Alfa Romeo 4c gegen Alpine A110:Sportwagen, wie es sie nicht mehr geben dürfte

Autotest Alfa Romeo 4c gegen Alpine A110

Kaum größer als ein Golf, nur knapp 1000 Kilo schwer. Diese zwei Autos haben sich das Prädikat Sportwagen wahrlich verdient.

(Foto: Alpine/Alfa Romeo)

Endlich mal zwei Autos, die sich von der Masse abheben: die beiden Sportwagen Alfa Romeo 4c und Alpine A110 im direkten Vergleich.

Von Felix Reek

Da stehen sie nun also. Zwei Sportwagen, wie es sie eigentlich gar nicht mehr geben dürfte. Vollkommen gegen den Trend. Während Autos über jedes Segment hinweg immer größer, schwerer und luxuriöser werden, vollgestopft mit den Nebenwirkungen der Digitalisierung, wollen die Alpine A110 und der Alfa Romeo 4c von alledem nichts wissen. Nur so groß wie ein VW Golf, mit einem Gewicht von gerade einmal 1000 Kilogramm, wirken sie in ihrem Bestreben nach vollkommener Reduktion geradezu anachronistisch. Kofferräume? Fristen ein Dasein als Lücken, die beim Design vergessen wurden. Ablagefächer? Insgesamt zwei. Beide in der Alpine. Ein viel zu kurzer Handyschlitz in der Mitte und ein Schacht dort, wo das Handschuhfach vergessen wurde. Weswegen alle Gegenstände, die dort landen, in jeder Kurve von einer Seite auf die andere fliegen. Digitaldisplays? Ebenfalls nur in der Alpine. Dort wirken sie wie der Bildschirm einer Videospielkonsole aus den Neunzigerjahren, die sich in einen Sportwagen verirrt hat.

Überhaupt, wenn der Blick über die Innenausstattung beider Autos gleitet, reiht sich ein Makel an den nächsten. In der Alpine versuchen die Chromeinlagen das hässliche Hartplastikgitter über den Boxen vergessen zu machen. Der Bedienhebel für das Radio am Lenkrad stammt aus dem Renault Twingo - der letzten Generation. Und der "Schlüssel" ist eine Kunststoffscheckkarte mit ein paar Knöpfen darauf.

Aber nicht, dass es im Alfa Romeo besser wäre. Hier passt wirklich gar nichts zusammen. Statt Türgriffen ragen Lederschlaufen aus den Seiten. Das "Entertainment-System" ist ein Einbauschachtradio aus dem HiFi-Großhandel. Das einzige Zugeständnis an die Moderne: USB- und Line-In-Eingang, die an einem mit Klebeband zusammengehaltenen Kabel aus der Armatur heraushängen. Dabei wird der 4c doch in Handarbeit bei Maserati hergestellt. In diesem Fall lässt sich wohl sagen: etwas zu viel Handarbeit.

Alles richtig gemacht

Trotzdem ist bereits nach wenigen Minuten auf der Straße klar: alles richtig gemacht. Auf der steten Suche nach neuen Segmenten sind endlich mal keine SUV-Derivate herausgekommen, sondern zwei Autos, die genau das erfüllen, was bei anderen nur noch ein hohler Werbeslogan ist: den Spaß am Fahren. Auch wenn der bei der Alpine und dem 4c nicht unterschiedlicher ausfallen könnte.

Die Leistung beider Autos ist auf dem Papier ähnlich: 1,8-Liter-Vierzylindermotoren mit um die 250 PS, automatische Schaltgetriebe, beide 300 Kilogramm leichter als ein vergleichbarer Porsche Cayman. Nur die Auslegung ist ganz anders: Mit der Alpine knüpft Renault (die Franzosen halten seit 1973 die Mehrheit an der 1955 von Rennfahrer Jean Rédélé gegründeten Marke) an eine der ruhmreichsten Epochen der Firmengeschichte an. Der A110 gewann 1971 und 1973 die Rallye-WM und gilt noch heute in Frankreich als Nationalheiligtum. Weitere Modelle folgten, bis 1995 die Produktion eingestellt wurde. Als erste Gerüchte aufkamen, Renault wolle den A110 in einer modernen Version wieder auflegen, war das Interesse groß. Die Première Edition von nur 1955 Autos war bereits nach fünf Tagen ausverkauft. Die Fachpresse titelte, dies sei das beste französische Auto seit Jahrzehnten.

