Abkehr vom Biosprit:"Die Euphorie war übertrieben"

Es klang so vielversprechend: Treibstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen als treibende Kraft für die Abkehr vom Öl. Inzwischen ist der Biosprit entzaubert. Auch die Sympathisanten von einst rudern zurück.

Michael Bauchmüller

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Wie schnell die Karriere eines Hoffnungsträgers enden kann, das weiß Renate Künast ganz genau. 2005, die rot-grüne Bundesregierung stand kurz vor ihrer Abwahl, sang die damalige Agrarministerin noch laut das Hohelied des Biokraftstoffs. Angesichts steigender Benzinpreise müssten die Firmen den herkömmlichen Treibstoffen viel mehr Biokraftstoffe beimengen, sagte sie damals der Süddeutschen Zeitung. "Damit ließe sich der Benzinpreis um ein paar Cent senken." Stattdessen klammerten sich die Konzerne "viel zu sehr an alte Strukturen", beklagte sie seinerzeit.

Was Künast da forderte, erledigten die Nachfolgeregierungen. Sie schufen ein eigenes Quotengesetz, mit dem immer mehr Biosprit beigemengt werden sollte, und schließlich legten sie den Grundstein für die Einführung der umstrittenen Spritsorte E 10. Sie sollte den Konzernen helfen, den neuen Sprit unter die Leute zu bringen, ganz wie die Ministerin das wollte. Heute sagt Renate Künast: "Wir Grünen haben E 10 immer kritisch gesehen." Die Beimengung stärke über die Maßen die Macht der großen Mineralölmultis. So, so.

Biosprit: ab ins politische Abseits

So gerät der Heilsbringer von einst zunehmend ins politische Abseits. Selten wurde ein vermeintlicher Umwelt- und Klimasegen so rasch ad acta gelegt wie dieser. Und das nicht nur aus hehren Motiven.

Uwe Lahl war einer, der damals an vorderster Front stand. Als zuständiger Abteilungsleiter im Bundesumweltministerium hatte er den wachsenden Anteil der Biokraftstoffe maßgeblich vorbereitet. Heute hat er für diejenigen, die wie Künast einst die Landwirte zu den "Ölscheichs von morgen" kürten, jetzt aber dagegen wettern, nicht viel Verständnis. "Über so viel Populismus kann ich nur staunen", sagt Lahl, selbst ein Grüner. Inzwischen lehrt er an der TU Darmstadt - und forscht weiter über die Zukunft der Biokraftstoffe. "Wir müssen die Reputation reparieren", sagt Lahl. "Denn wenn wir ganz darauf verzichten, was ist dadurch besser geworden?" Schließlich brauche die Welt irgendwann auch Alternativen zu fossilen Rohstoffen.

Aber wie konnte ein Kraftstoff, der mit so vielen Hoffnungen beladen war, derart in Verruf geraten? Eine ganze Weile lang gehörte der Sprit vom Acker zum festen Instrumentenkasten des Klimaschutzes. Es klang auch zu schön: Zwar wird bei der Verbrennung im Motor ebenfalls Kohlendioxid frei. Dieses aber wird von den Pflanzen im Wachstum gebunden. Gerade im grünen Landwirtschaftsministerium gilt der neue Kraftstoff als die ideale Synthese aus Agrarwirtschaft und ökologischem Fortschritt. "Mit Raps und Rüben weg vom Erdöl", preist Künast 2005. So schön scheint die neue Welt damals.

Was genau schiefgelaufen ist, kann sich auch Johannes Lackmann nicht erklären. Mehr als zehn Jahre lang stand er an der Spitze verschiedener Ökoenergie-Verbände, zuletzt des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie. "Wahrscheinlich ist die Bioenergie zu lange im Schatten der Landwirtschaft gefahren", sagt er heute. Als die Stimmung dann kippte, habe die Branche nicht den Mut gehabt, energisch für sich zu kämpfen. So hätten die Kritiker immer mehr Aufmerksamkeit bekommen, während die Befürworter nach und nach untergingen.

