Airbus A380:Schwachstelle unter der Haut

Meldungen über Risse im Flügel des Airbus A380 haben die Öffentlichkeit aufgeschreckt, doch die Wahrheit ist weniger spektakulär. Die fälligen Reparaturen sind bereits angeordnet.

Jens Flottau

Traut man den Schlagzeilen, dann wurde der Airbus A380 schon zum Albtraum, als der Hersteller die Produktion noch langsam hochfuhr, denn die Anschlüsse der Kabelbäume passten nicht. Zwei Jahre Verspätung, Milliarden an Zusatzkosten waren die Folge. Irgendwann war das Flugzeug dann im Einsatz, aber bald schrieb Kunde Emirates unfreundliche Briefe in die Airbus-Zentrale nach Toulouse, um über die Unzuverlässigkeit der Maschinen zu klagen. Dann zerlegte es im November 2010 ein Triebwerk beim Start in Singapur, ein Qantas A380 musste schwer beschädigt zum Ausgangsflughafen zurückkehren. Und jetzt auch das noch: Risse im Flügel, wie es in einigen Medien hieß.

Flugzeugwäsche - Airbus A380

Ein Airbus A380 der Lufthansa wird in einem Hangar auf dem Flughafen in Frankfurt am Main gewaschen. Um Schäden zu vermeiden, werden trotz modernster Technik die Flugzeuge noch immer mit Mopp und Seife gewaschen.

(Foto: dpa)

All das klingt spektakulär. Doch mit Ausnahme des tatsächlich sehr gefährlichen Triebwerkschadens - das betroffene Flugzeug ist immer noch nicht ganz fertig repariert - sind Schwierigkeiten in den Anfangsjahren eines neuen Flugzeugprogrammes im Prinzip nichts Außergewöhnliches, auch wenn sie bei der A380 extrem waren. Die Hersteller, ob Boeing, Airbus, Bombardier, Embraer, müssen gemeinsam mit ihren Kunden anfangs eine teilweise schmerzhafte Lernkurve durchlaufen, bis Produktion und Alltagsbetrieb eingeschwungen sind.

Wahr ist: Die nun aufgetauchten Haarrisse befinden sich im Inneren der Tragfläche und sind von außen nicht zu sehen. Sie wurden der European Aviation Safety Agency (EASA) zufolge während einer der turnusmäßigen Wartungen entdeckt. Die europäische Flugsicherheitsbehörde wurde wie Airbus von der betroffenen Fluggesellschaft offenbar gemäß den Vorschriften über den gefundenen Schaden informiert. Die Airline wurde nicht identifiziert. Allerdings traten die Risse an Maschinen mit einer besonders hohen Zahl von Starts und Landungen auf - diese fliegen vor allem bei Emirates und Singapore Airlines.

Federführend sind in solchen Fällen immer in erster Linie die Behörden aus der Heimat der Flugzeughersteller. Im Falle von Airbus ist die EASA verantwortlich, im Falle von Boeing die amerikanische Federal Aviation Administration (FAA). Sie geben sogenannte Lufttüchtigkeitsdirektiven (Airworthiness Directives) heraus, in denen sie Kontrollen und Reparaturen anordnen. Sie legen dabei fest, in welchem Zeitraum diese Kontrollen stattfinden müssen oder ob die Maschinen gar überhaupt nicht mehr fliegen dürfen, bevor sie überprüft werden.

Im Falle der A380 war die EASA rigide: Sie ließ den Airlines nur vier Tage oder 14 Landungen Zeit, wenn die Jets bereits mehr als 1800 Flüge hinter sich hatten. Wurden zwischen 1300 und 1800 Flüge durchgeführt, haben die Betreiber sechs Wochen oder 64 Landungen Zeit.

Airbus muss die Produktionsmethode ändern

Die Befunde der Überprüfungen sind ungewöhnlich und unerwartet. Denn selbst die ältesten Jets der Baureihe sind gerade einmal fünf Jahre alt und haben weniger als 2000 Landungen absolviert - das ist sehr wenig im Vergleich zu dem, was sie noch im Laufe ihrer Laufzeit an Flugstunden, nautischen Meilen und Landungen ansammeln werden. Und genau deswegen gaben die Schäden zunächst auch Rätsel auf. Es wäre alarmierend gewesen, wenn die Risse ein Ergebnis von Ermüdung oder Überlastung während des Flugbetriebes gewesen wäre. Denn das würde bedeuten, dass die Entwicklungsingenieure die Lasten in der Planung falsch berechnet hätten.

Beschädigt ist nicht die Außenhaut der Tragflächen, das Problem sind die Metallklammern, mit denen sie am inneren Gerüst des Flügels befestigt sind. Die Airbus-internen Untersuchungen haben ergeben, dass diese bei der Endmontage überlastet wurden und daher die kleinen Risse ausgebildet haben. Airbus betont, dies sei nie sicherheitsrelevant gewesen. Denn pro Flügel gibt es rund 60 sogenannte Rippen und pro Rippe 30 bis 40 Klammern. Selbst wenn eine davon ganz abbrechen würde, wären noch rund 2000 weitere vorhanden, um die Außenhaut zu befestigen.

Die von der EASA angeordneten Kontrollen und Reparaturen sind allerdings nicht ganz unkompliziert. Die in den Tragflächen befindlichen Treibstofftanks müssen vollständig entleert werden, damit Techniker in sie hineinklettern können. Das alleine bedeutet, dass ein A380 einen ganzen Tag am Boden stehen muss. Je nachdem, wie viel anschließend repariert werden muss, drohen daraus mehrere Tage zu werden.

Zunächst müssen nur die Maschinen überprüft werden, die auf mehr als 1300 Landungen kommen. Das sind derzeit 20 Flugzeuge, rund ein Drittel der weltweiten A380-Flotte. Die Lufthansa ist - noch - nicht betroffen, doch wenn ihre Jets die Marke erreichen, müssen auch sie untersucht werden.

Airbus muss nun vor allem aber eine Dauerlösung entwickeln und die Produktionsmethode ändern. Nur so kann vermieden werden, dass die Schäden früher oder später potentiell an allen A380 auftauchen. Solche Änderungen sind immer unbeliebt, weil aufwendig und teuer, aber sie sind möglich und in diesem Fall auch nötig.

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