Süddeutsche Zeitung

ADAC-Hauptversammlung:Um im ADAC Kritik zu hören, muss man genau hinhören

  • Obwohl der ADAC intern mit diversen Problem zu kämpfen hat, wird auf der Hauptversammlung Harmonie zelebriert.
  • Zwei von vier neugewählten Präsidiumsmitgliedern bekommen weniger als 70 Prozent der Stimmen - obwohl es keine Gegenkadidaten gibt. Sie gelten als Unterstützer von ADAC-Präsident August Markl.
  • Von versprochenen Reformen ist wenig zu spüren.

Von Uwe Ritzer

Ein paar Tage vor seiner diesjährigen Hauptversammlung am Nürburgring veröffentlichte der ADAC einen Testbericht über den Elektro-Kleinwagen Renault Zoe. Das Ergebnis fiel ziemlich gut aus. "Deutschlands beliebtestes Elektroauto", wie die ADAC-Tester vermerkten, schnitt gut ab. In der Stadt mache der Zoe "viel Freude", wenn auch auf längeren Strecken das Nachladen nervig sei. Das E-Auto sei einfach zu bedienen, verfüge über ein gutes Platzangebot, sei billig in der Wartung und "schon ganz alltagstauglich", zumal es ohnehin am Markt kaum Alternativen gebe. ADAC-Gesamtnote für das 41-kWh-Modell: Gute 2,7 im Autotest, bei den Kosten sogar 1,8.

Was nicht zur Sprache kam: Der ADAC hat den Renault Zoe nicht nur getestet, er hilft auch kräftig dabei, dieses Modell zu vertreiben. Mitglieder können es zu sehr günstigen Konditionen leasen; so sieht es ein Deal des Automobilklubs mit Renault vor. "Provisionen" kassiere der ADAC dafür vom Hersteller nicht, heißt es aus der Zentrale. "Nur Marketingzuschüsse."

Produkte verkaufen, die man gleichzeitig auch testet - eigentlich wollte das der ADAC nicht mehr tun. So hatte es die Organisation vor fünf Jahren versprochen, als Konsequenz aus dem Manipulationsskandal um eine Autowahl und andere Fragwürdigkeiten. Auch weiblicher und transparenter wolle er werden, hatte der Automobilklub damals gelobt.

Bei der Hauptversammlung an diesem Samstag ist von alledem wenig zu spüren. Die Frauen muss man in der abgedunkelten Tagungshalle am Nürburgring unter den vielen soignierten, älteren Herren regelrecht suchen. Interessenskonflikte wie beim Renault Zoe werden gar nicht erst angesprochen. Auch alle anderen kontroversen Themen, die Klage von fünf Regionalklubs gegen den ADAC e.V. zum Beispiel oder die Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern, werden öffentlich nicht diskutiert. Präsident August Markl erwähnt die Probleme, die den ADAC intern gewaltig beuteln, weder in seinem Rechenschaftsbericht noch in seiner Eröffnungsrede.

Statt nach guter demokratischer Sitte die Probleme und Differenzen bei der Hauptversammlung, dem höchsten Gremium des ADAC, offen und öffentlich zu diskutieren, wird am Nürburgring erwartungsgemäß Harmonie inszeniert. Um zu erfahren, wie sehr es hinter der glatten Fassade des 116 Jahre alten und bald 21 Millionen Mitglieder zählenden Automobilvereins tatsächlich kriselt, muss man genau zuhören und zuschauen.

So gerät die Neubesetzung von vier der insgesamt sieben Präsidiumsposten zum Stimmungstest. Markls erster Vize Ulrich Klaus Becker erhält, obwohl einziger Kandidat, bei seiner Wahl nur 62,2 Prozent der Stimmen. Auf das schlechte Ergebnis reagiert Becker sichtlich irritiert mit einem Appell, man möge doch "Missverständnisse und verloren gegangenes Vertrauen" überwinden. Finanz-Chef Jens Kuhfuß bringt es auf nur 67,5 Prozent, obwohl er die verhältnismäßig frohe Botschaft an den Nürburgring mitgebracht hatte, dass der ADAC 2018 statt der erwarteten 76 Millionen Euro Defizit lediglich 24,7 Millionen eingefahren hat und das Gesamtergebnis dank einer Sonderausschüttung der kommerziellen ADAC SE bei 759 Millionen Euro lag - plus, wohlgemerkt.

Gute Wahlergebnisse fahren hingegen der neue Technik-Chef Karsten Schulze (91,8 Prozent) und der künftig für das Thema Verkehr zuständige Gerhard Hillebrand ein, der mit 65,8 Prozent als einziger einen Gegenkandidaten aus dem Rennen warf.

Die bei den (übrigens elektronischen Wahlen) abgestraften Präsidiumsmitglieder Becker und Kuhfuß gelten als Markl-Getreue. Sollte sich der ADAC-Präsident über ihre schlechten Ergebnisse ärgern, lässt er es sich jedenfalls nicht anmerken. August Markl, pensionierter Radiologe aus Oberbayern, führt die Hauptversammlung exakt so, wie er auch den ADAC führt: demonstrativ unaufgeregt, unprätentiös - aber auch unbeirrt. Er hat den ADAC nach der Krise 2014 gewaltig umgebaut und will dieses Werk bis zu seinem Ausscheiden in zwei Jahren vollenden. Dass er am Nürburgring nicht zum ersten Mal von den Delegierten nur mageren Beifall bekommt und die Tatsache, dass man die Wahlergebnisse nach den ADAC-Gepflogenheiten getrost dahingehend interpretieren kann, dass etwa ein Drittel der Funktionäre in Opposition zum Präsidenten steht, dürfte August Markl erfahrungsgemäß nicht von diesem Kurs abbringen.

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