Süddeutsche Zeitung

ADAC:Majestät haben betrogen

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Nicht "der" ADAC hat betrogen, sondern ein Direktor. Die Führung des Klubs hat ihn nicht hinreichend kontrolliert. Dazu passt, dass sie zunächst blindlings auf Kritiker eingeschlagen hat. Von dieser Freund-Feind-Mentalität muss der Klub weg. Und personelle Veränderungen könnten auch nicht schaden.

Ein Kommentar von Kurt Kister

Differenzierung tut not. Nicht "der" ADAC hat betrogen, sondern der Kommunikationsdirektor des Vereins. Er schurigelte nicht nur jahrelang seine Mitarbeiter ungebührlich, sondern manipulierte auch die Außendarstellung des ADAC nach Gusto, mit Übertreibungen und gefälschten Zahlen. Außerdem wurde das Agieren dieses selbstgerechten Managers weder von der ADAC-Geschäftsführung noch vom Präsidium hinreichend kontrolliert. Mehr noch: Seine Vorgesetzten merkten nicht, was der Direktor Ramstetter machte, auch weil Geschäftsführer Karl Obermair und ADAC-Präsident Peter Meyer Kritik am ADAC grundsätzlich als eine Art Majestätsbeleidigung auffassten.

In diesem Sinne hat die Vereinsführung versagt. Dazu passt, dass sie, bevor sie ihr Versagen nun zugeben musste, blindlings auf die Süddeutsche Zeitung eingeschlagen hat, deren Reporter nichts anderes getan haben, als die Fakten zu nennen und in den Zusammenhang zu setzen. In jüngerer Zeit gab es selten eine so peinliche Veranstaltung für Organisatoren, Preisträger und Gäste wie die Verleihung des Gelben Engels am vergangenen Donnerstag.

Fernbusse als jüngstes Beispiel

Nun ist das Versagen an der Spitze des ADAC keineswegs das Versagen des ADAC. Der Verein hat viele Millionen Mitglieder - in erster Linie, weil das von ihm aufgezogene Netz der Pannenhilfe und der Unfallrettung nützlich und gut ist. Diese Mitglieder sind der ADAC, die noch aktuelle Führung des Vereins ist es offenbar nicht. Das Management interessiert sich mehr für das umsatzstarke Wirtschaftsunternehmen ADAC, das stets nach neuen Geschäftsbereichen strebt (die Fernbusse sind das jüngste Beispiel). Und schließlich tritt der ADAC als die Lobby-Organisation der Autofahrer auf. Das tut er mit einem manchmal hypertrophen Selbstbewusstsein.

So wenig es "den" deutschen Autofahrer gibt, so entschieden behaupten die ADAC-Lobbyisten dennoch, sie verträten seine Interessen. Das ist fast so fragwürdig, wie es die angebliche Stimmenzahl für das Lieblingsauto der Deutschen war.

Es beginnt mit ehrlicher Selbstkritik

Was der ADAC und seine rührigen Lobbyisten in die Gesetzgebung einzubringen versuchen oder über ihr Vereinsblatt verbreiten, speist sich aus den Interessen des Wirtschaftsunternehmens ADAC sowie einer subjektiven Auswahl der Gefühle, die man im motorisierten Volksempfinden zu erschnuppern glaubt. Außerdem vertritt man immer wieder mal das, was die deutsche Autoindustrie gerne möchte, ohne dass sie es jedes Mal selbst vertreten will. Auch daraus resultiert das oft symbiotische Verhältnis zwischen der Automobilwirtschaft und der ADAC-Führung.

Vor allem im Interesse der Mitglieder ist zu wünschen, dass die Führung aus dem Skandal lernt. Das beginnt mit ehrlicher Selbstkritik. Nötig ist der Abschied von der Freund-Feind-Mentalität, dass jeder böswillig ist oder lügt, der den guten, anständigen ADAC kritisiert. In der Zentrale wäre moderne, auf Mitsprache ausgerichtete Mitarbeiterpolitik nicht schlecht. Und die eine oder andere personelle Veränderung weit oben könnte auch nicht schaden.

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Quelle:
SZ vom 20.01.2014
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