Alternative Antriebe:Den Plug-in-Hybriden steht eine steile Karriere bevor

Der Plug-in-Hybrid Porsche Cayenne E-Hybrid in der Phantomgrafik.

Mit Benzin- und E-Motor samt extern aufladbarer Batterie: Der Porsche Cayenne E-Hybrid ist ein klassischer Plug-in-Hybride.

(Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG)

Noch erfüllt kaum ein reines Elektroauto die Ansprüche moderner Mobilität. Davon könnte eine Fahrzeuggattung profitieren, die bisher nur eine ungeliebte Zwischenlösung war.

Von Joachim Becker

Manchmal muss es einfach Kaviar sein. "Jeden Tag ein bisschen Luxus", verspricht Opel für den Astra. Der Kompakte ist zwar kein typischer Luxusschlitten. Aber ein guter Gradmesser für das, was über die automobile Grundversorgung hinaus gefragt ist: Vernetzung, Fahrerassistenz, Navigation, LED-Licht. Macht etwa 30 000 Euro für den Fünftürer in der Innovation-Ausstattung mit 147 kW (200 PS). Trotz des milden Verwöhnaromas bleibt er unter dem durchschnittlichen Neuwagenpreis von 32 800 Euro, den das Center Automotive Research (CAR) für Deutschland berechnet hat.

"Die Zukunft gehört allen", verspricht die Astra-Broschüre, was ebenso gut zu einem Elektrofahrzeug passen würde. Wer das erwähnte Luxus-Versprechen im Hinterkopf behält, bekommt beim Ampera-e allerdings ein Problem: Auf dem genannten Ausstattungsniveau ist der Opel-Stromer 20 000 Euro teurer als der gleich starke Astra-Benziner. Dabei ist der Ampera-e auch noch 20 Zentimeter kürzer, bietet entsprechend weniger Platz und wiegt 400 Kilogramm mehr. Die massige Batterie auf dem Kleinwagenfahrwerk sorgt für ein hoppeliges Fahrverhalten. Trotz seines Preises von knapp 50 000 Euro bietet der Stromer also nicht unbedingt das, was man sich unter Verwöhnaroma vorstellt.

Opel steht wie Ford und VW für das Versprechen einer modernen Massenmobilität. Mit ihren bisherigen Stromern erfüllt keine der Volumenmarken diesen Anspruch. Warum sollen die Kunden auf Platz für die ganze Familie samt Gepäck verzichten? Zumal die bisherigen Elektro-Reichweiten ein großer Bluff sind. Opel gibt einen Radius von mehr als 500 Kilometern an. Doch der SZ-Testwagen kam trotz frühlingshafter Temperaturen und moderater Fahrweise nicht einmal 400 Kilometer weit. Das lokal emissionsfreie Fahren erfordert noch immer ein hohes Maß an Idealismus. So wird die (Elektro-)Zukunft garantiert nicht allen gehören.

Angesichts der real existierenden Tristesse bei den Elektroautos in Deutschland kann man über das Ankündigungsfeuerwerk der Hersteller nur staunen. "Wir heben Elektromobilität auf die nächste Stufe", verspricht Audi-Chef Rupert Stadler. Jeder dritte Audi-Kunde soll sich im Jahr 2025 für eines von mehr als 20 elektrifizierten Modellen entscheiden - "die meisten vollelektrisch, ein kleinerer Teil als Plug-in-Hybride", so Stadler. Insgesamt will die Marke mit den vier Ringen dann circa 800 000 Stromer pro Jahr verkaufen - "volle Alltagstauglichkeit, keine Kompromisse, Top-Qualität und Fahrspaß" inklusive.

VW-Chef Diess wünscht sich eine Zellfertigung in Europa

Kleiner Schönheitsfehler des Elektro-Booms: Fast alle Batteriezellen kommen von einer Handvoll Zulieferer aus Asien: LG Chem und Samsung SDI aus Korea, CATL und BYD aus China und Panasonic aus Japan. Einer, der sich vor dieser Abhängigkeit fürchtet, ist Herbert Diess. Der neue Chef des Volkswagen-Konzerns hatte schon im vergangenen Jahr immer wieder eine heimische Zellfertigung angemahnt: "Ich bin der Meinung, wir brauchen eine Batteriefertigung in Deutschland. Das ist die Kerntechnologie der Elektromobilität." Auf der Volkswagen-Hauptversammlung vorige Woche legte Diess noch einmal nach. "Bis 2025 veranschlagen wir für unsere E-Flotte einen Batteriebedarf von 150 Gigawattstunden pro Jahr. Das entspricht allein für unsere Volumenmodelle auf Basis des Modularen Elektrifizierungsbaukastens einem Beschaffungsvolumen von rund 50 Milliarden Euro über Laufzeit." Verträge über rund 40 Milliarden Euro seien bereits unterschrieben worden.

