Airbus A380:Riesenvogel in Schräglage

Die jüngste Testpanne des Airbus A380 könnte zu weiteren Verzögerungen im Zulassungs-Zeitplan führen. Erste Strafzahlungen waren bereits die Folge, auch die Gewinnschwelle ist noch nicht erreicht.

Tim van Beveren

Am Firmensitz des europäischen Flugzeugbauers Airbus in Toulouse war man wenig begeistert, als am Morgen des 16.Februar der Aktienkurs binnen kürzester Zeit um satte zwölf Prozent in die Knie ging. Den plötzlichen Absturz der Airbusaktie auf unter 30 Euro hatte eine unvorsichtige Äußerung von Alain Garcia, derzeit Vizepräsident Technik bei Airbus, ausgelöst.

Garcia berichtete gegenüber der renommierten britischen Fachzeitung Flight International von einem Vorfall, der sich bereits am 14. Februar mit einem A380-Testaufbau in Toulouse ereignet hatte. Dort waren bei den von den Zulassungsbehörden vorgeschriebenen Belastungstests der Flügel auf beiden Seiten Risse zwischen den Triebwerksaufhängungen aufgetreten.

Dazu kam es, als die Fläche um 7,4 Meter verbogen wurde - ein Zustand, der, wie Garcia betonte, beim normalen Flug eines A380 eigentlich nicht auftreten sollte. Der Test war der letzte von zwölf Einzelversuchen, bei denen Airbus die maximalen Belastungsgrenzen für den neuen Superjumbo verifizieren wollte.

Als "ultimate load" bezeichnet man im Flugzeugbau die vom Konstrukteur berechnete ultimative Belastung, die ein Bauteil wie Tragfläche, Höhen-, Seitenruder oder die Kabinenzelle eines Flugzeuges in seinem Betrieb erfahren darf, bevor das Bauteil versagt - also Risse auftreten oder es bricht.

Steuerlos in ein Wohngebiet gestürzt

Für Airbus ist dies ein heikles Thema, denn bereits im November 2001 war der Hersteller durch den Absturz einer American Airlines A300 in New York ins Gerede gekommen. Experten, die den Unfall untersuchten, hatten festgestellt, dass die 8,5 Meter hohe Heckflosse kurz nach dem Start abgebrochen war. Bei dem Unfall wurden 265 Menschen getötet, darunter fünf am Boden, als die Maschine steuerlos in ein Wohngebiet stürzte. Im Zuge der Untersuchung bemühten sich Airbustechniker, nachzuweisen, dass die Heckflosse erst brach, nachdem Kräfte jenseits der ultimativen Belastungsgrenzen aufgetreten waren.

Riesenvogel in Schräglage

Während aerodynamische Belastungen früher mathematisch hochgerechnet wurden, muss ein Flugzeugkonstrukteur heute den Zulassungsbehörden anschaulich nachweisen, dass jedes Bauteil diesen Kräften sogar noch mit einem 1,5-fachen Sicherheitszuschlag standhält.

Problematisch für Airbus war jedoch bei dem jüngsten A380-Test, dass der Riss schon bei knapp 97 Prozent Belastung, und somit klar vor dem Erreichen des angepeilten Wertes aufgetreten war. Die Airbus-Pressestelle reagierte überrascht auf die schnell weltweit von den Medien aufgegriffene Meldung und bemühte sich in zahlreichen Stellungnahmen um Schadensbegrenzung. Die Diskussion über den verpatzten Test kam denkbar ungünstig für den europäischen Flugzeugbauer, dessen Prestigeobjekt A380 eigentlich der Star der diese Woche stattfindenden Luftfahrtmesse Asian Aerospace in Singapur sein sollte.

Hauptproblem bleibt das Gewicht

Erneut war Airbus damit negativ ins Gerede gekommen und bot Anlass für Spekulationen. Das ist nicht günstig für die dringend notwendigen Verkäufe, denn trotz bislang gezeichneten 159 Vorbestellungen ist das A380-Projekt noch lange nicht kostendeckend. Erst mit dem Verkauf von 250 Maschinen macht der Flugzeughersteller Gewinne. Hinzu kommen Strafzahlungen an die Erstkunden für die bisher schon entstandenen Verzögerungen sowie gegebenenfalls weitere Kompensationszahlungen, wenn der A380 nicht die von Airbus prognostizierten Leistungsdaten einhält (die SZ berichtete).

Das Hauptproblem des A380 ist nach wie vor sein Gewicht. Schon lange vor dem Erstflug im April 2005 zeichnete sich ab, dass der Koloss knapp zehn Tonnen zu schwer wird. Nach einem dem Spiegel vorliegenden internen Dokument des Airbus Chefingenieurs Robert Lafontane vom April 2002 musste deshalb überall abgespeckt werden; auch an der ursprünglichen Flügelkonstruktion sollte ein gutes Prozent Gewicht eingespart werden.

Zwischen Experten wird daher derzeit diskutiert, ob Airbus diese notwendigen Einsparungen durch eine "leichtere Bauweise" des ursprünglichen Designs oder durch eine neue Konstruktion erreichen will. Das wiederum könnte auch Auswirkungen auf die angestrebten Belastungsgrenzen haben. Doch hierzu wollte Airbus gegenüber der Süddeutschen Zeitung keine Angaben machen. Deshalb ist weiterhin unklar, ob der Testaufbau in Toulouse, der nach Angaben des Airbus-Sprechers David Voskuhl gegenüber der SZ schon Ende 2004 hergestellt wurde, ein Teil betraf, das bereits von den Gewichtsreduktionen betroffen war.

Airbus-Pressesprecherin Barbara Kracht erklärte hingegen noch vergangenen Sonntag gegenüber verschiedenen Medien in Singapur, "dass die Flügel, die heute gebaut werden, nicht identisch mit denen der Bruchzelle sind". Bei dem Testaufbau in Toulouse handelt es sich nach Airbus-Angaben lediglich um ein "Vorserienexemplar". Fraglich ist allerdings, unter welchen Voraussetzungen und vor allem auf welchem Konstruktionsstand dann die von den Behörden geforderten Belastungstest für die geplante Serienversion durchgeführt wurden.

Fragen von der EASA

"Auch wir haben da noch einige Fragen an Airbus", erklärte Daniel Höltgen, Sprecher der Europäischen Agentur für Flugsicherheit EASA in Köln gegenüber der SZ. Gemeinsam mit der amerikanischen Schwesterbehörde FAA ist die EASA für die Zulassung des Passagierjets A380 verantwortlich. "In den kommenden Wochen werden deshalb sehr intensive Gespräche zwischen unseren Experten und Airbus stattfinden, bei denen auch noch einmal alle Daten kritisch beleuchtet werden."

Ob sich dadurch eine neue Verzögerung für die geplante Zulassung und Erstauslieferung eines A380 im November dieses Jahres ergibt, vermag Höltgen heute aber noch nicht abschließend zu beurteilen: "Von unserer Seite aus kann der Zeitplan eingehalten werden. Es liegt einzig allein an Airbus und wie sie uns nachweisen, dass alle unsere Vorgaben erfüllt werden."

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