Airbus A400M:Lastwagen, flieg!

Die Airbus-Manager haben sich überschätzt und riskante Verträge unterschrieben, die nun den gesamten Konzern in Schwierigkeiten bringen.

Jens Flottau

Neulich, am Rande einer Messe in Dubai, kramte Airbus-Chef Thomas Enders seinen Blackberry aus der Tasche und zeigte stolz ein Photo, das seine Mitarbeiter ihm gerade geschickt hatten. Darauf zu sehen war das Transportflugzeug A400M, bei dem schon einmal eines der vier Triebwerke lief. Binnen zweier Tage war Enders dann selbst auf dem Testgelände in Sevilla und ließ sich vor der Militärmaschine fotografieren - dieses Mal liefen sogar alle vier Motoren. Ein Bild, das Mut machen sollte.

Airbus A400M: Der Großraumtransporter A400M bei seiner Präsentation auf einem Rollfeld des Endmontagewerkes in Sevilla, Spanien

Der Großraumtransporter A400M bei seiner Präsentation auf einem Rollfeld des Endmontagewerkes in Sevilla, Spanien

(Foto: Foto: ddp)

Wenn in dieser Woche ausnahmsweise alles nach Plan läuft, wird der Militär-Airbus am Donnerstag oder Freitag sogar zu seinem Erstflug starten. Er soll Airbus helfen, in den Verhandlungen mit den Auftraggebern wenigstens einen Teil der milliardenschweren Forderungen durchzusetzen. Andernfalls droht Airbus offen damit, nicht mehr als die zwei Prototypen zu bauen und das Projekt ansonsten abzublasen. So wie einst geplant sei das Ganze eine "Mission Impossible", so Enders. Anzahlungen in Höhe von 5,7 Milliarden Euro müsste der Hersteller in diesem Fall zurücküberweisen und zusätzliche Kosten, die sich ebenfalls auf mehrere Milliarden Euro belaufen dürften, begleichen, ohne dafür einen Cent Umsatz zu erwirtschaften.

Für Airbus wäre dies ein massives Handicap im Konkurrenzkampf mit Boeing und anderen Herstellern, die auf den Markt drängen. Nächste Woche wird wohl der ebenfalls lang verspätete Langstreckenjet Boeing 787 erstmals fliegen, wenige Tage später voraussichtlich die neueste Version des Jumbo-Jets 747.

Airbus reagiert mit dem neuen Großraumflugzeug A350, das 2013 auf den Markt kommen soll. Programme dieser Größenordnung kosten mehr als zehn Milliarden Euro. Zudem drängen die Fluggesellschaften Airbus und Boeing, bald Nachfolger für die Kurz- und Mittelstreckenmodelle A320 und 737 zu bauen, die wesentlich weniger Sprit verbrauchen. Beide Hersteller wollen solche Jets erst nach 2020 auf den Markt bringen und verweisen darauf, dass erst dann die nötigen Technologien verfügbar seien. Wahr ist aber: Derzeit könnten sie sich nach den jüngsten Pannenserien in beiden Konzernen (A380, A400M, 787) die Entwicklungskosten schlicht nicht leisten.

Die Selbstüberschätzung des Managements

Um zu verstehen, warum die A400M um vier Jahre verspätet ist, muss man Zurückgehen ins Jahr 2000. Gerade erst hatten sich die großen europäischen Luftfahrtkonzerne, unter ihnen die damalige DaimlerChrysler Aerospace, zur EADS zusammengeschlossen. Im Dezember des Jahres gaben die Größen des Sektors bekannt, dass sie mit dem Airbus A380 das größte Flugzeug der Welt bauen wollten. Das jahrzehntealte Ziel, den alten Rivalen Boeing zu überholen, schien erstmals in Reichweite zu sein.

Wäre doch gelacht, wenn da sich dabei nicht noch so nebenbei ein Propellerflugzeug für die Bundeswehr entwickeln ließe, oder? "Wir haben am Anfang gedacht, die A400M ist einfach ein fliegender Lastwagen", sagt EADS-Chef Louis Gallois heute. "Doch das Flugzeug ist viel komplexer als die A380."

Die Selbstüberschätzung des Managements führte zu einem verhängnisvollen Fehler: Der Konzern ließ sich auf einen Auftrag zum Festpreis ein, 180 Flugzeuge für 20 Milliarden Euro - und alle Risiken trägt der Hersteller. Im Militärgeschäft ist so ein Vertrag unüblich. Bei Kampfjets etwa gehen die Entwickler in der Regel an die Grenzen des technisch Machbaren, um maximale Flugleistungen herauszuholen. Entsprechend hoch ist das Risiko, dass etwas teurer wird oder länger dauert. Normalerweise wird deswegen vereinbart, dass die Kunden mögliche Mehrkosten zum Teil tragen. "Wir hätten den Vertrag damals nie unterschreiben dürfen", räumt Enders ein.

Zumal die Industrie auch nicht frei war, seine Lieferanten selbst zu wählen. So hatte der amerikanische Hersteller Pratt & Whitney einst ein viel günstigeres Triebwerk angeboten, doch die europäischen Regierungen pochten aus industriepolitischen Gründen darauf, dass die Motoren auch von europäischen Herstellern gebaut werden mussten. So sollten plötzlich Konkurrenten wie Snecma (Frankreich) und MTU (Deutschland), die sonst nichts miteinander zu tun haben, gemeinsam einen Motor bauen.

Öffentlich versuchte Airbus, dem Triebwerkskonsortium Europrop International (EPI) die Hauptschuld zuzuschieben. Doch Egon Behle, Chef des EPI-Teilhabers MTU Aero Engines, sagt, es sei "keine gesicherte Erkenntnis", dass dies stimme. Hinter den Kulissen fliegen deswegen schon längst die Fetzen. Es drohen in jedem Fall Schadenersatzprozesse und Zerwürfnisse.

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