Süddeutsche Zeitung

Airbus A400M:Spät, aber doch

Lesezeit: 3 min

In Sevilla hebt der Militär-Airbus A400M zum erfolgreichen Jungfernflug ab, woran zahlreiche Skeptiker schon nicht mehr geglaubt hatten. Wir waren mit an Bord. Mit Grafik.

Peter Blechschmidt

Er fliegt. Mit drei Jahren und 15 Minuten Verspätung startet am Freitag um 10.15 Uhr in Sevilla der Militär-Airbus A400M zum Jungfernflug. Skeptiker hatten schon nicht mehr daran geglaubt, dass dieses völlig neu konzipierte Transportflugzeug, dessen Entwicklung von Pannen überschattet war, jemals abheben würde. An diesem sonnigen Morgen nun schwingt sich der Koloss mit bemerkenswerter Leichtigkeit in den Himmel Andalusiens. In regelmäßigen Abständen meldet Chef-Testpilot Edward Strongman: "Everything is fine."

Die 2500 Gäste auf dem Werksgelände von Airbus Military in Sevilla haben schon viele Flugzeuge starten sehen. Trotzdem macht sich Premierenstimmung breit, als das 45 Meter lange Flugzeug mit seinen vier riesigen Propellern zum Start rollt. Regierungsvertreter aller sieben Bestellernationen haben sich eingefunden. Gegen Mittag trifft der spanische König Juan Carlos ein, um die Landung des A400M zu beobachten. Der Chef des Airbus-Mutterkonzerns EADS Louis Gallois macht aus seiner Erleichterung keinen Hehl. "Es hat mich mehr berührt, als ich gedacht hätte", sagt er nach dem Start. Es hat zuvor keine geheimen Probeflüge gegeben, versichert Testpilot Francois Barre am Boden. Ob die Maschine tatsächlich fliegt, weiß man also erst, wenn die Startbahn unter ihr zurückbleibt? "Genau. Das ist das Schöne an unserem Job", sagt der Pilot.

Es ist noch dunkel, als die sechs Mann der Testcrew an Bord gehen. Eins nach dem anderen werden die gigantischen Turboprop-Triebwerke angelassen, von denen jedes 11.000 PS leistet. Lange bildeten sie ein zentrales Problem in der Entwicklung: Aus politischen Gründen wurden mehrere Hersteller aus den Abnehmerländern zusammengespannt, um ein neues Triebwerk zu entwickeln. Abstimmungsprobleme waren programmiert. Jetzt laufen die Propeller offenbar rund.

Die Besatzung trägt orangefarbene Overalls und während des Fluges Helm und Fallschirm. Auch ein Rettungsboot ist dabei. Man weiß ja nie. Die Maschine ist vollgestopft mit 15 Tonnen Computern und Messgeräten, die jede Funktion überwachen und jedes Messergebnis aufzeichnen. Zunächst probiert die Crew in 8000 Fuß Höhe, etwa 2700 Meter, ob sich die Landeklappen und das Fahrwerk wie vorgesehen bedienen lassen.

Dann folgen einfache Flugmanöver, mit denen überprüft wird, ob die Bewegungen der Maschine mit den Simulationen übereinstimmen, die jahrelang am Computer erstellt wurden. Danach steigt die Maschine in größere Höhen und beschleunigt. Gegen Ende des Tests wird der Langsamflug geprobt. Die ganze Zeit über begleitet - wie ein Pilotfisch den Hai - ein kleiner Privatjet den Airbus. Die Besatzung filmt und fotografiert und zeichnet ihrerseits Messdaten auf.

Im Hangar am Boden nutzt derweil Peter Scoffham, Vizepräsident der Marketing-Abteilung, die Bühne, um die Leistungen des A400M zu preisen. Es ist schon bemerkenswert, was dieses Flugzeug alles kann: sehr hoch und sehr niedrig fliegen, bis zu 100 voll ausgerüstete Soldaten oder einen kleinen Panzer transportieren, auf Sandpisten landen und mit wenig Anlauf starten. Es gibt nur ein Problem: Das alles kann der A400M bislang nur in der Theorie.

Wie er denn emotional den erfolgreichen Jungfernflug empfinde, wird der deutsche Rüstungsstaatssekretär Rüdiger Wolf gefragt. Der antwortet trocken: "Ich habe noch nie etwas emotional für ein Rüstungsprojekt empfunden. Für mich ist das ein ganz normales Beschaffungsvorhaben." Wolf hat in den vergangenen Jahren den Ärger mit dem A400M miterlebt. Noch in Sevilla beriet er am Freitag mit seinen Kollegen aus den Partnernationen das weitere Vorgehen in den Verhandlungen mit EADS/Airbus, die bis zu 7,4 Milliarden Euro mehr für die Einhaltung des Liefervertrags verlangen.

Ob der A400M am Ende alle versprochenen Leistungen erbringen wird, ist fraglich. "Mit der Erprobung beginnt jetzt die heißeste Phase der Entwicklung", sagt Wolf. "Jetzt muss sich zeigen, was das Flugzeug wirklich kann." Immerhin, der erste Testflug dauert fast eine Stunde länger als geplant - ein gutes Zeichen. Um 14.02 Uhr setzt die Maschine nach einer Platzrunde unter dem Beifall der Airbus-Mitarbeiter wieder in Sevilla auf. Für sie ist es ein großer Tag. Die Crew erwartet ein königlicher Händedruck. Testpilot Strongman nennt den Flug "funkelnd" und das Flugzeug "phantastisch".

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Quelle:
SZ vom 12.12.2009
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