So entstand die Phalanx aus Umwelt- und Entwicklungsgruppen

Überhaupt: die Kritiker. Die angeblichen Ölscheichs haben gerade die ersten Ernten eingefahren, da regt sich schon der Protest. Neben die Zweifel am Klimanutzen der Bioenergie, wie sie vor allem das Umweltbundesamt früh geäußert hatte, treten nun auch besorgniserregende Berichte aus dem Ausland. Etwa aus Mexiko, wo die wachsende Biosprit-Nachfrage aus den Vereinigten Staaten den Maispreis steigen lässt; auch für die Ärmsten. So entsteht eine Phalanx aus Umwelt- und Entwicklungsgruppen, die bis heute zusammenhält. "Das ist eine Spendenindustrie, nichts sonst", ereifert sich Lackmann, der heute Windpark-Betreiber in Westfalen ist. "Die Kampagnen gegen den Biosprit dienen nur diesem Zweck."

Andererseits lässt sich ein Zusammenhang zwischen den Preisen für Nahrungsmittel und jenen für Treibstoffe vom Acker schwer von der Hand weisen. Und bei der Nutzungskonkurrenz, also der Frage, ob für Energie-Plantagen am Ende Weizenfelder oder gar tropischer Regenwald geopfert wird, müssen sich die Freunde des Biosprits auf die Einhaltung ökologischer Standards verlassen, wie sie nicht jedes Herkunftsland bisher gekannt hat. Die Kritik fällt auf fruchtbaren Boden. Sie vermehrt sich rasch.

Biosprit fördert plötzlich das Greenwashing von Spritfressern

Hinzu kommen 2007 die Pläne der EU-Kommission, die Klimavorgaben für Autos abzumildern, dafür aber die höhere Beimischung von Biosprit anzurechnen: als Klimaschutz-Maßnahme. Plötzlich dient die Alternative zum Öl dem Greenwashing großer Spritfresser. Umweltverbände laufen Sturm. "Da sind die Brüsseler Nichtregierungsorganisationen weit übers Ziel hinausgeschossen", sagt Lahl heute. "Die haben das Thema so überspitzt, dass wir für die Biomasse im Klimaschutz ein Akzeptanzproblem bekommen haben."

Ein Akzeptanzproblem freilich, dass mittlerweile auch wissenschaftlich unterfüttert ist durch eine ganze Reihe von Studien; über die allerdings auch wieder die Meinungen auseinandergehen. Ein Akzeptanzproblem aber auch, das Teilen der Industrie gar nicht so unrecht sein dürfte.

Da wäre etwa die Mineralölwirtschaft, die von jeher wenig Interesse an der Beimischung eines Kraftstoffes hat, den sie nicht selber fördert, sondern bei Landwirten zukaufen muss. Die Einführung von E 10 im vorigen Jahr verfolgte die Branche bestenfalls halbherzig. Oder auch die deutsche Autoindustrie: Sie schuf sogar einen neuen Hoffnungswert, um die Zukunft der Biokraftstoffe zu untermauern, den "Biokraftstoff der zweiten Generation". Er sollte dereinst den herkömmlichen Biosprit ablösen, hergestellt vor allem aus Abfällen. Mehr noch: Am herkömmlichen Otto- und Dieselmotor hätte sich damit nicht viel ändern müssen. In Sachsen kauften sich Volkswagen, Daimler und Shell eigens bei einem Unternehmen namens Choren ein, einem Entwickler der neuen Vision. Mehr allerdings ist es auch nicht: Im vorigen Jahr meldete Choren Insolvenz an. Und den herkömmlichen Biosprit haben in der Zwischenzeit andere erledigt. Nur der Klimarabatt für die Autoindustrie, der bleibt.

So ist irgendwie wieder alles beim Alten, und womöglich ist das einigen Beteiligten ganz recht. Wären da nicht noch diese hehren Worte von einst. "Unbestreitbar bleibt aber, dass auch die Grünen damals nicht frei waren von einer gewissen Euphorie über Biotreibstoffe", heißt es heute in der Fraktion, die Renate Künast mittlerweile anführt. "Diese Euphorie hat sich als übertrieben herausgestellt."

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