Abgasreinigung beim Diesel:Wenn es kalt ist, stinkt der Diesel noch mehr

  • In der kalten Jahreszeit stoßen Dieselautos mit ihren Abgasen deutlich mehr Ruß und Stickoxide aus als im Sommer.
  • Der Grund: Die Reinigungsanlagen funktionieren in der Kälte nicht so gut wie in der warmen Zeit.
  • Das hat technische Gründe, die noch immer nicht vollständig gelöst sind.

Von Max Hägler

Das Problem kann man riechen. Wer will, der muss in diesen Tagen einfach einmal schnuppern auf den Straßen. Gerade früh morgens, wenn in den Wohngebieten die Autos angelassen werden, stinkt es aus den Auspuffen. Einen sehr eigentümlichen Geruch ziehen da Dieselautos hinter sich her, irgendwo zwischen Öl und Ruß, jedenfalls Übelkeit erregend. Im Sommer ist das anders, da riechen selbst Diesel heutzutage kaum mehr.

Tatsächlich gibt es einen ganz konkreten Zusammenhang zwischen der Außentemperatur und den Autoabgasen: Die Reinigungsanlagen funktionieren in der Kälte nicht so gut wie in der warmen Zeit. Bei niedrigen Temperaturen sind die Abgaspartikel zäher, setzen Filter, Sensoren und Leitungen eher zu; in der Autoindustrie gibt es dafür den lautmalerischen Begriff des "Versottens".

Weil das verhindert werden soll, lassen die Ingenieure der meisten Autofirmen die Abgasreinigung zurückschalten und so zumindest große Teile der Abgase direkt aus den Brennkammern auf die Straße jagen: Darin enthalten sind viel mehr Ruß und viel mehr Stickoxide (NOx) als im Sommer. Wenn es warm ist, laufen in vielen Dieseln Abgasrückführungen, die einen Teil der Verbrennungsgase wieder in die Brennkammern schleusen; dadurch sinkt die Verbrennungstemperatur - und es entstehen weniger Stickoxide.

Bei den Reinigungsanlagen und Katalysatoren ist es ähnlich. Sie sind zwischen Motor und Auspuff gebaut, sollen mittels unterschiedlicher Methoden potenziell giftige Teilchen herausfiltern - aber sie laufen eben nicht immer. Rußfilter etwa funktionieren nur ab mehreren hundert Grad Celsius Betriebstemperatur richtig, die auf Kurzstreckenfahrten im Winter aber nur selten erreicht werden. Ein weiteres lautmalerisches Wort hat die Autobranche dafür ersonnen: "Thermofenster".

Was ist technisch notwendig, was ist unzulässig?

Es gibt EU-Richtlinien, die aus Gründen des "Motorschutzes" solch ein Zurückregeln erlauben. Eine Frage ist jedoch: Was ist technisch notwendig und was ist eine unzulässige Abgaseinrichtung? Denn irgendwann ist der Motor ja warm, egal ob es schneit oder die Sonne scheint. Nach Ansicht von Staatsanwälten könnte manche Regelei sogar illegal gewesen sein: Auch deshalb wird etwa gegen Daimler ermittelt - auch wenn der Hersteller diesen Vorwürfen widerspricht.

Das Bundesverkehrsministerium hat vor bald zwei Jahren festgestellt, dass viele Hersteller allzu sehr auf den Motorschutz setzten und zu wenig auf die saubere Luft. Irgendwie freiwillig, aber faktisch doch erzwungen vom Ministerium, kündigten deshalb eine ganze Reihe von Autobauern Software-Updates an.

Das Thermofenster ist kleiner, aber es existiert noch

Dabei wird letztlich vor allem die Motorsteuerung so justiert, dass sie die Abgasreinigung intensiver laufen lässt und mitunter auch bei niedrigeren Temperaturen; um etwa 25 Prozent lassen sich die Schadstoffe so reduzieren. Möglich sei das, weil man gelernt habe bei der Physik, bei der Chemie, sagen Ingenieure - kurzum, weil die Angst vor dem Versotten nicht mehr ganz so groß ist.

Die beim Diesel-Gipfel im August dieses Jahres versprochenen Updates laufen nach demselben Prinzip. Allerdings: "Die spannende und wichtigste Frage ist, ob die Werte auch in den kalten Monaten erreicht werden", stellte schon im Sommer der ADAC fest. "Nur dann ist den Kommunen geholfen." Von einem deutschen Autohersteller heißt es dazu: Wir haben die Thermofenster kleiner gemacht, aber es gibt sie noch, aus Motorschutzgründen. Es gilt also weiter: Wenn's kalt ist, stinkt es mehr.

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