Abgasskandal:In welchen Baureihen die beanstandeten Diesel stecken

Mercedes Vito mit Dieselmotor OM 651

Es gibt fast keine Mercedes-Baureihe, in der der Dieselmotor OM 651 nicht eingesetzt wird oder wurde. Hier ist er in einem Mercedes Vito installiert.

(Foto: Daimler AG)
  • Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt gegen Daimler wegen Betrugs und strafbarer Werbung. Grund sind Unregelmäßigkeiten beim Abgasausstoß.
  • Konkret geht es um zwei Turbodiesel-Modellfamilien: OM 642 und OM 651.
  • Beide Triebwerksgenerationen kommen in fast allen Mercedes-Baureihen zum Einsatz.

Von Thomas Harloff

Die Typbezeichnungen einzelner Motoren sind eigentlich nur etwas für echte Autofreaks. Für Menschen, die bereit sind, ganz tief ins Thema einzusteigen. Um welche Art Triebwerk es sich beim EA 189 handelt, hätten vor zwei Jahren höchstens absolute VW-Insider gewusst. Dann kam der Abgasskandal, und EA 189 war plötzlich einer Menge Menschen ein Begriff: In dem Dieselmotor war eine Elektronik eingebaut, die die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand aktivierte, auf der Straße aber weitgehend ausschaltete.

Seit die Süddeutsche Zeitung enthüllte, dass es bei Mercedes-Dieseln ganz ähnliche Unregelmäßigkeiten beim Abgas gegeben haben soll, geraten neue Motorenbezeichnungen in den Fokus: OM 642 und OM 651. Ob die beiden "Oel-Motoren" irgendwann in einem Atemzug mit EA 189 genannt werden, ist jetzt noch nicht abzusehen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Betrugs und strafbarer Werbung sind noch nicht weit genug gediehen, um die Dimensionen dieses Vorgangs abzuschätzen. Doch wer sich anschaut, in welchen Modellen die beiden Motorenfamilien eingebaut sind oder waren, den dürfte nicht überraschen, wenn auch hier am Ende eine riesige Anzahl Fahrzeuge betroffen sein werden.

Sowohl OM 642 als auch OM 651 hat der Daimler-Konzern über zahlreiche Mercedes-Baureihen eingesetzt. Sogar im Jeep Grand Cherokee und im 300C vom ehemaligen Konzernpartner Chrysler waren die Selbstzünder verbaut. Das Kalkül: Die Entwicklungskosten eines Motors rentieren sich schneller, wenn er in möglichst vielen Baureihen installiert wird. Das freut die Controller und verbessert die Bilanz, wird aber ein umso größeres Problem, wenn etwas mit den Aggregaten nicht stimmt. Mit der Technik zum Beispiel. Oder wenn der Konzern, der sie anbietet, bezichtigt wird, mit ihnen betrogen zu haben.

OM 642 ist ein V6-Turbodiesel mit drei Litern Hubraum, der 2005 sowohl in der C- als auch in der E-Klasse eingeführt wurde. Doch dabei blieb es nicht. Im Laufe der Jahre gab und gibt es ihn in etwa einem Dutzend Leistungsstufen, er dient(e) in allen Baureihen oberhalb der Kompaktklasse als Antriebsquelle. In SUVs wie der M-, der R- und der GL-Klasse war der OM 642 der Standard-Diesel, auch in der luxuriösen S-Klasse und im G-Klasse-Offroader war der Motor sehr beliebt. Er steckte außerdem im GLK, in den Coupés CLK und CLS, in den Vans Vito und Viano und im Sprinter. Auch heute ist OM 642 noch präsent, nämlich in jenen Modellvarianten, die die Bezeichnung "350 d" im Namen tragen. Das sind fast alle oberhalb der C-Klasse.

Ein Motor sowohl für die A- als auch für die S-Klasse

Ähnlich kompliziert ist die Lage beim OM 651, einem Vierzylinder-Turbodiesel mit entweder 1,8 oder 2,1 Litern Hubraum. Es gibt kaum eine Baureihe, in der Mercedes den Motor nicht anbietet oder zeitweise angeboten hat. Die kompakten Frontantriebsmodelle A-, B-, CLA- und GLA-Klasse sind hier ebenso betroffen wie der SLK-Roadster, die S-Klasse oder Vito, V-Klasse und Sprinter. Das Leistungsspektrum erstreckt sich von 95 bis 204 PS. Aktuell setzt Mercedes den Motor - außer in seinen Oberklasseautos - in fast allen Modellreihen ein. Obendrein kombiniert ihn die Marke in manchen Modellreihen mit E-Maschinen zu Hybridantrieben.

In welchen Modellvarianten seiner Autos die Tricksereien, denen die Staatsanwaltschaft derzeit nachgeht, stattgefunden haben sollen, will Daimler derzeit nicht sagen. Auch nicht, wie viele Autos insgesamt betroffen sein könnten. Die ermittelnde Behörde sei der Ansprechpartner, der Konzern selbst könne keine Angaben machen, sagt ein Sprecher. Dabei dürften gerade die Mercedes-Kunden ein großes Interesse daran haben, zu erfahren, welche Modelle aus dem verworrenen Diesel-Geflecht von der Staatsanwaltschaft beanstandet werden. Es kann ja sein, dass sie sich auf Rückrufe, Nachbesserungen und drohende Wertverluste einstellen müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: