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Alternative Antriebe:Die Brennstoffzelle ist ein Milliardengrab für Autohersteller

Autos mit Brennstoffzelle haben kaum eine Chance, den Wettlauf gegen Batterieautos zu gewinnen. Denn die Entwicklung von Akkus und Ladeinfrastruktur schreitet rasant voran.

Von Joachim Becker

So sehen gute Verlierer aus: Der SUV spurtet über die schwäbische Alb, wie es sich für ein Elektroauto gehört. Auch bergauf macht die kleine Batterie nicht schlapp. Aufkleber erklären, woher der Strom hauptsächlich kommt. Nicht aus der Steckdose, sondern vor allem aus dem bordeigenen Kraftwerk. Willkommen in der Wasserstoff-Zukunft, die im Pkw zu Ende ist, bevor sie richtig angefangen hat.

"Die Brennstoffzellentechnologie ist integraler Bestandteil der Daimler-Antriebsstrategie", betont Christian Mohrdieck. Doch der Mercedes GLC F-Cell aus seiner Entwicklung bleibt ein Forschungsfahrzeug. Die Technik hat Fortschritte gemacht und passt in den SUV. Eine Zukunft hat sie in diesem Format trotzdem nicht.

Auf absehbare Zeit werden emissionsfreie Pkw aus Deutschland ausschließlich aus Batterien angetrieben. "Was wir im Augenblick sehen, ist, dass sich der Anwendungsfall für Brennstoffzellen zu immer größeren Fahrzeugen verschiebt", sagt Klaus Fröhlich. Grund sei die steigende Energiedichte von Batterien. "Wenn diese Entwicklung weiter fortschreitet, liegt der Haupteinsatzzweck der Brennstoffzelle nur noch bei Nutzfahrzeugen, die wir nicht herstellen", so der BMW-Entwicklungsvorstand. Auch Peter Mertens moderiert die Wasserstoff-Zukunft ab: "Ich sehe die Feststoffbatterie deutlich eher in einer Massenanwendung als die Brennstoffzelle." Audis Entwicklungsvorstand ist für das Thema im gesamten Volkswagen-Konzern verantwortlich. Das gibt seinem Urteil Gewicht.

Audi-Chef Rupert Stadler will zwar genau wie BMW zu Beginn der 2020er-Jahre eine Kleinserie mit dem Wasserstoffantrieb auf die Straße schicken. Doch das ist nichts im Vergleich zu den Milliarden-Investitionen in reine Batterieautos. Daimler-Boss Dieter Zetsche sprach schon vor einem Jahr von "unglaublichen Ressourcen, die auf die batterieelektrische Entwicklung gerichtet sind und sehr kleine Ressourcen für die Brennstoffzelle". Grund sei, dass die Hauptvorteile des Brennstoffzellenantriebs - die signifikant größere Reichweite und die deutlich kürzere Betankungszeit - in den vergangenen fünf Jahren drastisch zusammengeschmolzen seien: "Diese Vorteile haben sich aufgrund der stärker als damals erwarteten Entwicklung der batterieelektrischen Fahrzeuge signifikant reduziert". Eine klare Weichenstellung, denn Forschung und Entwicklung werden in der Autoindustrie von den Marktchancen bestimmt.

Heikle Primadonnen unter der Motorhaube

Lange hat es niemanden gestört, dass Brennstoffzellen heikle Primadonnen unter der Motorhaube sind. Nicht nur, weil die Zellmembranen von gefrierendem Wasser und kleinsten Verunreinigungen im Wasserstoff zerstört werden. Auch der Platingehalt machte die dünnen Zellschichten im Stapel zu einer Wertanlage im höheren fünfstelligen Bereich. Das Kaltstartproblem wurde durch Hochdruck in den Zellen gelöst und die Kosten für das Edelmetall mittlerweile drastisch gesenkt.

"Platin ist nicht mehr der größte Kostenfaktor in der Brennstoffzelle, wir haben den Gehalt um 90 Prozent gegenüber dem Vorgängermodell reduziert", berichtet Christian Mohrdieck: "Wenn ich eine vollindustrialisierte Brennstoffzelle hätte, also eine Jahresproduktion von 50 000 Stück oder 200 000 über die gesamte Laufzeit, dann kämen die Kosten deutlich runter", weiß der Experte. Doch davon kann keine Rede sein. Vom GLC F-Cell werden insgesamt nur ein paar hundert Exemplare gebaut, die nicht verkauft, sondern nur vermietet werden. Der Preis steht noch nicht fest, kostendeckend wird er in keinem Fall sein. Toyota will den finanziellen Aufwand für das System beim Mirai-Nachfolger ebenfalls halbieren. Sollte der Wasserstoffantrieb aber eine Insellösung in Japan und Korea bleiben, rechnet sich das trotzdem nicht.

