Alkoholkontrolle:Einladung zum Trinken

In Hamburg müssen Polizeibeamte oft stundenlang auf die richterliche Genehmigung einer Blutprobe warten - und die Zahl der Alkoholkontrollen sinkt.

Christiane Langrock-Kögel

Eine absurde Situation: Eine Polizeistreife stoppt ein Auto, der Fahrer riecht nach Alkohol, die Beamten lassen ihn pusten. Und weil der Mann weit über der Promillegrenze liegt, will ihn die Streife zur Blutprobe mit auf die Wache nehmen. Der Erwischte stimmt dem nicht zu, da die Beamten einen richterlichen Beschluss brauchen. Das aber dauert ein oder zwei Stunden, nachts können es auch vier oder fünf Stunden werden. Und so lange dürfen sich die Polizisten mit ihrem Verdächtigen nicht vom Tatort entfernen. Wie gesagt: absurd.

Polizei Alkoholkontrolle

Heiße Luft: Selbst dann, wenn der Alkomat Alarm schlägt, dürfen die Hamburger Polizisten nichts ohne Richter unternehmen.

(Foto: Foto: M. Stolt)

In Hamburg ist das seit ein paar Wochen Realität. Dort hat die Polizei seit November die Weisung, sich streng an den in Paragraph 81 a der Strafprozessordnung vorgeschriebenen "Richtervorbehalt" zu halten - das bedeutet, dass nur ein Richter eine Blutentnahme anordnen darf. Diese Genehmigung aber kann in Hamburg nicht mehr nachträglich eingeholt werden, wie es bislang Praxis war.

Eine Reihe neuer Urteile, beginnend mit einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, haben die Polizei vorsichtig werden lassen. Die Hamburger Innenbehörde hat deshalb entschieden, betrunkene Fahrer nicht mehr mit auf die Wache zu nehmen, um dort auf die richterliche Entscheidung zu warten. Denn: Schon der Weg zum Revier gehört juristisch gesehen zur Blutentnahme.

Der Stadtstaat Hamburg ist das erste Bundesland, das den Paragraphen 81 a so radikal in die Praxis umsetzt. Und weil die Polizei Ländersache ist, agieren die Bundesländer unterschiedlich. In Nordrhein-Westfalen und in Bayern beispielsweise gilt noch die alte Praxis - hier wartet kein Beamter mit einem Alkoholisierten am Straßenrand.

Ausnahmeregelung "Gefahr im Verzug"

Aber auch dort ist klar, dass sich die Polizisten juristisch auf dünnem Eis bewegen. Denn: Eine nicht vom Richter angeordnete Blutprobe kann der beschuldigte Fahrer später vor Gericht ausschließen lassen. Wartet ein Polizist andererseits zu lange auf das Ja des Richters, lässt sich der Alkoholspiegel im Blut nicht mehr eindeutig rekonstruieren - der Beamte macht sich schlimmstenfalls der Strafvereitelung im Amt schuldig. Und ordnet er die Blutprobe selbst an, kann ihm das eine Anzeige wegen Körperverletzung einbringen. Die Rechtsunsicherheit werde auf dem Rücken der Kollegen ausgetragen, klagt die Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Bislang haben sich Beamte in Fällen, in denen kein Richter erreichbar war, auf die Ausnahmeregelung "Gefahr im Verzug" berufen. Sie galt beim "drohenden Verlust von Beweismitteln", sprich dem Abbau des Alkohols im Blut. In Hamburg darf "Gefahr im Verzug" jetzt aber nur noch angenommen werden, wenn der Fahrer zu fliehen versucht.

Es gibt viele Juristen, die kritisieren, dass der Richtervorbehalt zu oft ausgeschaltet werde; Persönlichkeitsrechte seien zu schützen. Doch die radikale Umsetzung des Paragraphen stellt die Polizei in ihrer täglichen Arbeit vor enorme Schwierigkeiten. Schließlich ist Alkohol am Steuer eine der Hauptursachen für tödliche Verkehrsunfälle. Man brauche die Blutprobe als repressives Mittel, sagt Frank Richter, GdP-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Dauert aber jeder einzelne Vorgang stundenlang, könne insgesamt weniger kontrolliert werden. "Eine Einladung zum Trinken am Steuer", nennt Richter das. Und der Hamburger Landesvorsitzende der GdP, Uwe Koßel, spricht von "Arbeitszeitverschwendung" und einer "noch dünneren Personaldecke auf der Straße". Immerhin gibt es in der Hansestadt einen nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienst, in den meisten anderen Ländern nicht.

Dem Sprecher der Hamburger Polizei, Ralf Meyer, liegen noch keine konkreten Zahlen vor. Aber er spricht von einem Rückgang der Blutentnahmen und einer geringeren Kontrolldichte. Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus, CDU, hat deshalb angekündigt, auf der Innenministerkonferenz im Mai zu besprechen, "wie wir die Abläufe beschleunigen und unbürokratischer gestalten können". Es gehe um die Sicherheit auf den Straßen, da könne man sich keine Einschränkungen erlauben. Am liebsten wären dem Senator und der Polizei, dass die Beamten ebenfalls das Recht erhielten, Blutproben anzuordnen - eine Forderung, mit der Hamburg nicht alleine ist. Auch Maria Els, im bayerischen Innenministerium zuständig für den Bereich Straßenverkehr, "hegt eine fachliche Sympathie für die eindeutige Befugnis der Polizei".

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