"Diese Zahlen machen deutlich, dass wir im Industrieverbund mit vereinten Kräften über den Aufbau einer Fertigung von Batteriezellen in Europa nochmals verstärkt diskutieren müssen", so Diess. Das Signal an Berlin und Brüssel ist deutlich: Ohne politische Schützenhilfe geraten die Automobilhersteller in zunehmende Abhängigkeit von dem asiatischen Zell-Oligopol. Gehör findet der Appell von Diess nicht nur bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, sondern auch bei Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Auf der Hannover-Messe hat der SPD-Politiker erneut finanzielle Anreize der EU für eine Zellfertigung gefordert.

Ein EU-Kommissar fordert ein "Airbus für Batterien"

Weil will erneuerbare Energien nutzen, um die Klimabilanz von Elektroautos zu verbessern. Mit den hohen Stromkosten in Deutschland ist die energieaufwendige Zellfertigung aber nicht wettbewerbsfähig. Gerade die Erneuerbare-Energien-Umlage treibt die Produktionskosten in die Höhe. Daher bauen die asiatischen Zelllieferanten in Ländern wie Polen und Ungarn neue Werke für die Versorgung der deutschen Autoindustrie auf. Nicht wegen der günstigeren Arbeitskosten, sondern vor allem aufgrund des konkurrenzlos billigen Kohlestroms. Stephan Weil will den Standortnachteil ausgleichen: "Bund und Europa müssen für langfristig stabile und günstige Energiepreise sorgen, wenn wir dauerhaft Batteriezellen in Deutschland fertigen wollen."

Auch der EU-Kommissar Maroš Šefčovič, zuständig für die europäische Energieunion, strebt eine konzertierte Aktion verschiedener europäischer Hersteller an: "Die fehlende europäische Zellproduktion gefährdet unsere Industrie", betonte er im vergangenen Jahr und forderte ein "Airbus für Batterien". Der Vergleich mit Europas größtem Luft- und Raumfahrtkonzern ist berechtigt. Schätzungen gehen davon aus, dass die Batterienachfrage in Europa bis 2025 mit einem Wertschöpfungspotenzial von 250 Milliarden Euro verbunden sein könnte. Doch bei solchen Subventionen stellt sich Günther Oettinger quer. "Das Ganze hat in Wahrheit mit der nur eingeschränkt geglückten Energiewende und dem Aufbau von Stromproduktionsmengen zu hohen Kosten zu tun", ätzte der EU-Haushaltskommissar vor wenigen Tagen.

Eine schnelle, nachhaltige Lösung des Batterieproblems ist nicht in Sicht. Anders als Bosch hat der Zulieferer Continental zwar seine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, sich an einer Zellkooperation zu beteiligen. Wenn überhaupt, wird es aber noch Jahre dauern, bis eine entsprechende Fertigung in die Gänge kommt.

Davon könnte eine Antriebsalternative profitieren, die bisher oft im Schatten der reinen Elektroautos stand: "Wir werden unsere gesamte Modellpalette von der A- bis S-Klasse mit Plug-in-Hybriden belegen", kündigte Mercedes-Entwicklungsvorstand Ola Källenius auf dem Wiener Motorensymposium an. Bisher blieb die Nachfrage nach den Teilzeit-Stromern verhalten. Doch das soll sich mit der nächsten Technikgeneration ändern: "Wenn wir die reale elektrische Reichweite auf 50 Kilometer erweitern, dann fahren die meisten Kunden von Montag bis Freitag rein elektrisch."

Die Teilzeitstromer sollen "Intelligenz mit Emotion verbinden"

Plug-in-Hybride werden oft als technisch aufwendige Brückentechnologie ins Elektrozeitalter verspottet. Sie sind nicht Fisch und nicht Fleisch, weil sie den konventionellen Antrieb um einen starken Elektromotor und eine mittlere Batterie ergänzen. Kritiker sagen: Sie addieren Kosten und rund 200 Kilogramm Gewicht, doch der resultierende Mehrwert sei gering.

