Süddeutsche Zeitung

Alternative Antriebe:Biosprit oder Biogas?

Die Herstellung von Biosprit und Biogas ist technisch kein Problem - Kritiker aber warnen vor zu hohen Preisen und Öko-Risiken.

Von H.-W. Bein, W. Kramer und M. Bauchmüller

Er soll die Abhängigkeit vom Öl verringern, das Klima schützen - und gerät doch immer wieder in die Kritik: Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen. Am Donnerstag legte in Berlin der Sachverständigenrat für Umweltfragen seinen neusten Bericht vor, Titel: Klimaschutz durch Biomasse.

Anstatt aber das Hohelied des grünen Fahrens zu singen, nutzten die Umweltexperten das Gutachten für eine Warnung. "Es sollte", schreiben die Wissenschaftler, "nur ein mäßiger Ausbau der Biokraftstoffe angestrebt werden." Der Grund: Fürs Autofahren seien die Stoffe eigentlich zu schade. Besser sei es, sie in Kraftwerken zu verbrennen, Strom und Wärme daraus zu erzeugen. Schließlich kann man auch aus jeder Pflanze nur einmal Energie holen.

Lange schon sind die Eigenschaften von Biokraftstoffen bekannt, und schon im Zweiten Weltkrieg packten die Japaner Pflanzensprit in die Tanks ihrer Flugzeuge. Sie bewiesen damit, dass es selbst für Hochleistungsmotoren Alternativen zum herkömmlichen Kraftstoff aus Mineralöl gibt. Wegen der hohen Produktionskosten konnte sich die Alternative vom Acker bisher nicht durchsetzen. Die Mehrkosten für Bioethanol belaufen sich nach Berechnung der Mineralölbranche je nach Spritpreis auf drei bis fünf Cent.

Biobeimischungen haben ein Volumen von 1,5 Millionen Tonnen erreicht

Lange schien der Boom dennoch unaufhaltsam. "Biokraftstoffe: weniger CO2, mehr IQ". Nur mit mehr Intelligenz, so wirbt der Ölmulti BP in großen Zeitungsanzeigen, seien weniger klimaschädliche Emissionen zu erreichen. In Deutschland ist das Unternehmen mit seiner Tankstellentochter Aral Vorreiter beim Einsatz von Biokraftstoffen. 2004 begann BP mit der Beimischung von Biodiesel zum herkömmlichen Diesel. Ein Jahr später folgte der aus Ethanol entwickelte unaussprechliche Kraftstoffzusatz Ethyltertiärbutylether, kurz ETBE.

Im vorigen Jahr setzte die Gruppe in Deutschland bereits 850 Millionen Liter Biobeimischungen ihrem Kraftstoff zu. Insgesamt hatte der deutsche Markt der Biobeimischungen ein Volumen von 1,5 Millionen Tonnen. Zwei Drittel davon entfielen auf den Biodiesel RME, ein Drittel auf ETBE. Geht es nach den Plänen der Bundesregierung, wird dieser Anteil in den nächsten Jahren stark steigen - trotz der Warnung der Wissenschaftler. Der Ökosprit soll helfen, die Klimaziele zu erreichen.

Anfang des Jahres wurde eine Quote eingeführt. Bezogen auf den Energiegehalt müssen Ottokraftstoff 1,2 Prozent und Diesel 4,4 Prozent Biokomponenten beigemischt werden. Ab dem Jahr 2009 gilt eine Gesamtkomponente von 6,25 Prozent, die auf acht Prozent bis 2015 steigt. Auch die EU macht Vorgaben, doch inzwischen stößt diese Politik auf große Skepsis der Umweltverbände.

"Mit den Agrarflächen in Europa sind die Ziele nicht zu erreichen", so Thorben Becker von der Umweltschutzorganisation Bund. Greenpeace beklagt, dass etwa in Südostasien Regenwälder abgeholzt werden, um Palmöl-Plantagen anzulegen. Nahrungsmittel würden in vielen Regionen teurer, weil die Produktion der Energie-Rohstoffe Flächen verknappt.

Eben erst in Schwung gekommen, ist der Absatz von Biosprit in Deutschland in den vergangenen Monaten schon eingebrochen. Mit der Einführung der Quotenregelung gilt nämlich die Steuerbefreiung für Biokraftstoffe nicht mehr. Biodiesel wird seit Jahresbeginn mit neun Cent je Liter besteuert, und Bioethanol wird nicht anders behandelt als normales Benzin.

Plötzlich sind Überkapazitäten vorhanden

Die Branche spricht von Absatzeinbußen speziell beim Biodiesel von 30 bis 40 Prozent. Damit gerieten die von der Biokraftstoffindustrie in der Verarbeitungskette geschaffenen 150.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Trotz der plötzlichen Überkapazitäten entstehen noch neue Anlagen. Mitte Juni erst nahm die Gate-Tochter Neckermann Renewables das nach eigenen Angaben größte Werk für die Produktion von Biodiesel aus Rapsöl in Wittenberg in Betrieb.

Große Chancen rechnet sich dagegen die Biogasbranche aus. Etwa 3500 Biogasanlagen erzeugten im vergangenen Jahr über fünf Milliarden Kilowattstunden Strom. Für die wachsende Konkurrenz zwischen Lebensmittel- und Energieproduktion auf den Feldern sieht Ulrich Schmack keine Probleme. Schmack zählt zu den führenden Herstellern von Biogasanlagen in Deutschland.

Schließlich wurde schon vor der Erfindung des Verbrennungsmotors einmal rund ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche für die Energieerzeugung benötigt: zur Produktion von Futtermitteln für Pferde und Ochsen als Zugtiere. Heute würden weniger als zwei Prozent landwirtschaftlicher Nutzfläche für Biogas genutzt, sagt Josef Pellmeyer, Präsident des Fachverbands Biogas. Auch die Umwelt-Sachverständigen liebäugeln mit der Bio-Stromproduktion. "Die stationäre Nutzung von Biomasse zur Strom- und Wärmeerzeugung", so schreiben die Experten, sei "vorteilhaft gegenüber der Nutzung als Kraftstoff".

Verwendet wird das Biogas meist am Ort der Entstehung oder in der Umgebung. In Blockheizkraftwerken wird Strom und Wärme erzeugt. Extra-Förderung gibt es dafür auch: 17,5 Cent bringt die Kilowattstunde, garantiert.

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Quelle:
SZ vom 13.7.2007
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