ADAC:Umstrukturieren, um abzulenken

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Vom Erhalt des Vereinsstatus hängt nicht nur für den ADAC viel ab.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Das Amtsgericht München prüft, ob der ADAC zu Recht ein "eingetragener Verein" ist. Sollte ihm dieser Status aberkannt werden, könnte das auch Konsequenzen für andere Organisationen wie TÜV, Dekra und selbst Fußballvereine haben.
  • Den ADAC würde der Verlust des Vereinsstatus vor kaum zu bewältigende Probleme stellen.
  • Um das zu erreichen, müsste der ADAC die Mehrheit seiner Anteile aufgeben. Geplant sind aber nur 25,01 Prozent. Das legt den Verdacht nahe, dass die geplante Umstrukturierung nur als Ablenkungsmanöver dient.

Von Lars Leuschner

Das Amtsgericht München prüft seit fast einem Jahr, ob der ADAC zu Recht den Status als "eingetragener Verein" (e. V.) trägt. Viele andere Vereine schauen besorgt zu. Denn es ist keinesfalls nur der Automobilclub, der im Rechtskleid des e. V. erhebliche Umsätze generiert: Strukturen von Vereinskonzernen finden sich unter anderem bei Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege (Rotes Kreuz, Caritas), Sachverständigenorganisationen wie Dekra und TÜV oder den Klubs der Fußball-Bundesliga. Sollte das Amtsgericht beim ADAC ernst machen, könnte es auch für andere Vereine ungemütlich werden.

Zwar sind mit der Rechtsform des e. V. entgegen eines weitverbreiteten Irrtums keine steuerlichen Privilegien verbunden. Der Vereinsstatus verspricht aber besonderes Ansehen. Zudem unterliegen Vereine deutlich weniger Regularien als Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften. Speziell den ADAC würde der Verlust des Vereinsstatus mit Blick auf seine Untergliederung in Regional- und Ortsklubs vor rechtlich kaum zu bewältigende Probleme stellen.

Um das Amtsgericht München positiv zu beeinflussen, wurde deshalb eine Strukturreform beschlossen: 25,1 Prozent der wirtschaftlichen Beteiligungen auf den Gebieten der Rechtsschutzversicherung, des Verlagswesens und so weiter sollen in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht werden. Daneben ist geplant, durch einen sogenannten "Entherrschungsvertrag" sicherzustellen, dass der Verein trotz seiner verbleibenden Mehrheitsbeteiligung keinen Einfluss auf das Management der entsprechenden Beteiligungen ausüben kann.

Die Voraussetzungen für den Vereinsstatus sollen geschaffen sein

Ausweislich der Aussagen von ADAC-Präsident August Markl geht man davon aus, auf diese Weise die Voraussetzungen für den Erhalt des Vereinsstatus geschaffen zu haben. Man darf annehmen, dass zwischen Gericht und ADAC in den vergangenen Monaten ein Gedankenaustausch stattgefunden hat und die Einschätzung Markls daher von mehr als nur Hoffnung getragen wird. In der Sache nachvollziehbar ist sie indes nicht.

Zur Person

Prof. Dr. Lars Leuschner lehrt an der Universität Osnabrück Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht. Er ist Autor des Buchs "Das Konzernrecht des Vereins".

Zwar ist die beschlossene Reform durchaus beachtlich. Insbesondere der Plan, signifikante Vermögenswerte gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung zu stellen, verdient Respekt. Aus rechtlicher Sicht kommt es darauf aber nicht an. Grundanliegen der für Vereine bestehenden Beschränkungen ist vielmehr der Aspekt des Gläubigerschutzes: Als Ausgleich dafür, dass dem Vereinsrecht eine Reihe von Gläubigerschutzmechanismen wie insbesondere das Erfordernis eines Mindestkapitals (wie bei AG oder GmbH) oder die Pflichtprüfung durch einen Prüfungsverband (Genossenschaft) fehlen, dürfen sich Vereine im Grundsatz nicht wirtschaftlich betätigen. Das leuchtet ein, begründet die Eingehung unternehmerischer Risiken doch eine ungleich größere Gefahr der Insolvenz als eine rein nachfragende Tätigkeit.

Die Gläubiger des Vereins sind von Risiken abgeschirmt

Für Gläubiger des ADAC resultieren aus dessen wirtschaftlicher Betätigung auf den Gebieten wie der Rechtsschutzversicherung hingegen kaum Risiken. Denn alle entsprechenden Aktivitäten wurden in selbständige Beteiligungsgesellschaften (meist in der Rechtsform der GmbH) ausgelagert. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies bereits 1982 geprüft und bestätigt, dass dies genügt, um dem Verbot der wirtschaftlichen Betätigung zu entsprechen. Zu Recht, denn als bloßer Gesellschafter von Kapitalgesellschaften haftet der ADAC nicht für deren Verbindlichkeiten. Die Gläubiger des Vereins sind so von unternehmerischen Risiken abgeschirmt.

