Süddeutsche Zeitung

Alkohol am Steuer:Traurige Rekorde

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Eine Schwedin rammt mit 4,6 Promille Alkohol im Blut zwei Garagentore und ein Auto, ein Franzose sitzt mit fast zehn Promille noch am Steuer: Gefährliche Alkoholfahrten ereignen sich überall auf der Welt. Die Regierungen greifen zu teils drastischen Maßnahmen.

Von Sascha Gorhau

Zwei Garagentore und ein geparktes Fahrzeug waren ihre Opfer: Im Juni stoppte die schwedische Polizei eine Autofahrerin mit 4,61 Promille Blutalkohol. Die 27-jährige Frau wurde in der Nähe von Sundsvall, knapp 400 Kilometer nördlich der schwedischen Hauptstadt Stockholm, aufgehalten, nachdem sie durch unsicheren Fahrstil aufgefallen war. Bert Norell von der Polizeistation in Sundsvall sagte dem schwedischen TV-Sender SVT: "Das ist Rekord. In meinen 27 Dienstjahren ist mir noch nie ein auch nur annähernd so hoher Blutalkoholwert begegnet."

Mit 4,61 Promille hält die Frau aus der Umgebung von Sundsvall zwar den traurigen Rekord der höchsten aktenkundigen Blutalkoholkonzentration in Schweden - im Hinblick auf die Häufigkeit unerlaubter Fahrten unter Einfluss von Alkohol oder anderen Rauschmittteln ist ein 50-Jähriger bisher unerreicht. 2010 wurde der Mann im mittelschwedischen Dalarna bereits zum 100. Mal wegen unerlaubten Fahrens angezeigt. Das berichtete die Tageszeitung Dala-Demokraten. Er hatte seinen Führerschein vor langer Zeit verloren und wurde schon 50 Mal wegen verschiedener Verbrechen verurteilt. Eines seiner Hauptprobleme sei seine Alkohol- und Drogenabhängigkeit.

Alkohol am Steuer ist auch in Deutschland Alltag. 2012 starben 338 Menschen in Deutschland durch Unfälle, bei denen Alkohol im Spiel war, 18.984 wurden verletzt. "Fast zwölf Prozent aller Toten im Straßenverkehr sterben durch Alkoholunfälle", sagt Carla Bormann vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Dabei drohen bei Trunkenheit am Steuer harte Strafen: Wer mit 0,5 bis 1,09 Promille Alkohol im Blut erwischt wird, ohne dabei auffällig zu werden, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Das bedeutet meist eine Geldbuße von 500 Euro, einen Monat Fahrverbot und vier Punkte in Flensburg.

81.000 Euro Strafe wegen 1,22 Promille

Das ist jedoch ein geringer Betrag im Vergleich zu der Geldstrafe, die eine Schweizerin bezahlen musste. Im September 2012 wurde die Frau betrunken beim Autofahren in Zürich erwischt und musste dafür insgesamt 100.000 Franken zahlen, umgerechnet etwa 81.320 Euro. Sie hatte einen Blutalkoholgehalt von 1,22 Promille. Dadurch war sie so berauscht, dass sie zahllose Verkehrsregeln brach. Unter anderem fuhr sie ohne Licht, vergaß zu blinken und missachtete Durchfahrverbote. Die Managerin wird die Geldstrafe jedoch verkraften können. Schweizer Medien bezeichneten sie als Multimillionärin.

Ebenfalls im September 2012 kündigte der damalige russische Regierungschef Medwedjew an, Fahren unter Alkoholeinfluss mithilfe drastischer Strafen einzudämmen. Betrunkenes Autofahren wird seitdem mit bis zu 12.400 Euro Geldstrafe und bis zu 15 Jahren Haft bestraft. Die Zahl der Alkoholabhängigen ist in Russland dreimal so hoch wie in der EU. Dort soll Medienberichten zufolge im Jahr 2000 auch der Autofahrer mit dem höchsten bisher gemessenen Alkoholpegel am Steuer auffällig geworden sein: Der Russe war demnach mit zwölf Promille unterwegs.

Den höchsten aktenkundigen Promillewert eines Autofahrers in Europa lieferte 2005 ein Franzose - mit beinahe zehn Promille. Der 37-Jährige steuerte sein Auto in der Nähe von Lyon in einen Straßengraben, so wurde die Polizei auf ihn aufmerksam. Die Polizisten konnten den extrem hohen Promillewert erst gar nicht glauben. Sie veranlassten darum eine erneute Überprüfung im Labor: Die Spezialisten bestätigten einen Wert von 9,76. Der Autofahrer war vorher noch nie im Verkehr durch Alkoholvergehen auffällig geworden.

Diese Liste dramatischer Alkoholfahrten lässt sich beinahe beliebig fortsetzen, egal in welchem Land, egal am Steuer welches Fahrzeugs. 2006 hatte ein litauischer Trucker 7,27 Promille im Blut, als die Polizei ihn kontrollierte. Er gab laut Berichten der Nachrichtenagentur dpa bei der Kontrolle an, am Abend vor der Fahrt zu viel getrunken und am Morgen gegen die Übelkeit einige Bier zu sich genommen zu haben. Im Juni 2012 wurden die Polizisten auf den Fahrer eines Müllwagens in Wolfsburg aufmerksam. Er war am Steuer zusammengebrochen - mit 4,77 Promille Alkohol im Blut. Der Mann schien die Beamten noch zu verstehen, konnte jedoch kaum sprechen.

Trunkenheit am Steuer gehört in Deutschland zu den häufigsten Vergehen. Nummer eins der Verkehrssünden sind Geschwindigkeitsübertretungen. Darauf folgen Alkoholfahrten und Vorfahrtsvergehen. Hauptsächlich Männer werden durch Trunkenheitsfahrten auffällig - und überproportional viele Jugendliche. "Sie sind unerfahren und haben noch einen jugendlichen Spaß an Geschwindigkeit," sagt Carla Bormann. In Kombination mit Alkohol ist das oft eine gefährliche Konstellation.

Denn wer mit seinem Auto einen Unfall verursacht oder auffällig fährt, begeht bereits ab 0,3 Promille eine Straftat und wird mit einem Fahrverbot oder mindestens sechs Monaten Führerscheinentzug und sieben Punkten in Flensburg belangt. Ab 1,1 Promille gelten Verkehrsteilnehmer als absolut fahruntüchtig. Fahren ist dann immer eine Straftat, keine Ordnungswidrigkeit mehr. Es droht eine hohe Geldstrafe, bei Wiederholungstätern Freiheitsstrafe. Die Fahrerlaubnis wird für mindestens sechs Monate entzogen.

Auch auf dem Fahrrad ist Alkohol riskant: Neben einer hohen Geldstrafe droht eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU) - wenn der Radler mehr als 1,6 Promille im Blut hat. Dann gilt er als absolut fahruntüchtig. Bei geringeren Alkoholwerten hat die Polizei keine Handhabe gegen Radfahrer. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) fordert eine Abstufung der Promillegrenze nach dem Vorbild des Vorgehens bei Autofahrern: Ab 1,1 Promille sollen Bußgelder verhängt werden dürfen. Doch Strafen halten Menschen seit Generationen auf der ganzen Welt nicht davon ab, betrunken unterwegs zu sein. In Thailand zum Beispiel seien 2012 während eines landesweiten Festwoche 320 Menschen im Straßenverkehr gestorben, davon 40 Prozent durch Alkohol am Steuer. Eigentlich gilt dort die Null-Promille-Grenze, sogar für den Beifahrer.

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