Die Brennstoffzelle bleibt ein Milliardengrab für die Autohersteller. 1994 stellte Mercedes das erste Fahrzeug mit Wasserstofftanks vor. Der NECAR 1 war ein Lieferwagen, der außer der teuren Technik und zwei Passagieren nichts transportieren konnte. Weitere Kleinserien folgten, mit der B-Klasse F-CELL umrundete Daimler 2011 sogar die Welt. Weil die Infrastruktur fehlte, musste ein Wasserstoff-Sattelschlepper hinterherfahren - samt einer rollenden Pumpstation für die 700-bar-Hochdrucktanks. Noch immer ist die Wasserstoffversorgung Glücksache. 2016 existierten auf der Welt lediglich 260 H₂-Tankstellen. Am 5. März wurde in Ingolstadt immerhin die 45. deutsche Zapfmöglichkeit in Betrieb genommen. Bis 2019 soll das hiesige Tankstellennetz auf 100 H₂-Stationen und bis 2023 auf 400 Zapfstellen wachsen. Doch viele der bisherigen Versorgungseinheiten sind Prototypen für Forschungseinrichtungen, die öfters den Dienst quittieren. Mit der Versorgungssicherheit wie man sie von Gastankstellen kennt, hat das noch nichts zu tun.

Elektroautos holen auf

Vieles spricht für Wasserstoff, zum Beispiel die höhere Energiedichte als bei Lithium-Ionen-Batterien. Diese speichern aktuell zwischen 125 und 200 Wattstunden pro Kilogramm, während es bei Wasserstoff in einem 700-bar-Drucktank laut Mercedes etwa 900 Wh/kg sind. Anders als die kleinformatigen Batteriezellen sind die zylinderförmigen, dick ummantelten Drucktanks aber sperrig. Beim GLC fassen sie - gut geschützt unter dem Mitteltunnel und der hinteren Sitzbank - lediglich 4,5 Kilogramm Wasserstoff. Die kommenden großen EQ-Elektrofahrzeuge von Mercedes räumen zwar den Unterboden frei. Viel mehr als sechs kg Wasserstoff finden aus Gründen der Crash-Sicherheit aber auch dann keinen Platz. Die entsprechende Alltagsreichweite von knapp 600 Kilometer werden Autos mit der nächsten Batteriegeneration auch bieten. Von den versprochenen 1100-Kilometer-Radius, den Mercedes vor drei Jahren bei der Studie F 015 nannte, können Pkw-Fahrer nur träumen.

Die Wahrheit des Mercedes GLC F-Cell sieht bescheidender aus: Die Wasserstoff-Vorrat reicht lediglich für 437 Kilometer im langsam gefahrenen Testzyklus, dazu kommen 49 km Batterie-Reichweite. In der Praxis werden es weniger als 400 Kilometer sein. Auch bei der Tankgeschwindigkeit schmilzt der Vorsprung des Wasserstoffantriebs rapide. Eine neue Generation von E-Schnellladern mit 150 bis 340 Kilowatt Leistung bringt selbst große Elektroautos in einer Viertelstunde wieder auf Trab. Für die Zeitersparnis von zehn Minuten werden sich Tankstellenbetreiber keine H₂-Zapfsäule zum Preis von rund einer Million Euro zulegen, sondern höchstens eine weitere Kaffeemaschine.

Die letzte Chance für die mobile Brennstoffzelle könnte die chinesische Regierung sein. Mehrere Tausend Busse und Transporter sind in China bereits mit Wasserstoff unterwegs, die Brennstoffzelle wurde in den aktuellen Fünfjahresplan aufgenommen. Schon spricht ein deutscher Börsenbrief von einem Schwenk weg von der reinen E-Mobilität hin zur Wasserstoff-Technik. Bis zum Jahr 2030 sollen demnach 3000 H₂-Tankstellen in China entstehen. Ausschlaggebend ist aber die schlechte Luft in den Städten und weniger der Klimaschutz. "Von der Ökobilanz her ist die Brennstoffzelle im Moment nicht so prickelnd", macht Peter Mertens klar, "um Wasserstoff durch Elektrolyse herzustellen, braucht es wahnsinnig viel Energie." Außerdem sei die Wasserstoff-Infrastruktur deutlich komplexer als die Stromversorgung von Elektroautos. Sein Fazit: "Mit Wasserstoff kann man Emissionen steuern, aber im Moment nicht vermeiden."

Die Kosten für eine flächendeckende Wasserstoffinfrastruktur und eine Batterieladeinfrastruktur liegen gar nicht so weit auseinander. Zu diesem Schluss kommt eine Szenario-Analyse des Forschungszentrums Jülich. Das Problem ist nur: Beides wird sich kaum ein Land leisten können oder wollen. Laut Klaus Fröhlich werden Brennstoffzellen erst 2025 das Niveau der besten Batterien erreichen. Bis dahin ist der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für die reinen Stromer weit fortgeschritten, während die Wasserstoffinfrastruktur hinterherhinkt. Dieser Vorsprung von zehn Jahren könnte den Ausschlag geben bei der Energiewende auf der Straße.

Trotzdem geht die Forschung an der Brennstoffzelle weiter, weil Europa hier weltweit in der ersten Liga spielt. Anders als bei Batteriezellen, wo alles am Tropf der Chinesen, Koreaner und Japaner hängt. Die Versorgung mit raren Zellmaterialien ist ebenfalls unsicher. Als Technologie in Reserve hat die Brennstoffzelle noch lange nicht ausgespielt.

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Quelle:
SZ vom 31.03.2018/mike
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