Süddeutsche Zeitung

ADAC verleiht den "Gelben Engel":Parade der PS-Händler

Bundespräsident Horst Köhler fordert Deutschlands versammelte Automanager auf, "mutig vorauszudenken".

Otto Fritscher

Es ist die geballte Prominenz der PS-Branche, die an diesem Donnerstagvormittag in der leicht unterkühlten Allerheiligen-Hofkirche der Residenz versammelt ist. Wenn der ADAC Hof hält und seine "Gelben Engel" vergibt, kann es sich kein Spitzenmanager eines deutschen Automobilherstellers leisten zu fehlen. Wird doch bei dieser Preisvergabe deutlich, wer auf der Überholspur ist - und wer überholt worden ist, wie der einstige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. In den Vorjahren hatte er regelmäßig einen Platz in der ersten Reihe, diesmal findet er sich weiter hinten wieder.

Direkt vor der Bühne sonnen sich im Scheinwerferlicht sein Nachfolger Michael Macht, VW-Patriarch Ferdinand Piëch, VW-Chef Manfred Winterkorn, Audi-Boss Rupert Stadler, die Vorstandsvorsitzenden von BMW und Mercedes Benz, Norbert Reithofer und Dieter Zetsche. Die Bundesregierung vertritt Verkehrsminister Peter Ramsauer. Stargast sozusagen ist Bundespräsident Horst Köhler, der zu einer Musik in die Kirche marschiert kommt, die auch zum Untergang der Titanic gepasst hätte.

Nur zwei fehlen noch: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (weilt in Kreuth) und Stadt-Halter Christian Ude. Moderatorin Nina Ruge begrüßt den Oberbürgermeister extra, als er mit halbstündiger Verspätung vom Flughafen kommt: "Mit der S 8 hätten Sie das nicht geschafft, Herr Ude, mit dem Transrapid dagegen schon!" Es ist einer der wenigen ironischen Sätze bei dieser sechsten Engel-Verleihung. Selbst Kabarettist Gerhard Polt outet sich als bekennender Kraftfahrer - und bei seiner Nummer über einen fiktiven Autokauf hält sich der Spaß in Grenzen.

Es herrscht eher die lockere Stimmung wie bei einem Familienfest, man ist ja auch unter sich. "Innovativ" und "optimistisch" - das sind die am häufigsten in den Reden gebrauchten Wörter. So etwa auch bei ADAC-Präsident Peter Meyer, der den ADAC als einen "Felsen in der Krise" bezeichnet und den Club bis zum Jahr 2020 auf 20 Millionen Mitglieder trimmen will. Derzeit sind es schon 17 Millionen - nahezu jeder zweite private Autofahrer gehört dazu.

Bundespräsident Köhler übernimmt dann doch den Part, statt nur Weihrauch zu schwenken, auch etwas Kritik zu verteilen: "Wir müssen umdenken", fordert er, und: "Wir müssen von liebgewordenen Gewohnheiten Abschied nehmen!" Es komme auf eine "intelligente Weiterentwicklung" der Mobilität an.

Ach ja, Preise werden auch noch vergeben: Zur besten Marke hat die Jury zum dritten Mal in Folge Audi gewählt, vor Mercedes und BMW. "Nicht besonders innovativ", findet das Selbständigen-Präsident Fritz Wickenhäuser. Der Innovationspreis geht an Bosch für ein Motorrad-ABS. Zum Lieblingsauto der Deutschen haben die Leser der ADAC-Motorwelt die Mercedes-E-Klasse gekürt, vor dem VW Polo und dem BMW X1. "Mir ist es lieber, der deutsche Fußballmeister kommt aus Wolfsburg und das beliebteste Auto aus Stuttgart als anders herum", kommentiert Dieter Zetsche süffisant.

Für eine kleine Überraschung sorgt wenigstens der Qualitätspreis: Er geht an den Subaru Justy. Subaru-Deutschand-Chef Jens Becker ist es auch, der eine frische Note einbringt: "Manchmal ist es besser, weniger Autos zu verkaufen, aber dabei Geld zu verdienen", sagt er. Die Autochefs drunten klatschen artig. Becker scheint es auf der großen Bühne zu gefallen. "Ich finde Sie sehr nett und möchte nächstes Jahr wiederkommen", flötet er Nina Ruge an. Wenn da nur ein anderer Preisträger nichts dagegen hat: Linde-Chef Wolfgang Reitzle wird für seinen Einsatz für den Wasserstoffantrieb ausgezeichnet; er ist Nina Ruges Gatte.

Die Hausaufgaben stellt dann wieder Horst Köhler. Die Automanager müssten "mutig vorausdenken", wenn es denn die Autofahrer nicht selbst tun wollen. "Schon Henry Ford hat gesagt: Wenn ich meine Kunden frage, was sie wollen, sagen sie: schnellere Pferde!", so Köhler. Viel, so scheint es, hat sich in den vergangenen 100 Jahren nicht geändert.

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SZ vom 15.1.2010/gf
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