebusse von Mercedes ihre Reichweite mit Hilfe von Brennstoffzellen auf bis zu 500 Kilometer verlängern. "Wir bieten künftig jede gewerbliche Baureihe mit einem Elektroantrieb an", sagt Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-Benz Vans: "Damit decken wir aber nicht alle Einsatzzwecke ab. Deshalb ergänzen wir unsere Strategie um den Brennstoffzellenantrieb, der gerade im Langstreckenbetrieb mittelfristig große Chancen bietet." Große Nutzfahrzeuge werden aber nur in kleinen Stückzahlen produziert. Deshalb ist völlig offen, wer als erster die Kostenvorteile der Großserie erreicht.

Noch ist der Preisunterschied ausschlaggebend im Wettstreit der ungleichen Elektrobrüder. Toyota will die Kosten für den Brennstoffzellen-Stack bis 2025 auf 8000 Euro senken. Vorausgesetzt, die Produktion steigt auf 30 000 Stück jährlich. Das Ego-Team will den Gleichstand von Brennstoffzellen- und Batteriekosten schon früher erreichen: "Anfänglich werden wir auf 12 000 Euro für das Brennstoffzellen- und Tanksystem kommen. Aber die Kosten werden schnell auf die Hälfte sinken", ist Schuh überzeugt. Wenn ihm das gelingt, haben Batteriepanzer ein Problem.

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