Källenius hält dagegen, dass viele Mercedes-Kunden gerne viel Leistung haben und für Langstreckenfahrten am Wochenende und im Urlaub den Verbrenner nutzen wollen. Die Teilzeitstromer sollen künftig "Intelligenz mit Emotion verbinden", so Källenius: "AMG hat mit der Entwicklung einer Performance-Variante für den Plug-in-Hybrid begonnen, die in unserm GT 4-Türer als erstes eingesetzt wird." 500 PS darf man für so einen Elektro-Schocker bestimmt veranschlagen. Und das gute Gewissen fährt vermeintlich mit: So ein Vollgas-Stromer wird wie alle Plug-in-Hybride mit den CO₂-Werten eines Öko-Autos zertifiziert.

Mercedes bringt den Plug-in-Diesel

Auch BMW versucht, den alternativen Antrieb aus der Müsli-Ecke zu holen. Der BMW 7er Plug-in-Hybrid mit dem schwächlich tönenden Vierzylinder dürfte schon bald zum Relikt für China werden. Für mehr Freude am Fahren wollen die Münchner ihren Reihensechszylinder mit einer starken E-Maschine verheiraten. Elektrische Leistungen von mehr als 100 kW sind genauso geplant wie eine emissionsfreie Reichweite von bis zu 100 Kilometern. "Ab 2020 können wir alle Modellreihen mit jeder Antriebsart ausstatten", kündigte BMW-Boss Harald Krüger im März dieses Jahres an.

Doch das bedeutet nicht, dass auch jede Karosserievariante frei konfigurierbar ist. Der Plug-in-Hybrid (PHEV) bleibt bis auf weiteres den Limousinen vorbehalten, einen Touring mit Ladestecker wird es mangels Nachfrage nicht geben. Auch einen Diesel-PHEV will BMW nicht anbieten. Mercedes wird diese Nischenlösung dagegen noch in diesem Jahr in der C-Klasse und E-Klasse auf den Markt bringen. Technisch Eckpunkte in Kombination mit dem neuen Vierzylinder-Dieselmotor OM 654: 9-Gang-Hybridgetriebe, 90 kW elektrische Leistung, 440 Nm zusätzliches Drehmoment und eine elektrische Reichweite von rund 50 Kilometer. Ein Verzichtsmodell ist dieser Plug-in-Diesel bestimmt nicht.

Großer Vorteil des Teilzeitstromers: Selbst an einer üblichen Haushaltssteckdose lassen sich die 13,5 kWh Energieinhalt der Batterie innerhalb von sieben Stunden nachladen. Mit einem Auto wie dem Opel Ampera-e oder den kommenden Hochleistungsstromern der Premiumhersteller braucht man dieses Kunststück gar nicht erst zu versuchen.

Noch komfortabler ist das induktive Laden, das BMW und Mercedes in den nächsten Wochen einführen werden. Beim BMW 530e iPerformance genügen 3,7 kW Ladeleistung, um den Hochvoltspeicher steckerlos und automatisch in 3,5 Stunden vollständig nachzuladen. Eine europaweite Initiative für kontaktloses Laden will noch in diesem Jahr einen technischen Standard für elf kW festlegen. Damit wäre auch ein leistungsstarker Plug-in-Hybrid nach einer Stunde wieder voll einsatzbereit. Ob und wann eine entsprechende Infrastruktur im öffentlichen Raum verfügbar ist, bleibt abzuwarten.

Immer wieder bequem etwas Strom nippen, statt eine massige Batterie spazieren zu fahren: Die Idee klingt gut, denn die Kundenanforderungen ändern sich auch mit dem alternativen Antrieb nicht wirklich: Komfort, Langstreckentauglichkeit und der Spaßfaktor seien entscheidend für den Erfolg künftiger Stromer, glaubt Stefan Juraschek: "Die Zeit der Pioniere, die ausschließlich elektrisch fahren wollen, ist vorbei", sagt der BMW-Chefentwickler für E-Antriebe: "Die Kunden wollen erst das passende Fahrzeug und dann den Antrieb mit der maßgeschneiderten elektrischen Reichweite dazu wählen." So wie es momentan bei der Schnelllade-Infrastruktur aussieht, könnte der kleine Bruder des reinen Elektroautos noch eine ganze Zeit lang äußerst nützlich sein.

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