Hintergrund der Reformpläne ist offensichtlich eine in der juristischen Literatur verbreitete Meinung, die das ADAC-Urteil des BGH ablehnt. Demnach müssen sich Vereine auch die auf Kapitalgesellschaften ausgelagerten wirtschaftlichen Aktivitäten zurechnen lassen, wenn sie auf diese einen "herrschenden Einfluss" ausüben. Dass der ADAC seine Reformbestrebungen auf eine Literaturmeinung stützt, die im Widerspruch zur BGH-Rechtsprechung steht, ist an sich schon bemerkenswert.

Kundenbeziehung als Mitgliedschaft etikettieren

ADAC: Der Verdacht liege nahe, dass die geplante Umstrukturierung beim ADAC nur als Ablenkungsmanöver dient, sagt Prof. Dr. Lars Leuschner.

Der Verdacht liege nahe, dass die geplante Umstrukturierung beim ADAC nur als Ablenkungsmanöver dient, sagt Prof. Dr. Lars Leuschner.

(Foto: privat)

Wäre sie richtig, müsste das Amtsgericht München mit dem FC Bayern München e. V. sogleich den nächsten prominenten Verein ins Visier nehmen, da dieser aufgrund seiner Beteiligung von 75,01 Prozent an der FC Bayern München AG ein Unternehmen mit fast einer halben Milliarde Euro Jahresumsatz beherrscht. Das Pikante dabei: Die so genannte 50-plus-1-Regelung der Deutschen Fußball-Liga verbietet es dem Fußballclub, seinen herrschenden Einfluss nach dem Vorbild des ADAC aufzugeben. Bemerkenswert ist aber auch, dass der ADAC nicht konsequent ist und statt der Mehrheit nur 25,01 Prozent seiner Anteile aufgeben will.

Das alles legt den Verdacht nahe, dass die geplante Umstrukturierung nur als Ablenkungsmanöver dient. Als wirklich kritisch erweist sich nämlich die rechtliche Beurteilung der vom Verein selbst ausgeführten und als "Kernaktivität" bezeichneten Pannenhilfe. Ob es sich hierbei um eine unzulässige wirtschaftliche Betätigung handelt, ist eine Frage, um deren Beantwortung das Gericht nicht zu beneiden ist. Vieles spricht dafür, sie zu bejahen.

"Mitgliedsprämien" statt "Versicherungsprämien"

Denn Kern der ADAC-Mitgliedschaft ist letztlich die Hingabe des Mitgliedsbeitrags gegen das Versprechen, im Notfall Hilfe zu erhalten. Dabei handelt es sich um nichts anderes als eine Art Versicherungsleistung, wie sie inzwischen auch von vielen Automobilherstellern als "Mobilitätsgarantie" angeboten wird. Dass man im Fall des ADAC die Kundenbeziehung als Mitgliedschaft etikettiert und statt von "Versicherungsprämien" von "Mitgliedsbeiträgen" spricht, macht in der Sache keinen Unterschied. Das mussten in letzter Zeit auch verschiedene Betreiber von Kindertagesstätten erfahren, denen es verwehrt wurde, ihre Betreuungsleistungen in der Rechtsform des e. V. anzubieten.

Dabei soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es im Fall ADAC Gründe gibt, Milde walten zu lassen: Der Verlust des Vereinsstatus würde immense Schwierigkeiten bereiten und wäre möglicherweise unverhältnismäßig. Zumal das von der Pannenhilfe ausgehende Insolvenzrisiko vernachlässigbar sein dürfte und der ADAC daher für Gläubiger keine Gefahr darstellt.

Es bleibt die Frage, ob es rechtens ist, dass der ADAC signifikante Vermögenswerte der Mitglieder stiftet (also verschenkt), ohne diese zu befragen. Die aus Funktionären zusammengesetzte Hauptversammlung taugt kaum als Repräsentantin der 19 Millionen Mitglieder. Was passieren kann, zeigt das Beispiel der mit dem ADAC vergleichbaren British Automobile Association (AA). Sie hat 1999 auf Basis einer Mitgliederbefragung ihren Geschäftsbetrieb an einen privaten Investor verkauft - und aus dem Erlös jedem Mitglied 240 britische Pfund ausgezahlt.

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