Natürlich ist das übertrieben. Wahr ist aber: Einen Sportwagen wie diesen gab es schon lange nicht mehr aus Frankreich. Lässt man die optischen Makel im Innenraum mal beiseite, fährt sich die Alpine tatsächlich wie kein anderer Sportwagen. Im Normalmodus durchaus auch als Alltagswagen tauglich, beginnt der Vierzylinder-Mittelmotor in der sportlicheren Stufe zu knallen und zu zischen, als fände hinter dem Fahrer ein Silvester-Konzert statt. Mit jedem Tritt auf das Gaspedal spürt der Pilot geradezu, wie die Technik unter dem Blech arbeitet. Der A110 agiert wendig, leicht und mühelos. Nichts wirkt hier hart und brutal, alles findet eher in einer eleganten fließenden Bewegung statt. Erstaunlich. Und das mit der Beschleunigung eines Porsches und den Verbrauchswerten eines Kompaktwagens von etwa sieben Liter Super im Schnitt.

Der Alfa faucht, spuckt und poltert

Von elegant und fließend kann beim Alfa Romeo 4c hingegen nicht die Rede sein. Schon der Einstieg gestaltet sich als unbeholfene Kletteraktion über die breiten und sehr tief liegenden Türschwellen. Ist der Fahrer dann endlich reingerutscht, gibt es erstaunlich viel Platz. Wenngleich es sich in eng anliegenden Sportsitzen, die gefühlt direkt auf die Straße montiert sind, nie wirklich bequem sitzen lässt.

Das Starten des Motors wischt solche Wohlstandswehwehchen beiseite. Was ist das für ein infernalischer Lärm? Von gerade einmal 240 PS? Im Stand? Und das ist erst der Anfang. Auf der Straße kennt der 4c nur eine Maxime: immer mehr, immer extremer, noch viel lauter. Der kleine Motor des Alfa ist so ohrenbetäubend, dass sich Bewohner von verkehrsberuhigten Zonen fragen dürften, wie es dieses Auto durch die Zulassung geschafft hat.

Wer auch nur einen Hauch von Bequemlichkeit erwartet, wird sie hier nicht finden. Selbst eine Servolenkung gibt es nicht. Drei Runden Einparken mit dem Alfa ersparen eine Woche Hanteltraining. Der 4c liegt ultrahart auf der Straße, jede Bodenwelle reißt am Lenkrad, jedes Schlagloch trifft direkt den Körper. Hinzu kommt der Motor, der faucht, spuckt und poltert. Da ist selbst das antiquierte Radio vergessen. Spätestens wenn der 4c auf der Autobahn unterwegs ist, übertönt das Motorengeräusch sowieso die Musik.

Ein Auto ohne Kompromisse

Trotzdem oder genau deswegen ist das Fahrgefühl im 4c einzigartig. So viel Straßenkontakt vermittelt zur Zeit kein anderes Autos. Wie das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe die Gänge nach oben drischt, ein weniger martialisches Wort beschreibt diesen Vorgang leider nicht annähernd adäquat, das ist zu keinem Zeitpunkt mühelos, sondern immer ein Kraftakt, der perfekt zum sonstigen Auftritt des Alfas passt und das erfüllt, was die Anhänger der Marke jahrelang vermisst haben: ein Auto ohne Kompromisse, bei dem man über die vielen Nachlässigkeiten wohlwollend hinwegsieht.

Genau das ist es auch, was letztlich die Alpine A110 als auch den Alfa Romeo 4c verbindet. Es sind Autos, die einzig allein zum Fahren konstruiert wurden. Und zwar so konsequent, dass alles andere hinten anstehen musste. Dass dies mit vergleichsweise kleinen Motoren bei relativ moderatem Verbrauch gelingt, ist umso beeindruckender. Selbst ein Porsche 911, der Inbegriff des Sportwagens, vermittelt nicht so ein Fahrgefühl. Er ist mittlerweile genauso vollgepackt mit Bequemlichkeiten und digitalen Spielereien wie jedes andere Auto. Keine Frage, das sorgt für einen perfekt ausbalancierten und modernen Boliden. Doch das bedeutet auch: Dem Fahrer wird in einem solchen Auto nie wirklich bewusst, wie schnell er ist. Tempo 100? 150? 200? Auf der Autobahn ist kein Unterschied zu bemerken. Das Fahrzeug signalisiert nie: Jetzt ist es genug. Stattdessen fordert es immer noch ein bisschen mehr und wiegt den Piloten in Sicherheit. Das ist natürlich ein Trugschluss.

Im Alfa und in der Alpine hingegen ist sich der Fahrer immer seiner Geschwindigkeit bewusst. Selbst geringe Beschleunigungen fühlen sich so unheimlich schnell an, dass er nicht dazu verleitet wird, es zu übertreiben. Das Gefühl für die Straße ist unverfälscht. Deswegen stellt sich die Frage Alpine oder Alfa eigentlich auch nicht. Sie lautet eher: Wie viel Restbequemlichkeit wünscht sich der Fahrer? Und wie tief kann er sich beim Einsteigen bücken?

Die Testfahrzeuge wurden von den Herstellern zur Verfügung gestellt.

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